Samstag, Februar 02, 2013

Vom einsamen Vulkan

Der asiatische Kontinent hat es mir besonders angetan. Entdecke ich einen Hinweis über eine Dokumentation über Sibirien, den Fluss Jangtse, das tibetanische Hochland, die Kultur Japans oder den Aralsee, dann sehe ich sie mir mit großer Wahrscheinlichkeit auch an. Nirgends auf der Welt gibt es eine so hohe Dichte an wunderbar schroffen, unwirtlichen Landschaften, atemberaubenden Gebirgen und melancholischen, unheimlichen Legenden wie in Nord-, Zentral- und Ostasien.

Eine der schönsten Geschichten habe ich neulich in einer Dokumentation namens "Von Sibirien nach Japan" (2007) gehört. Die Doku stammt von Klaus Scherer, neben Dirk Sager einem der Godfathers hinsichtlich Dokus und Reportagen über Asien.

Die Geschichte dreht sich rund um den Vulkan Atlasov. Er ragt als Vulkaninsel südlich der russischen Halbinsel Kamtschatka aus dem ochotskischen Meer und gehört zur vulkanisch hoch aktiven Inselkette der Kurilen, die zwischen Russland und Japan verläuft. Benannt ist der Berg nach dem russischen Entdecker Vladimir Atlasov (1661-1711), der als erster Kamtschtka erforschte, detaillierte Berichte und Studien über die Natur und die dort lebenden Völker abfasste und für die Annexion der Halbinsel an das russische Zarenreich sorgte.

Der Vulkan Atlasov vor der Küste Kamtschatkas

Die Legende besagt, dass sich der Atlasov in früherer Zeit auf der Halbinsel Kamtschatka und nicht im Meer befunden hat. Dort hat er sich aus tiefstem Herzen in eine Vulkanin verliebt, die seine Liebe aber nicht erwiderte. In tiefer Trauer beschloss der Vulkan Atlasov daher, seine Heimat zu verlassen und in den Süden, weit aufs Meer hinaus zu ziehen, wo er heute noch in seinem Liebeskummer sitzt. An der Stelle, an der er vormals gesessen hatte, entstand daraufhin ein See. In diesem See, den man heute Kurilensee nennt, befindet sich ein großer schroffer Felsen, den die Menschen Serdtse (Herz) nennen, denn der Legende nach ließ der Vulkan sein gebrochenes Herz zurück, als er die Gegend verließ.

Eine andere Variante der Geschichte geht ebenfalls davon aus, dass sich der Vulkan ehemals auf dem Festland befand. Aufgrund seiner Schönheit - und in der Tat ist der Atlasov ein wirklich schöner, idealtypischer Vulkan (siehe Bild 1) - wurden die umliegenden Berge und Vulkane neidisch und vertrieben ihn hinaus aufs Meer, wo er ihnen keine Konkurrenz mehr machte. Auch hier soll nach seiner Vertreibung der Kurilensee an seiner Stelle entstanden sein.

Kurilensee auf Kamtschatka mit dem Herz-Felsen

Laut den Geologen gehen diese Legenden gar nicht mal so weit an der Realität vorbei. Der Kurilensee enstand nach dem Ausbruch eines riesigen Vulkans und stellt gewissermaßen seinen Krater dar. An dieser Stelle befand sich also in der Tat einmal ein großer Vulkan. Außerdem sei davon auszugehen, dass auch der Atlasov einmal zum Festland gehörte. Als der Meeresspiegel nach der letzten Eiszeit aber anstieg, verschwand die Landbrücke zwischen  dem Vulkan und der sibirischen Halbinsel Kamtschatka in ihrer heutigen Form.

----------

Die ganze Doku von Klaus Scherer kann man sich hier ansehen, gesplittet in neun Teile von je 15 Minuten.
Im fünften dieser Teile geht es ab ca. 7:50Min um die Region um den Kurilensee (vor allem um den Braunbären- und Fischreichtum), ab 13:20Min um die Herz-Insel. Im sechsten Teil ab 10:20Uhr ist kurz der Vulkan in seiner vollen Pracht zu sehen. Wundert euch nicht, dass er in der Doku nicht Atlasov genannt wird, sondern bei seinem japanischen Namen (lange gehörte die Insel zu Japan).

Keine Kommentare: