Am 13. September 2013 ist das siebte Studioalbum von Placebo, meiner Jugendliebe, erschienen. Ich besitze es bisher nicht, weiß auch nicht, ob ich das ändern werde (sagenhaft schlechtes Artwork!) ... aber Spotify machts möglich.
1 - Loud like Love ... Auf den ersten Hör ein gefälliges, beschwingtes Liedchen, das hervorragend zur immer noch überraschend klaren Stimme von Sänger Brian Molko passt. Möchte soundmäßig vielleicht ein wenig an Klangperlen wie Black-Eyed oder Slave to the Wage erinnern. Aber insbesondere der fast hymnische Vers "We are loud like love", der am Ende vielfach wiederholt wird, überzeugt nicht so wirklich. (5 von 10 Punkten)
2 - Scene of the Crime ... Der Song beginnt mit rhythmischen Klatsch-geräuschen, die im Soundrepertoire der Band eher ungewohnt sind; auch sonst überrascht es musikalisch. Ganz guter Song, irgendwie groovy. (6/10)
3 - Too many friends ... Der Text des Liedes setzt sich mit den modernen Kommunikationswegen auseinander; damit, dass man nur einen Bruchteil der Menschen, mit denen man auf facebook & Co. befreundet ist, auch wirklich kennt und tagein tagaus dümmlich auf sein Smartphone starrt. Soweit, so ausgelatscht. Der Focus findet, Too Many Friends sei eine "Abrechnung mit sozialen Netzwerken wie Facebook,
erinnert textlich an die schlimmsten Schüttelreime der Sportfreunde
Stiller". Diese Kritik finde ich nachvollziehbar. laut.de setzt noch einen drauf: "Dabei klingt der mittlerweile 40-jährige Molko wie ein alter Mann, der
mit gestelzten Worten und hohem Fremdschamfaktor über Dinge spricht, die
er nicht mehr versteht." (3/10)
Dieser Song ist die erste Singleauskopplung des Albums, das dazugehörige Musikvideo finde ich sehr interessant gemacht. Der Erzähler ist übrigens Bret Easton Ellis, der Autor von American Psycho (1991).
4 - Hold on to me ... Auf die Radiogitarre folgt die Frage "Who let the cat out of the bag", im Refrain kehrt der Klatschsound wieder. Musikalisch klingt dieses Lied wie melancholisches Radioeinerlei, das auch von Snow Patrol oder anderen Bands stammen könnte. Später dann setzt ein Orchester ein, schließlich ein Monologpart bis zum Songende. Die Vielfalt ist es schließlich, die dieses Lied doch noch ein wenig besonders macht. (6/10)
5 - Rob the Bank ... Nach den sozialen Netzwerken sind nun die Banken dran. Eine recht platte Angelegenheit. "Rob the bank, take me home and make love", lautet die Zusammenfassung des Textes. Musikalisch könnte das Stück auch vom Vorgängeralbum Battle for the Sun stammen. Näääh. (3/10)
6 - A Million little Pieces ... Es geht mit vielversprechenden Klavierklängen los, die Drums und der Gesang dazu erinnern an alte Zeiten. Doch auch hier ist der Text sehr plakativ geraten ("Whenever I was feeling wrong, I used to go and write a song from my heart, But now I feel I've lost my spark"), teilweise fatal. Musikalisch finde ich es aber im Großen und Ganzen gelungen. (6/10)
7 - Exit Wounds ... Placebo bleiben ihrer Vorgehensweise, das jedes Album ein etwas schwerer zugängliches elektronischeres Stück beherbergt, mit diesem Lied treu. Eines der besseren Lieder des Albums, vor allem das düstere und schwere erste Drittel gefällt mir. Dann bricht, leider nicht so schön wie in Julien von Battle für the Sun der Rock durch den Elektro. Dennoch hörenswert. Der Songtext behandelt das Thema Eifersucht, ziemlich kitschig und auch plakativ, aber hier passt es ganz gut. (7/10)
8 - Purify ... Ein solide schrammelnder Song, in welchem Molko eine Frau und ihre so sinnlich-erotische wie göttlich-karthatische Wirkung auf ihn anpreist. Sexuelle Anziehung wird hier in pathetische Verse gepackt, der Kontrast von Text und Musik in diesem Lied ist eine der ersten interessanten Dinge auf diesem Album. (7/10)
9 - Begin the End ... Fast zum ersten Mal finde ich hier den klassischen Placebo-Klang, zumindest zu Beginn des Songs. Dann ändert sich der Sound, und zwar auf eine Weise, die ich Placebo nach den bisher gehörten Songs des Albums gar nicht mehr zugetraut hätte. Begin the End ist treibend und berunruhigend auf der einen und klar auf der anderen Seite. Großartig. (9/10)
10 - Bosco ... Und schon sind wir am Ende; wie schon einige andere Placebo-Alben endet Loud like Love mit einer melancholischen Ballade. Bosco ist der Name eine italienischen Rebsorte; es geht um einen mit der Alkoholsucht kämpfenden Mann, der seine Partnerin zwar sehr liebt, sie aber wegen seiner Sucht und seines Verhaltens zu verlieren droht. Er lebt in Scham, Schuldgefühlen und verzweifelter Liebe. Musikalisch ist dieses Stück sehr emotionale gestaltet, die orchestrale Musik und die Klavierpassagen passen wirklich gut. Ein versöhnlicher Abschluss. (7/10)
*****
Fazit: Das große Manko dieses Albums liegt in den Texten. Molko scheint endgültig die Inspiration abhanden gekommen zu sein. Musikalisch ist es in Ordnung, ein paar halbwegs originelle Neuerungen und ein paar bewährte und gute Rezepte aus früheren Jahren kämpfen tapfer gegen einen sonst sehr beliebig gewordenen Sound ohne Ecken und Kanten. Das Album lässt mich ganz schön ratlos zurück, mich fragend wie ich mit meiner einstigen Jugendliebe heute umgehen soll - aus Nostalgie behutsam mit der Kritik sein, mich auf die wenigen wirklich guten Momente des Albums stürzen oder mich enttäuscht abwenden?
Nach der Veröffentlichung der EP B3 im letzten Jahr hatte ich recht große Hoffnungen in dieses Album gesetzt, diese EP wartete nämlich mit sehr kraftvollen, elektrolastigen Songs auf. Das Album aber geht größtenteils in eine sehr andere Richtung. Insbesondere das Politische hat Placebo nie gelegen, die früheren Versuche waren auch allesamt eher gescheiterte Experimente (das Revoluzzer-Lied Spite & Malice, das Anti-Drogen-Lied Commercial for Levi), doch das Bankenkrisen- und das Facebook-Lied setzen da noch einen drauf. Die besten Songs der Band handelten oft von psychischen Ausnahmesituationen und von Außenseitern, von "Verrückten, Perversen oder Minderheiten" (Molko) und den Vorurteilen, mit denen sie kämpfen.
Gesamteindruck: 5 bis 6 von 10 Punkten
Gesamteindruck: 5 bis 6 von 10 Punkten
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen