Freitag, Oktober 26, 2012

The Doors of Perception

In den letzten Tagen habe ich meine persönlichen Doors of Perception weit aufgemacht und mehrere Filme gesehen, die in einem engeren oder weiteren Sinne unter das Etikett 'Musikfilm' fallen. Alle Streifen behandelten Ikonen der Pop- und Rockkutlur aus verschiedenen Jahrzehnten. 

Zum einen habe ich (zum zweiten Male schon) die Dokumentation The Doors: When you're strange (2010) gesehen. Der Erzähler Johnny Depp geleitet den Zuschauer in knapp 90 Minuten Laufzeit durch die Historie der Band The Doors, natürlich mit Fokus auf Jim Morrison. Ich finde diese Doku äußerst gelungen, weil sie folgende Dinge leistet: erstens vergisst sie über Morrison die anderen Bandmitglieder nicht, die künstlerisch ebenso beteiligt waren wie Morrison selbst (ausnahmsweise war der Leadsänger hier nicht das alleinige Mastermind). Zum Zweiten verknüpft sie den Erfolg und die Ambitionen der Band gekonnt mit den politischen und historischen Ereignissen und dem Zeitgeist der späten 60er Jahre. Und drittens erlaubt diese Doku es sich erfreulicherweise, ganze Songs der Doors in voller Länge zu spielen, vor allem Live-Mitschnitte, die dann meist mit zeitgenössischen Bildern unterlegt werden. Der Film hat übrigens einen Grammy in der Kategorie "Best Long Form Music Video" erhalten; Regie führte ein gewisser Tom DiCillo, der sich zuvor vor allem als Kameramann einen Namen gemacht hatte (u. a. für Jim Jarmuschs Coffee & Cigarettes).

Ebenfalls um diese Band dreht sich der 1991 erschienene Film The Doors mit Val Kilmer in der Hauptrolle als Morrison. Die drei noch lebenden Bandmitglieder der Doors stehen sehr konträr zu diesem Film. Ray Manzarek, der an der Hammond-Orgel bzw. am Keyboard saß, war enttäuscht, wie eindimensional Oliver Stone seinen Freund Morrison darstellte. Der Regisseur konzentriere sich laut Manzarek nämlich fast ausschließlich auf den rauschhaften Rockstar und ließe den sensiblen Poeten und Menschen Morrison außen vor. Gitarrist Robbie Krieger bescheinigte dem Film ebenfalls Überzeichnungen und Verzerrungen, empfand ihn aber generell als gelungen und lobte Kilmers schauspielerische Leistung über alles. - Was sage ich dazu? Ray Manzarek stimme ich vollkommen zu. Der Film reiht einfach nur Exzess an Exzess und toppt sich selbst in seiner Verklärung gewaltig, indem es Morrisons Tod ästhetisch-heroisch romantisiert. So vieles in diesem Film wirkt albern und peinlich, anstatt authentisch.
Regie führte, wie bereits erwähnt, Oliver Stone (Platoon, Natural Born Killers, World Trade Center, Alexander), dem ich persönlich keine emphatischen Künstlerportraits zugetraut hätte - und davon ist der Film in der Tat weit entfernt. Nach dem Popocornkinostreifen hat man erstmal richtig Lust, sich für die verkorksten zwei Stunden mit den echten Doors zu trösten.




Außerdem habe ich - endlich, nachdem ich es schon seit Jahren vorhatte - I'm not there (2007) gesehen, eine experimentelle filmische Biografie über Bob Dylan. Das erste, was ich zu diesem Film wusste, als er im Kino anlief, war, dass Dylan von insgesamt sechs Schauspielern dargestellt würde: Cate Blanchet, Christian Bale, Heath Ledger, Richard Gere, Ben Wishaw (Hauptdarsteller in Das Parfum) und einem schwarzen Jungen namens Marcus Carl Franklin. Diese Mischung (Männer jeden Alters, eine Frau, ein schwarzes Kind) fand ich äußerst interessant. Schon der Trailer verriet, dass tatsächlich Cate Blanchet dem Musiker optisch am nächsten kommt.
Nun gestaltet sich I'm not there aber nicht als klassisches Biopic. Man hat es mit sechs Episoden zu tun (eine pro Darsteller), die zueinander in keinerlei Bezug zu stehen scheinen und unchronologisch erzählt werden. Sie spielen an anderen Orten, zu anderen Zeiten, es gibt kaum wirkliche Links zueinander - das war sehr verwirrend. Zudem heißt keiner der sechs Darsteller Bob Dylan. Richard Gere ist eine Art Billy the Kid, Heath Ledger mimt einen Schauspieler namens Robbie, Christian Bale einen Folksänger namens John Rollins, Cate Blanchet einen Folk- und Rocksänger namens Jude Quinn. Jede Figur stellt eine Facette des Poeten und Musikers Bon Dylan dar, mit dessen Musik der Film unterlegt ist. "Die Episoden wandeln zwischen realen, verbürgten Szenen und philosophischen, abstrakten Metabetrachtungen. Unter anderem wird gezeigt, wie Dylan im Jahr 1965 anfängt, die elektrische Gitarre zu spielen" und damit seine Folkmusic-Fangemeinde vor den Kopf stößt. "Außerdem wird in Anlehnung an den Western Pat Garrett jagt Billy the Kid, zu dem Dylan den Soundtrack schrieb, Richard Gere als Billy the Kid gezeigt (als Parallele zu dem älteren Bob Dylan), der anfangs nur ein ruhiges Leben führen will und dann in einer Art Comeback seinen alten Widersacher Pat Garrett ein letztes mal überlistet." (meine kreative Quelle)
Im Großen und Ganzen kann ich mit dem Film weniger anfangen als gedacht. Er hat einige Längen, aber das ändert nichts an meiner begeisterten Bewertung einiger Episoden darin. Insgesamt finde ich ihn dann aber doch recht gut - vor allem ist es mal was anderes. Und wer hat den Film gedreht? Todd Haynes, der mir und allen anderen von der Glamrock-Ära, David Bowie und Placebo Faszinierten den Film Velvet Goldmine (1998) geschenkt hat.




Der bemerkenswerteste der Filme aber war Last Days (2005). Dieser Film arbeitet mit Motiven aus dem Leben von Kurt Cobain, und stellt eine fiktive Variante der letzten Tage des Musikers dar. Trotz der vielen fingierten Elemente vergisst der Zuschauer zu keinem Moment, dass Cobain der Inspirationsgeber für den Regisseur Gus van Sant (Good Will Huntung, Forrester - Gefunden, Milk) war. Das wird zum einen am äußeren Zustand des Protagonisten Blake deutlich - blond verwuschelt, typische Outfits Cobains tragend -, zum anderen zeigt der Film einen von Drogen körperlich stark angegriffenen, sensiblen Musiker, der mit der Welt nicht mehr klarkommt. Auch eine Flinte begleitet den Film von Anfang bis Ende, bis schließlich Blake tot in einem Gartenhäuschen liegt. Der Zuschauer hat kein Waffeanlegen gesehen, keinen Schuss gehört; ob es Drogen waren oder das Gewehr, ob es Suizid war oder ein Unfall, alles bleibt offen. Der Film ist generell angenehm ruhig, lässt lange Kameraeinstellungen auf vermeintlich handlungsarme Szenen zu, und ist nicht so effekthascherig wie The Doors, den ich direkt davor gesehen hatte.
Fazit: Anders, ruhig, poetisch. Und nachwirkend. Der Hauptdarsteller Michael Pitt (Die Träumer) macht seine Sache super, vor allem musikalisch, sein 'Babyface' empfand ich aber manchmal als unpassend. Dennoch eine gute Wahl. Im Clip seht ihr Michael Pitt alias Blake in Last Days.




Zu guter Letzt war da noch The Magical Mystery Tour von den Beatles, denen Arte am Sonntag einen Themenabend widmete, der sehr interessante Dokus bereithielt. Dieser 55minütige Film ist eine irre und kunterbunte Reise mit den Fab Four, die sowohl für die Regie als auch das Drehbuch und die Produktion zuständig waren. Wobei es ein striktes Drehbuch nie gegeben hat, und das ist wohl auch gut so. Die Beatles toben sich richtig aus; mixen Kindheitserinnerungen von Jahrmärkten und Kindergeburtstagen mit surrealen Szenen in Restaurants, Stripclubs und großen Showbühnen. Die Beatles sind Zauberer, Revuestars, Busreisende. Verschiedene Songs der Band werden eingearbeitet. Absolut sehenswert.


Keine Kommentare: