Mittwoch, Juli 31, 2013

Menschenkaleidoskop

Seit wenigen Monaten arbeite ich in einer sehr kleinen Filiale einer großen deutschen Buchhandelskette als Aushilfe. Das macht fast immer Spaß, ich habe nette und kompetente Kolleginnen, das Arbeitsklima ist sehr gut. Drei bis viermal die Woche kann man mich da an der Kasse, beim Bücherbestellen für oder Beraten von Kunden, beim Büchereinräumen oder Aufspüren hoffentlich nicht gemopster DVD-Bestseller bestaunen. Ich mache mich da wohl ganz gut, wenn ich auch nach wie vor wenig Schimmer von den Genres habe, die wir am meisten verkaufen - tränendrüsige Historienschinken und im Fahrwasser von internationalen Erfolgsautoren schwimmende deutsche Krimis.

Die Arbeit ist so gut wie nie langweilig, und fühlt sich oft gar nicht so wirklich wie Arbeit an. Nur in den Phasen mit wenig Kundschaft - Mittag und früher Nachmittag - zieht es sich ganz schön. Die Stoßzeiten sind die Vormittage, wenn die jungen Mütter mit Kinderwagen nach Erziehungsratgebern und Kinderbüchern und die Rentner nach Novitäten im Regionalia-Regal stöbern, und die Zeit ab etwa 15 Uhr bis Ladenschluss (18.30 Uhr), wenn die Feierabendkäufer kommen. Die beschweren sich dann auch gern, wenn sich die Buchladenbelegschaft um 18.30 Uhr erdreistet zu schließen - Konsum nebenan habe schließlich auch bis 22.00 Uhr auf. Ganz speziell ist der Samstag, der ist durchgehend Stoßzeit, wegen der Spaziergänger, der Wochenendtouristen und vor allem aufgrund der vielen Menschen, die kurzfristig ein Geschenk brauchen, weil ihnen eingefallen ist, dass sie am Nachmittag oder Abend ja auf einen Geburtstag eingeladen sind.

Gerade, wenn man wie ich viel an der Kasse arbeitet, bekommt man an einem einzigen Tag ein grandioses Potpourri an Menschen zu Gesicht. Ganz häufig hätten wir da Den Hektischen und Den Vertrottelten
Ersterer kommt rein, guckt sich gar nicht erst um, sondern hält mir sein Smartphone unter die Nase, gern wortlos, auf dessen Bildschirm mich von der Amazon-Website ein Cover eines Kinderbuches anguckt (er würde es lieber dort bestellen, wenn er es nicht in einer halben Stunde schon bräuchte). Selten sucht dieser Typus nach ausgefallenen Titeln, weswegen die Wahrscheinlichkeit, dass es wirklich vorrätig ist, sehr groß ist. Ich hole es also aus dem Regal, zeige es ihm, er nickt flüchtig. Ich ahne schon, dass er es als Geschenk verpackt haben will, er bejaht und wirft mir einen panischen Blick zu, als ich auf die Geschenkbandschleife noch eine zweite Schleife in einer anderen Farbe binde. Er zahlt mit Kreditkarte, unterschreibt den Zahlungsbeleg noch flüchtiger als er damals seine Karte unterschrieben hat, und rast dann aus dem Laden, vor dem er seinen PKW geparkt hat.

Der Vertrottelte ist meistens weiblich. Sie ist so lange im Laden, dass man zwischenzeitlich ihre Anwesenheit vergessen hat und dann erschrickt, weil man sie eine halbe Stunde später irgendwo im Laden wieder entdeckt (der Laden ist nicht groß, aber da er seit Mitte Juni - unfassbar - mit großen Kalenderständern vollsteht, ist er kaum mehr überschaubar). Manchmal kommt sie auch aller 15 bis 20 Minuten an die Kasse und lädt dort ihre bisherige Buchauswahl ab, um in Ruhe und ohne dass ihr die Arme abfallen weiterzuschauen. Am Ende hat sich ein beeindruckender Stapel an Büchern, Schreib- und Spielwaren und Geschenkartikeln an der Kasse eingefunden. Es beginnt nun ihr Auswahlprozess, denn alles kann und will sie nicht mitnehmen. Vor der amüsierten Verkäuferin trennt sie in "Nehm ich mit" und "Lass ich hier", tauscht noch mal hin und her und eilt dann doch noch mal zu Regal X und Regal Y, um etwas gegen etwas ganz anderes einzutauschen. Erst findet sie in ihren Ziegelstein von einem Portmonee zwischen zig Kassenzetteln die Girocard nicht, dann lehnt das Lesegerät diese auch noch ab. Zu meiner Überraschung zieht sie einen Hunderter aus dem Geldfach.

Weitere wirklich charakteristische Kundentypen sind beispielsweise der Rentner (in den Ausführungen 'lieb' und 'verständnisloser pensionierter Akademiker'), der Stammkunde, der Vater in Begleitung zweier Kinder im Grundschulalter. Reizend auch die Grüppchen älterer Damen um die 60, die stets im Doppelpack auftauchen und ausschließlich Grußkarten mit floraler Motivik kaufen. Um diese und andere faszinierende Verhaltensweisen von Kunden im Einzelhandel geht es vielleicht ein ander Mal.

Samstag, Juli 27, 2013

Ein schöner Tag?

Erinnert ihr euch an meinen Beitrag, in dem ich von der ersten Taufe und der ersten Beerdigung berichtete, auf denen ich war? Beide Ereignisse fanden vor reichlich zwei Jahren innerhalb von ein und derselben Woche statt, beide Male ging es um Menschen, die mir nahe stehen.

Heute habe ich wieder von zwei Ereignissen aus meinem erweiteren Umfeld erfahren, welche mich am Ende vielleicht doch noch an irgendeine Art von Gleichgewichtsbestrebungen in dieser Welt glauben lassen; daran, dass für jedes traurige Ereignis ein freudiges Eintritt, oder andersherum. 

Der Freund einer Bekannten ist gestorben, ein junger Mann von etwa 30 Jahren. Zehn Jahre waren die beiden zusammen. Ich will mir gar nicht anmaßen zu ahnen wie es ist, wenn ein Mensch, der so sehr ins eigene Leben gehört und an dessen Seite man noch so viel vorhatte, auf einmal nicht mehr da ist.

Ein Freund hat gestern geheiratet, seine langjährige Frau Liebste, mit der er bereits ein Kind im Grundschulalter hat. Aus Herrn S. ist Herr K. geworden, der kleine H. hat frisch vermählte Eltern und nach allem, was ich gehört habe, war es ein wunderschöner Tag für die kleine Familie.

Montag, Juli 22, 2013

Film-Rückschau

Von einem minikleinen Kommentar zu 3 Zimmer / Küche / Bad mal abgesehen, ging es hier lange nicht um den Film. Das ändert sich in diesem Moment mit einer kleinen Auswahl der Filme, die ich in den letzten Wochen - erstmals - gesehen habe.

Psycho (1960) ... Dank des wie immer hochkarätigen Nachtprogramms der dritten Programme habe ich diese Filmbildungslücke endlich einmal, ganz unverhofft, auffüllen können. Und das ist wirklich ein famoser Film, dem der Hype um die legendäre Duschszene eigentlich gar nicht gerecht wird. Auch wenn sie aus zweierlei Gründen geschichtemachend ist: einerseits wegen der multiperspektivischen Darstellung, andererseits aufgrund des dramaturgischen Novums, die Hauptfigur bereits in der Mitte des Filmes das Zeitliche segnen zu lassen - diese Idee wird übrigens Hitchcocks Frau zugeschrieben. Durch den viel zitierten Tod der jungen Marianne in der Duschkabine wechselt auch die Perspektive des Films, in das Zentrum rücken die Aufklärung des Todesfalls, der Motelbesitzer Norman Bates und seine in der Tat sehr düsteren Geheimnisse. Muss - man - gesehen - haben.

Jackie Brown (1997) ... eine weitere so genannte 'Lücke'. Ich hatte von diesem halbvergessenen Tarantino-Streifen bisher wenig gehört, und dieses Wenige belief sich vor allem auf schulterzuckende Meinungen von Freunden und Bekannten. Und diese laxe Geste kann ich nachvollziehen: im Grunde macht der Film alles "richtig": die Dramaturgie, der Spannungsbogen, die Stars (Robert De Niro, Samuel L. Jackson, Michael Keaton), alles ist da, aber der Funke wollte nicht so recht überspringen. Irgendwie schien mir in Jackie Brown alles 'Tarantino light' zu sein. Der Humor etwas lau, die Umsetzung der kriminellen Tricks etwas fade und langatmig, die Charaktere nicht so cool, wie sie angelegt waren. Dennoch keine verschwendete Zeit.

Wir (2003) ... Dieser Film wurde im Freundeskreis zum allwöchentlichen Filmabend gesehen, da er von der Machart her als grober Vorläufer zu 3 Zimmer / Küche / Bad betrachtet werden könne. Parallelen gibt es in der Tat: es geht um eine Gruppe von mehr oder weniger eng befreundeten Mittzwanzigern, die in Berlin lebt. Anstatt der Umzüge sind es eher Partys und ein paar erotische Wechselspiele, die den Film strukturieren. Der Film ist sehr sympathisch gemacht, wirkt nicht ganz so authentisch wie 3 Zimmer ..., aber das kann auch an den zehn Jahren liegen, die diese beiden jungen deutschen Produktionen trennen. Ein bisschen Distanz wurde für mich persönlich auch durch das Jahrtausendwende-Setting generiert, das manchmal noch etwas an die 1990er Jahre erinnerte.

Alle Mörder sind schon da (1985) ... Der Film zum Spiel 'Cluedo' (und nicht andersherum). Es ist schon erstaunlich, dass ein Brettspiel solche Wogen schlägt, dass es letzten Endes sogar verfilmt wird. Und der Film ist ein humoristisches Kleinod! Es wird mit allen Klischees gespielt, doch auf kluge und witzige Weise; es macht richtig Spaß, auf die nächste Reminiszenz an das Krimigenre zu warten. Auch die Besetzung kann sich sehen lassen (Tim Curry, Christopher Lloyd, ...). Der Anstoß der Handlung ist sehr originell, man wünscht sich eigentlich gar keine Aufklärung der Morde, da das Rate- und Versteckspiel so kurzweilig ist. Das löst der Film aber sehr gut, da es drei verschiedene kuriose, wenn auch in sich plausible Aufklärungen gibt. Wenn man den dümmlichen deutschen Filmtitel auch so unsäglich findet, kann man den Streifen auch gern bei seinem englischen Namen nennen: schlicht Clue.

Holy Motors (2012) ... Dieser Film lief letztes Jahr im Rahmen der französischen Filmtage in verschiedenen Leipziger Programmkinos, aber irgendwie habe ich es nicht geschafft, ihn zu sehen. Solche Versäumnisse behebe ich am liebsten durch das Ausleihen von DVDs bei Westend, einer liebenswerten Videothek hier in Leipzig. Für nur 5€ im Jahr bekommt man da eine Studentenmitgliedschaft und verbilligtes Filmausleihen.
Aber zum Film: dies ist ein kleines, feines französisches Meisterwerk des zeitgenössischen surrealen Films. Wobei 'surreal' vielleicht nicht das richtige Attribut ist; ich glaube nicht, dass man diesen außergewöhnlichen Film adäquat beschreiben kann. Zunächst glaubt man, dass man es bei der Hauptfigur mit einer Art Schausteller zu tun hat, dann mit einem Lügner und Scharlatan, oder ist er doch nur Verkleidungskünstler? Performancekünstler? Schauspieler? Je weiter der Film voranschreitet, desto mehr verdichtet sich die Ahnung. Am Ende hat man es gar mit einer Art Dystopie zu tun. Aber mehr wird nicht verraten. Ansehen, wenn man wirklich mal was anderes sehen möchte!

Etwas außer der Reihe: Boardwalk Empire (ab 2010) ... Diese von HBO produzierte Serie, die im Atlantic City zur Prohibitionszeit spielt, hat es in der Kürze der Zeit wohl schon zu Kultstatus geschafft, zumindest wenn ich den Meinungen meines Umfeldes Glauben schenken kann. Die Hauptrolle spielt der grandiose Steve Buscemi, er verkörpert den korrupten Kämmerer des Bezirks, der nach außen hin den gönnerhaften Politiker mimt, das illegale Alkoholgeschäft in der Region aber fast im Alleingang managt. Um ihn herum gruppiert sich eine illustre Runde von Handlangern, Widersachern, Opfern. Es wird geschmuggelt, gemordet, intrigiert, es wird sich aber auch liebgehabt. Derzeit gibt es 36 Episoden von jeweils 50-60 Minuten Länge, die in drei Staffeln aufgeteilt sind; es soll aber noch mehr kommen. Zu den Produzenten zählen übrigens Martin Scorsese und Mark Wahlberg. Die Serie ist dem Genre entsprechend ziemlich cool, scheut auch brutale Szenen nicht. Ich mag sie ganz gerne, bevorzuge aber die schönen alten Mafiafilme mit dem Al und dem Robert und dem Marlon.

Dienstag, Juli 16, 2013

Lüneburg, Wuppertal und wieder Osnabrück - dann doch lieber erstmal nach Hamburg, zur Erbauung

Von der Bewerbungsfront gibt es wenig zu vermelden - so ein, zwei Mal die Woche flattern Absagen ins Haus, und noch etwas öfter gehen Bewerbungen hinaus.

Andere Themen sind da schöner und v. a. aufregender, z. B. Urlaub. Und davon mache ich dieses Jahr viel, wenn auch immer nur ganz kurz und nie weit weg. Von Freitag bis gestern beispielsweise war ich mit dem Herzallerliebsten in der Hansestadt Hamburg. Dort haben wir das volle Touristenprogramm absolviert, mit Hafenrundfahrt, einem halben Abend auf der Reeperbahn, einer Erklimmung des Michel, einem Spaziergang um die Alster, mit einem langen Besuch der Kunsthallen, mit Millerntor und ImtechArena, mit Fischbrötchen und diversen Hamburger und norddeutschen Biersorten. Der Höhepunkt war natürlich das Konzert von Leonard Cohen am Sonntagabend, das auch der ursprüngliche Grund für die kleine Reise in den Norden war.

Im August geht es dann noch mal vier, fünf Tage an die Ostsee, im September ein Wochenende nach Wien und ein paar Tage nach Franken, eine kleine Tour von einer schönen alten Stadt zur nächsten.

Es folgen ein paar Hamburgimpressionen, die in nächster Zeit im Ramschladen noch umfassender zu sehen sein werrden.




Donnerstag, Juli 11, 2013

50+ ... Vol. X

50.+17 Iggy Pop - The Passenger ... Der Song entstand 1975; in einer Zeit, in der es Iggy Pop, der bürgerlich James Newell Osterberg heißt, nicht so gut ging. Er war gerade mal wieder aufgrund seines selbstzerstörerischen Lebensstils in einer Entzugsklinik. Jeden Samstag durfte er tagsüber raus und in die Stadt. Auf einem Werbeplakat für einen neuen Kinofilm las er dessen Titel - The Passenger. Es handelt sich dabei um ein Psychodrama mit Jack Nicholson in der Hauptrolle, er spielt einen Reporter.
Zudem wäre dieser Song und das Album Lust for Life, auf dem er sich befindet, ohne David Bowie nicht möglich gewesen. Bowie hatte sich Jahre zuvor Iggy Pop angenommen, nahm die Rolle als dessen Mentor ein und päppelte ihn wieder auf. Die Lalala-Passagen in "The Passenger" werden im Original sogar von Bowie gesungen.


50.+18 The Velvet Underground - Pale Blue Eyes ... Eines der zarteren Lieder von The Velvet Underground. Ich bin davon immer wieder wie verzaubert. Es befindet sich auf dem 1969er Album The Velvet Underground, dessen Highlight es für mich ist.




50.+19 The Velvet Underground - Venus in Furs ... Ein Lied, so düster wie hypnotisierend. Der Text thematisiert Sadomasochismus; einigen von euch ist sicher die Novelle Venus im Pelz von Leopold von Sacher-Masoch aus dem Jahr 1870 bekannt, zumindest vom Namen her. Nach diesem Österreicher wurde der Masochismus benannt. Die Novelle selbst schildert kaum Nacktheit oder sexuelle Handlungen, wurde aber aufgrund der Darstellung von Lustgewinn durch Schmerz und Unterwerfung als Skandal empfunden und Mitte der 1950er Jahre zwischenzeitlich indiziert. Der Songtext bleibt nah an der literarischen Vorlage.
An dieser Stelle muss noch eine längst überfällige Verbindung zu dem auf diesem Blog schon öfter thematisierten Film Velvet Goldmine (1998, Regie: Todd Haynes, mit: Ewan McGregor, Christian Bale, Toni Collette und Jonathan Rhys-Meyers) erfolgen. Dieser Glamrock-Streifen heißt nicht umsonst ähnlich wie die Band, werden doch die späten Sechziger und frühen Siebziger thematisiert, also jene Zeit, in der The Velvet Underground aktiv waren. Im Film finden sich diverse Links, etwa heißt die Band des Protagonisten 'Venus in Furs'. Es werden auch Lou Reed-Songs interpretiert, beispielsweise "Satellite of Love". Die von Ewan McGregor verkörperte Figur soll eine Mischung aus Iggy Pop. Kurt Cobain und Lou Reed verkörpern, während der Gegenpart Brian Slade / Maxwell Demon eindeutig als an David Bowie / Ziggy Stardust orientiert zu erkennen ist.

Sonntag, Juli 07, 2013

50+ ... Vol. IX

50.+14 Kings of Leon - Molly's Chambers ... Die Kings of Leon find ich ganz okay, ich mag ganz im Geheimen sogar "Sex on fire" irgendwie, auch wenn der (aktuelle) Sound dieser Band einem schnell zum Hals raushängen kann. Früher war das nicht so - "Molly's Chambers" (2003) kann ich zig Mal hintereinander hören. Einen tieferen Bezug hab ich dazu nicht - es ist eben ein verdammt cooles Lied, das in meiner last.fm-Favoritenliste steckt.



50.+15 Daft Punk - One more time ... Jugendliebealarm! Ich glaube, dass es ein paar Monate in meinem Leben gab, in denen ich nichts anderes als das Album Discovery (2001) gehört habe. Vornehmlich beim Puzzlen, was ich teils manisch betrieb. Auf diesem Album kann ich wirklich jeden Mieps auswendig. Wikipedia sagt, dass "One more time" mit über 4 Mio verkauften Singles der erfolgreichste Song in der Bandgeschichte ist; es würde mich aber nicht wundern, wenn "Get Lucky" (2013, mit Pharrell Williams) diese Marke bereits eingestellt hätte. Für jeden, der auch das Album Homework (1997) kennt, vollzieht sich mit diesem Album ein krasser Stilwechsel. Von den härteren, druckvollen Klängen wechselte man zu 70er Jahre-mäßigen Disco-Synthies, was aber keinen Qualitätsabfall bedeutete. 
Der Videoclip dazu ist auch schon legendär. Zusammen mit einem japanischen Zeichentrickstudio wurde zu jedem Song auf dem Album ein Clip geschaffen; alle zusammen ergeben sie einen einstündigen Anime-Musicalfilm namens Interstella 5555.


50.+16 Bedrich Smetana - Die Moldau ... Das passt jetzt zugegebenermaßen musikalisch nicht so gut hier rein. Die Bedeutung ist dafür aber umso größer. "Die Moldau" ist das erste klassische Musikstück, dass mich begeistert hat. Das war noch vor der Zeit, in der man Schulnoten für seine Kenntnis des Werks von Bach und Mozart und Carl Maria von Weber erhalten hat; das war nämlich bei meinem Opa im Wohnzimmer am Plattenspieler. Diese alte Technik fand ich zum Einen faszinierend, zum Anderen aber auch nicht ganz geheuer. Am liebsten hörte ich die Kinderschallplatte "Clown Ferdinand" oder die alten DDR-Komiker. Furchtbar wurde es, wenn Opa die Schlager- und Blasmusikplatten auflegte. Einigen konnte man sich immer auf Smetanas Moldau. Das ist wohl ein eher plakatives Stück und eignet sich gerade deshalb so gut für den Schulunterricht - in der Tat kann man sich zu jeder Sekunde die Moldau vorstellen, wie sie anfangs ein wilder Gebirgsbach, dann ein Flüsschen ist, das folkloristische Dorffeste passiert, oder später ein breiter Strom ist, der das Goldene Prag durchfließt ("Die Moldau ist ein Beispiel für Programmmusik mit Tonmalerei."). Und ich finds einfach schön.


Mittwoch, Juli 03, 2013

Janusköpfe

Seit Wochen spricht alle Welt von Edward Snowden, einem 1983 im Bundesstaat North Carolina geborenen Mann, den Wikipedia in seiner Hauptfunktion als 'Whistleblower' bezeichnet. Das kommt vom Verb 'to blow a whistle', das heißt 'jemanden verpfeifen' oder passender: 'etwas aufdecken'. 

Snowden hat etwas ganz Gewaltiges aufgedeckt, nämlich das tatsächliche Ausmaß der Überwachung von Bürgern, auch unverdächtigen, durch ihren eigenen Staatsapparat. Er war technischer Mitarbeiter bei der CIA (Central Intelligence Agency) und der NSA (National Security Agency). Dabei gelangte er an Informationen über streng geheime Programme, welche von US amerikanischen und britischen Geheimdiensten zur Überwachung von Telekommunikation und Internet verwendet werden. Diese Infos hat Snowden im vergangenen Mai an einen Journalisten des britischen Blattes The Guardian weitergeleitet. Im Juni erschien darüber ein großer Artikel, allerdings ohne die bis dahin noch geheime Quelle Snowden. Ein paar Tage später lüftete er seine Identität.

Seitdem kommen immer mehr gruselige Details ans Licht, diplomatische Beziehungen geraten ins Wanken, aus Science Fiction wird zunehmend Realität.

Und ehe ich hier falsch verstanden werde: ich finde es uneingeschränkt gut, dass diese Dinge ans Licht gekommen sind. Ich möchte um Himmels Willen nicht in einer Welt leben, in der Persönlichkeitsrechte derartig mit den Füßen getreten werden. Und da ist Deutschland ehrlich gesagt keinen Deut besser als die USA oder Großbritannien, nur weil Letztere aktuell mehr Dreck am Stecken haben. Auch lässt sich mit diesen Enthüllungen ein besseres Bild von US-Präsident Barack Obama erstellen; sein Nobelpreis rückt darüber gleich in ein etwas anderes Licht.

Fatal finde ich zudem die Einschätzung unseres Bundespräsidenten Joachim Gauck, der Snowdens Verhalten als 'puren Verrat' und mit Verständnislosigkeit geißelt. Bedenkt man, dass Gauck der erste Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde war, engagiert als 'oberster DDR-Aufarbeiter', muss man sich fragen, wo sein Gerechtigkeitsverständnis mittlerweile Urlaub macht. Für ihn ist Snowden auch ein 'Whistleblower', nur nicht in der aufdeckenden, sondern der verpetzenden Übersetzungsweise.

Fatal finde ich aber auch die regelrechte Anbetung, die Snowden von einem Großteil der Menschen zuteil wird. Er wird heroisiert, mancherorts wird der Friedensnobelpreis gefordert, gerade für die junge, internetaffine Generation avanciert er zum Halbgott. Wer das übertrieben formuliert findet, der klicke sich einfach mal durch Blogs oder Facebook und lese vor allem die Kommentare.

Denn neben allen Verdiensten, die er zweifelsohne erbracht hat - ich schreibe das so beharrlich, weil es so viele gibt, welche aus so einem Eintrag nur den kritischen Teil bemerken - ist Edward Snowden für mich persönlich vor allem auch eine zwielichtige Gestalt. Da geht es - wichtig - nicht um das, was er getan hat, sondern darum, wie es geschah. Wieso war es ihm einige Tage nach Veröffentlichung der Sachlage dann doch wichtig, dass er namentlich als der Enthüller bekannt wurde? Er selbst betonte immer wieder, dass es nicht ihm um ihn selbst, sondern um die Sache geht. Wieso ging er so spät damit an die Öffentlichkeit? Laut seiner eigenen Aussagen im erwähnten Guardian-Artikel wusste er schon seit 2007, wie weitreichend die Geheimdienste operieren. 

Ich finde, dass diese und andere Ungereimtheiten Dinge sind, die stutzig machen dürfen, was die öffentlich gewordene Person Snowden und ihre Motive betrifft. Er war nicht naiv als er die Informationen weitergab und sich obendrein zur Enthüllung seiner Personalie entschloss. Der Rest der Welt sollte dies auch nicht sein.