In den letzten ein, zwei Jahren habe ich mal wieder etwas getan, dass ich mir mit Beginn der Unizeit irgendwie abgewöhnt hatte - das Schauen von Serien. Als ich noch zur Schule ging, war das Desperate Housewives oder Grey's Anatomy gucken eine regelrecht alltagsstrukturierende Maßnahme, ein festes Rädchen im Wochenrhythmus. An der Uni habe ich es dann oft nicht mehr eingesehen, an besagten Abenden daheim zu hocken und dafür irgendwelche Lesungen, Theaterstücke oder Kneipenabende mit Freunden sausen zu lassen. Doch mittlerweile gibt es ja Mittel und Wege, eine Episode zu sehen, wenn es gut passt.
Sherlock (UK, seit 2010, bisher zwei Staffeln von je drei Episoden à ca. 90 Minuten, die dritte Staffel soll Anfang 2014 in Großbritannien und den USA anlaufen) ... das ist wohl das Beste, was derzeit produziert wird. Als Serie im klassischen Sinne ist Sherlock nur schwer zu kategorisieren, denn drei Folgen pro Staffel und Episoden in Spielfilmlänge sind nicht gerade genretypisch. Aber ohne die Laufzeit von 90 Minuten wären so clevere Plots gar nicht möglich.
Das Wort Sherlock deutet es bereits an; hierbei handelt es sich um eine Adaption des Sherlock Holmes-Stoffes von Sir Arthur Conan Doyle. Dieser Sherlock allerdings wurde in das zeitgenössische London versetzt, seit Kompagnon Dr. John Watson ist ein traumatisiert aus dem Afghanistankrieg zurückgekehrter Militärarzt, dem das Assistieren bei Sherlock Holmes' Fällen hilft, seine Vergangenheit zu bewältigen. Die Serie platzt förmlich vor raffinierten Details, technischer Finessen und brillanter Dialoge. Die Wahl der Hauptdarsteller (Benedict Cumberbatch, Martin Freeman) ist ideal, sogar die deutsche Synchronisation sucht ihresgleichen.
Borgia (D/F/IT/AUT/CZ, seit 2010, bisher zwei Staffeln von je zwölf Episoden à ca. 50 Minuten, die dritte und finale Staffel ist in Planung) ... Das Zeitalter der Renaissance feiert dieser Tage eine ... nun ja, eine Renaissance. Los ging es mit der vielgefeierten Botticelli-Ausstellung 2009/2010 in Frankfurt/Main, es folgten Dutzende von TV-Dokumentationen über den Goldenen Schnitt, die Fibonacci-Folge und Leonardo da Vincis Errungenschaften. Und 2010 dann entstanden zeitgleich zwei konkurrierende TV-Serien über den Borgia-Clan und sein Familienoberhaupt Rodrigo Borgia, der als Papst Alexander VI um 1500 Geschichte machte. Die Borgias ist eine US-Produktion mit Jeremy Irons in der Hauptrolle als erbfolge- und machtbewusster Papst, Borgia ist eine europäische Koproduktion unter der Federführung von ZDF und ORF.
Meiner persönlichen Meinung nach ist die europäische Serie die wesentlich bessere. Zwar zeichnen sich beide Produktionen dadurch aus, dass vor allem durch das regelmäßige Darstellen von Sex- und Gewaltszenen Zuschauer generiert werden sollen, doch bleibt Borgia sowohl hinsichtlich der historischen Fakten als auch der Kulissen näher an der Wahrheit (natürlich bleiben auch hier Wahrheitsverschiebungen zugunsten der Dramaturgie nicht aus). Eine Gute Serie, manchmal vielleicht etwas zu sehr auf sensationslüsternes Publikum zugeschnitten.
Boardwalk Empire (USA, seit 2010, bisher vier Staffeln von je zwölf Episoden à ca. 55 Minuten, eine fünfte Staffel ist in Arbeit) ... Diese sehr aufwändig produzierte Serie spielt im Atlantic City der Prohibitionszeit, also an der amerikanischen Ostküste um 1920. Mit Steve Buscemi wurde ein großartiger Schauspieler für die Hauptrolle gewonnen, er spielt Enoch "Nucky" Thompson, den korrupten und über Leichen gehenden, aber dem Zuschauer doch irgendwie sehr sympathischen Bezirkskämmerer der Stadt. Diese Figur sowie die Darstellung der zeitgenössischen Politik und auch der Politiker entsprechen historischen Fakten, die Serie basiert hauptsächlich auf dem Leben des Politikers Enoch L. Johnson, der von 1911 bis 1941 die Stadt Atlantic City kontrollierte und einen Anteil an allen Gewinnen aus Glückspiel, Prostitution, Alkohol- und Drogenschmuggel einstrich. Auch das Sachbuch Boardwalk Empire: The Birth, High Times, and Corruption of Atlantic City von Nelson Johnson diente als Vorlage.
Die Darsteller in Boardwalk Empire überzeugen fast ausnahmslos, vielleicht kann man hier und da an der Darstellung und Entwicklung der Frauenfiguren etwas mäkeln. Die Kulissen und Kostüme allein lohnen das Ansehen schon. Die namhafte Riege der Regisseure und Produzenten hat sicherlich auch zum sehr großen Publikumserfolg der Serie beigetragen. Auch der Titelsong ist fabulös (The Brian Johnston Massacre "Straight up and down", 1996).
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