Sonntag, April 22, 2018

Der Lesewinter in Erfurtjenaweimar

Viele gute Texte und Alkohol und viele gute Texte über Alkohol. Das war die literarische Destille mit Ralf Schönfelder und M.Kruppe in der Jenaer Villa Rosenthal am 12. Januar. Der Abend drehte sich um die vier Schriftsteller Ernest Hemingway, Heiner Müller, Malcolm Lowry und Wenedikt Jerofejew, ihre Lieblingsspirituosen und Texte, die nicht selten von diesen handeln. Passend dazu konnte man eine große Spirituosenauswahl verkosten und mit etwas Glück sogar ein Gläschen davon gewinnen. Ein äußerst kurzweiliger und hochprozentiger Abend! Hier ein kleiner Einblick:



M. Osterland und A. Graeff
Auswärtsspiele von Mario Osterland in Köln und Berlin. Der Herzallerliebste war mit seinem aktuellen Band "Heimische Arten" zu Gast in zwei deutschen Metropolen. Die Kölner Lesung fand im Januar in der Videothek "Traumathek" statt, nach Berlin ging es am 4. März, um in der geschätzten Brotfabrik in Alexander Graeffs Reihe "Literatur in Weißensee" zu lesen.

Crauss las in der Moritzbastei
Leipziger Buchmesse 2018: Nach der Abstinenz 2017 nun wieder ein paar Tage in der alten Heimat. Auf das Messegelände hat es mich nicht gezogen, was übrigens durch einen Wintereinbruch sowieso arg erschwert gewesen wäre. Stattdessen habe ich dem Literaturfestival Leipzig Liest viele Besuche abgestattet, u.a. der Lyrikbuchhandlung im Kunstraum D21 in Lindenau, unweit der alten Wohnung, und der Langen Leipziger Lesenacht L3 in der Moritzbastei, im Grunde der anderen alten Wohnung. Tolle Lesungen u.a. mit Moritz Gause und seinem neuen Band "Meditationen hinterm Supermarkt", Andra Schwarz ("Am Morgen sind wir aus Glas"), CRAUSS ("Die harte Seite des Himmels") und Walter Fabian Schmid ("Stimmapparatvibrato").


Kaufen!
Es war zwar schon Ende März, aber dermaßen winterlich, dass es noch zählt: Poesie und Musik mit Simone Scharbert, Peter Neumann und Kay Kalytta in der Galerie Stadtspeicher direkt am Jenaer Markt. Simone Scharbert, die Lyrikerin mit den tanzenden Händen, stellte ihren 2017 erschienenen Band "Erzähl mir vom Atmen" vor, der erst zweite Band der noch jungen Reihe "Raniser Debüt". Dieses Literaturstipendium des Vereins Lesezeichen e.V. erlaubt es Schriftstellern, ihre erste Publikation mit bester Lektoren- und Verlagsbetreuung (Verleger Helge Pfannschmidt von der Edition Azur) zu veröffentlichen, auf dass viele weitere folgen mögen. Außerdem las Peter Neumann aus seinem druckfrischen Band "Areale & Tage", ebenfalls Edition Azur, und entdeckte dabei zu seinem eigenen Erstaunen sein Stand Up-Talent. Ein toller Abend, eingerahmt von Kay Kalyttas experimentellem Percussion-Sound!

Ralf Schönfelder im Gespräch mit Peter Neumann

Sonntag, April 15, 2018

Die jüdischen Friedhöfe Erfurts

Für die Erfurter Geschichte sind drei jüdische Friedhöfe belegt.

Der Friedhof der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde befand sich im heutigen Andreasviertel, zwischen Andreas- und Moritzstraße. Er wurde während des großen Pogroms 1349 stark verwüstet und um 1440 endgültig zerstört. Der große Kornspeicher, der dort heute - allerdings mit anderem Zweck - noch steht, ist zum Teil aus den Resten des Friedhofes erbaut.

Einige der Grabsteine, die man in jüngerer Zeit bei Arbeiten in dem Areal wiedergefunden hat, stehen nun auf dem restaurierten jüdischen Friedhof in der Cyriakstraße, unterhalb des ega-Parks. Dieser Friedhof wurde Anfang des 19. Jahrhunderts angelegt, als die jüdische Gemeinde in Thüringen wieder angewachsen war. Die verhältnismäßig kleine Fläche reichte bald nicht mehr aus, sodass um 1871 ein neuer, größerer Friedhof in Betrieb genommen wurde.

Der Friedhof in der Cyriakstraße


Gedenkstein
Der Friedhof in der Cyriakstraße wurde 1926 und 1938 wiederholt geschändet. 1939 musste die jüdische Gemeinde Erfurts ihn ohne Gegenleistung an die Stadt abtreten, die ihn 1944 auflöste. Bald nach der Rückgabe des Geländes an die Gemeinde in der Nachkriegszeit wurde diese erneut dazu gedrängt, das Grundstück an die Stadt abzugeben, diesmal gegen Geld. Die Stadt brauchte das Areal, um Garagen für ranghohe Staatsdiener zu errichten - mit alten Grabsteinen als Fundament. Seit den 2000ern hat sich aber einiges getan: die Garagen wurden abgerissen und zunächst ein Gedenkstein aufgestellt. Daneben wurden die wenigen noch übrigen Grabsteine platziert. Eine Infosäule berichtet über die Geschichte des Ortes.

Trauerhalle des neuen Friedhofs
Der sog. neue Friedhof von 1871 existiert bis heute - viele Erfurter wissen gar nichts von seiner Existenz! Er befindet sich im Erfurter Süden, direkt neben der Thüringenhalle und gegenüber des Steigerwaldstadions. Hier stehen Gräber, die 150 Jahre und älter sind, aber auch ganz junge aus den vergangenen Wochen. Immer noch ist dieser Friedhof die letzte Ruhestätte für Juden aus ganz Thüringen und auch für viele, die Deutschland zur Nazi-Zeit verlassen mussten, aber von hier stammen. Sehenswert ist die Trauerhalle. 

Grabstätte der Fam. Hess
Einer der bekanntesten Erfurter, der auf dem neuen Friedhof begraben ist, ist der Unternehmer, Kunstsammler und Mäzen Alfred Hess (1874-1931). Der Schuhfabrikant hat in den 1920ern gemeinsam mit weiteren Mitstreitern das Weimarer Bauhaus vor der Schließung bewahrt und im ganzen Reich Kunstschulen gefördert. Seine Sammlung enthielt viele Werke der Brücke-Künstler, von Feininger, Paul Klee, Franz Marc u.v.a. Nach Machtergreifung der Nazis - Hess war bereits verstorben - emigrierte seine Familie größtenteils nach Großbritannien, wo sie der Vernichtung entging.

Der neue jüdische Friedhof in Erfurt

Dienstag, April 10, 2018

Ausflug ins Meeresaquarium nach Zella-Mehlis

Im März haben wir uns mit dem Zug auf nach Zella-Mehlis gemacht. Die Regionalbahn benötigt eine knappe Stunde in die 12.000 Einwohner-Stadt im Thüringer Wald. Den Ort an sich fand ich eher trist, wozu auch das trübe Wetter beigetragen hat - der März war bekanntermaßen eher winterlich.

Eine halbe Stunde läuft man vom Bahnhof hinab zum Museum - man kann auch mit dem Stadtbus fahren. Das Meeresaquarium existiert seit 1994 und wurde seitdem mehrfach erweitert und modernisiert. Infotafeln und eine Diashow geben darüber ausgiebig Auskunft. Es gibt viele Aquarien und eine große Vielfalt an farbenfrohen Wasserbewohnern. Am beeindruckendsten ist sicher das Haifischbecken. Das Krokodilhaus ist zwar riesig und zeigt eine Vielzahl verschiedener Arten, machte aber einen eher traurigen Eindruck. Interessant war die Sammlung der Gegenstände, die bereits aus den Krokodilgehegen gefischt wurden - man läuft nämlich einen langen Steg oberhalb der Urzeittiere entlang und da ist dem ein oder anderen schon sein Handy, Fotoapparat, Sonnenbrille und Spielzeug hinabgefallen.

Im Gebäude befindet sich auch ein Restaurant, das zwischen Januar und Mai 2018 leider ohne Pächter war - das hat den traurigen Eindruck noch verstärkt. Es boomt halt nicht gerade in Zella-Mehlis, von den AfD-Plakaten (...) mal abgesehen. Generell gestaltete es sich schwierig, abseits von der Bratwurstbude und den Supermärkten an der Bundesstraße am frühen Nachmittag etwas zu essen aufzutreiben. Die meisten Gaststätten und Restaurants haben zwischen 14 und 18 Uhr (oder aber dauerhaft) geschlossen. Ab 1. Mai wird es zumindest im Meeresaquarium wieder Bewirtung von 10 bis 18 Uhr, also während der Öffnungszeiten geben.

Mehr Bilder wie immer im Ramschladen.

Donnerstag, April 05, 2018

Ostern in Bautzen

Bautzner Senfstube
Am Ostersamstag (Karsamstag?) bin ich mit der ganzen Familie in Bautzen gewesen. In dieser Hochburg der sorbischen Kultur haben wir natürlich das komplette Senfprogramm absolviert (Abstecher in den Senfladen mit angeschlossener Ausstellung, Essen im 1. Bautzner Senfrestaurant), das sorbische Museum besucht, dort beim Schaumalen der Ostereier zugesehen und natürlich auch das ein oder andere Kunstwerk erworben. 

Rathausturm
Außerdem standen ein Spaziergang durch die hübsche Altstadt und ein Besuch im technischen Museum "Alten Wasserkunst" auf dem Programm. Hier kann man sich die alten Wasserförderanlagen anschauen. Das war in Bautzen auch stets nötig, denn die Altstadt liegt hoch über dem Umland. Sehenswert sind auch das Rathaus mit den drei Uhren und der Petridom - eine Simultankirche. In diesem Kirchenbau, dessen Schiff übrigens einen baulichen "Knick" aufweist, finden sowohl evangelische als auch katholische Gottesdienste statt. Typisch Deutsch sind die Bereiche der beiden christlichen Religionen durch ein Zäunchen getrennt. 

Wie übrigens auch Erfurt wird Bautzen als "Stadt der Türme" bezeichnet. Und wirklich ist die Altstadtsilhouette von vielen Türmen geprägt, wie dem Matthiasturm, dem Wendischen Turm, dem Schülerturm, dem Wasserturm, dem Nicolaiturm, usw., die mal teilweise auch besteigen kann. Von dort hat man eine tolle Aussicht über die historische Stadt an der Spree und ihr Umland. Ein weiterer Tipp ist die Ruine der Nicolaikirche mit dem Nicolaifriedhof. Die Kirche wurde im Dreißigjährigen Krieg zerstört und nicht wieder erneuert. Stattdessen befindet sich in den alten Ruinen und um sie herum ein Friedhof. Die wunderschöne Anlage liegt etwas unterhalb der Altstadt, auf einem befestigten Vorsprung, daher kann man sie leicht verpassen.

Weitere Fotos gibt es im Ramschladen.

In der Nicolairuine

Montag, Januar 22, 2018

Der Jahreswechsel in Salzburg


Den Jahreswechsel 2017/18 haben wir im wunderschönen Salzburg verbracht. Hier haben wir Josef besucht, den wir vor knapp zwei Jahren durch die von ihm betriebene Literaturzeitschrift mosaik kennengelernt haben. Gemeinsam mit seiner wunderbaren Freundin Vicky lebt er in einer Altstadtwohnung, direkt an den Kapuzinerberg gebaut, für die man zum Mörder werden möchte.

Genächtigt haben wir in einer Einraumwohnung, die wir über airbnb gefunden haben - wenn man sich Ende November überlegt, den Jahreswechsel in so einer beliebten Stadt wie Salzburg zu verbringen, ist das das einzig bezahlbare. Frühstück gab es beim Bäcker im nahen Einkaufszentrum oder - noch besser - bei Kaffee Alchemie. Gereist sind wir wie immer mit der Deutschen Bahn, was in diesem Fall ausnahmslos gut geklappt hat. Sogar auf der neuen München-Erfurt-Strecke ;).

Festung Hohensalzburg
Salzburg ist fast ein bisschen zu schön, um wahr zu sein, und deswegen auch arg kitschig. Gerade bei gutem Wetter ist die Skyline der barocken Kuppeln kaum zu glauben. Für Barock-Freunde gibt es entsprechend viel zu sehen, allem voran der Dom mit seiner schicken Fassade - übrigens die älteste barocke Kirchenfassade nördlich der Alpen. Das Kloster St. Peter im Altstadtkern ist das älteste im deutschen Sprachraum und ebenfalls sehr sehenswert. Der Benediktinen-Frauenstift Nonnberg ist ebenmal so das älteste durchgehend betriebene Frauenkloster der Welt - und so reiht sich hier Superlativ an Superlativ.

Als bedeutendste Profanbauten sind u.a. die Schlösser (Schloss Mirabell, Schloss Leopoldskron, Schloss Hellbrunn und zahlreiche weitere im Umland), der bischöfliche Residenzpalast mit dem Salzburg Museum und Mozarts Geburtshaus vorzuheben. Wichtig, aber wenig hübsch ist das legendäre Festspielhaus. Und da ist natürlich die alles überragende Festung Hohensalzburg, die ich aus Zeitgründen nicht besichtigt habe.

Unbedingt lohnenswert ist die Aussicht vom Mönchsberg - im Süden erstrecken sich die Alpen, im Osten breitet sich die ganze Altstadt vor dem Betrachter aus. Man gelangt entweder über die Festspielstiege, einen Fahrstuhl oder grüne Wege auf der Südseite des Berges hinauf. Da oben befinden sich auch das Salzburger Museum der Moderne, die ein oder andere gastronomische Möglichkeit sowie ein gemütlicher Spazierweg zur Festung.

Aussicht vom Mönchsberg

Literaturfreunde kommen in Salzburg ebenfalls auf ihre Kosten: Peter Handke lebte hier lange Jahre, ebenso wie Stefan Zweig. Georg Trakl ist hier geboren und aufgewachsen. Eine interessante Entdeckung in diesem Zusammenhang, gefunden in der sehr gut sortierten Rupertus Buchhandlung, ist die Essay-Sammlung Salzburger Orte der Weltliteratur, in der neben den oben Genannten noch viele weitere namhafte Schriftsteller Platz gefunden haben.

Mehr Bilder gibt es hier.

Samstag, Januar 13, 2018

Kurztrip nach Goslar

Am dritten Adventswochenende war ich mit Mann und Schwiegereltern für zwei Tage in Goslar. Das historische Örtchen ist für die gut erhaltene Altstadt, die Kaiserpfalz und zum Jahresende für seinen hübschen Weihnachtsmarkt bekannt (Highlight: der Weihnachtswald!). Den haben wir auch ausgiebig besucht, sind durch die mittelalterlichen Gassen geschlendert und haben das Stadt- sowie das Zinnfigurenmuseum besichtigt. 

Glücklicherweise waren wir Donnerstag bis Samstag vor Ort - während die Altstadt Freitag schon gerappelt voll war, hatten wir Donnerstag noch schön Platz. Ich empfehle einen Besuch im Brauhaus Goslar, dem letzten Gosebrauhaus der Stadt, und eine ausgiebige Besichtigung der Kaiserpfalz. Außerdem sollte man bei entsprechendem Wetter auch einen der Türme der Stadtkirche St. Cosmas und Damian besteigen. Genächtigt haben wir in einer hübschen Ferienwohnung in einem Fachwerkhaus.


Die Kaiserpfalz



Dienstag, Januar 09, 2018

Der Leseherbst in Erfurtjenaweimar

Gorch Maltzen in Eisenach
Der Leseherbst beginnt Ende August, denn diese Veranstaltung fand nach meinen "Lesesommer"-Posting statt: Am 26. August gab es in Eisenach das Sommerfest der Poesie der Literarischen Gesellschaft Thüringen (LGT). An insgesamt drei Orten stellten sich verschiedene lokale und regionale Autoren vor, die LGT präsentierte ihre Projekte und Lesereihen. Unter anderem auch "In guter Nachbarschaft". In der ehrwürdigen Reuter-Wagner-Villa stellten Mario Osterland und Peter Neumann die Veranstaltungsreihe vor und lasen auch selbst. Dazu gab es vom Nachbarschafts-Homie Gorch Maltzen supergute Kurzprosa. Am Abend konnte man sich dann von der Arbeit des Poetryfilmkanals überzeugen sowie von den mittlerweile weithin bekannten Thüringer Dichterinnen Nancy Hünger und Daniela Danz.

Am 14. Oktober gab es im Jenaer Kunstverein dann "Heimische Arten und Bodenkunde". Mario Osterland und André Schinkel stellten ihre neuen Gedichtbände vor, vom obersupertollen littlemanlost aus Erfurt kam die Musik dazu.

Mario Osterland las spät
Am 20. Oktober mussten sich die Erfurter Literaturinteressierten entscheiden: Zur Spätlese ins Haus Dacheröden oder zum Release der Anthologie "Wortwald" ins Naturkundemuseum? Sie haben wohl ziemlich genau halbe-halbe gemacht, denn beide Veranstaltungen waren gerammelt voll. Bei der Spätlese, wie immer charmant moderiert von Ryo Takeda, gab es Texte der unterschiedlichsten Qualitäten. Das reichte von vorgelesenen Mädchenblogtexten ohne Poesie, aber mit Moral, über charmanten Amateurrap aus Ilmenau bis zu ausgefeilter Prosa von Mirandolina Babunashvili und Gorch Maltzen. Auch Mario Osterland war mit frisch veröffentlichten Gedichten am Start. Die Spätlese ist ein Format der Erfurter Herbstlese. Parallel dazu stellte die "Aktionsgruppe Eskapismus" im Naturkundemuseum ihre brandneue Anthologie vor, in der u.a. auch Arne Hirsemann, der ehemalige Stadtschreiber von Heiligenstadt, vertreten ist.

Whoop whoop! Die mittlerweile 14. Ausgabe von "In guter Nachbarschaft" fand am 4. November im Erfurter Franz Mehlhose statt. Der Berliner Arzt und Schriftsteller Daniel Ketteler las aus seinem Roman "Grauzone", wobei die Lesung immer wieder in ein wildes Harakiri-Elektro-Konzert überging. Dabei wurde er von DJ Ernst Wawra unterstützt - denn gemeinsam sind sie Elektro Willi und Sohn! Als dann auch noch die legendäre Deborah auf die Bühne kam, war die Action perfekt. Ich habe selten ein derart euphorisches "Nachbarschafts"-Publikum erlebt ("Das war geil!"). Ein hochinteressantes Gespräch über die Verbindung von Literatur und Medizin und die psychiatrischen Probleme Berliner Kulturschaffender rundete die Veranstaltung ab.

Elektro Willi und Sohn feat Deborah

In der Villa Rosenthal
Apropos rund: Einen absolut runden Abend habe ich am 17. November in der Jenaer Villa Rosenthal erlebt. Die herrschaftlich getäfelten, warm ausgeleuchteten Erdgeschossräume der Villa waren eine tolle Kulisse für die Gedichte von Mario Osterland, Christine Hansmann und vor allem die Arrangements von Anna Carewe am Cello und Oli Bott am Vibraphon. Mit viel Leichtigkeit haben sie sich durch Jazz- und Klassikwerke vergangener Jahrhunderte musiziert.


Am 7. Dezember fand die ebenso ambitionierte und hochinteressante wie mies besuchte Lesung "Read Poetry. Read [it] kook.txt" im Kunsthaus Erfurt statt. Die Kookbooks-Verlegerin Daniela Seel ist mit eigenen  Gedichten - nämlich einem atmosphärisch unglaublich dichten Island-Zyklus - und den Verlagsautoren Birgit Kreipe und Steffen Popp nach Erfurt gekommen. Dazu gab es ein Gespräch zwischen Moderator Mario Osterland und Daniela Seel, in dem die Rahmenbedingungen, unter welchen unabhängige Literatur entsteht, seziert worden sind.

Tags drauf dann das große "Nachbarschafts"-Finale für 2017: die insgesamt 15. Ausgabe von "In guter Nachbarschaft" war ganz Wassily Kandinsky gewidmet. Im gut besuchten Weimarer Kulturzentrum mon ami stellten der Berliner Autor, Philosoph und Kulturvermittler Alexander Graeff und der Übersetzer Alexander Filyuta das wenig bekannte lyrische Werk des Malers, Kunsttheoretikers und Pädagogen Kandinsky vor. Dazu gab es Musik von niemand geringerem als der Thüringer Jazz-Legende Conny Bauer, der bereits vor Jahren das Theaterstück "Der gelbe Klang" von Kandinsky als Posaunenimprovisation vertont hat. Von dem hervorragend choreografierten Abend, der Musik, den Gedichten und den Erläuterungen Graeffs war das Publikum hellauf begeistert. Ein würdiger Abschluss des Lesejahres.

Conny Bauer (links) und Alexander Graeff

Freitag, Januar 05, 2018

Filmrückschau

Willkommen in Rileys Kopf
Alles steht Kopf (2015) ... Unbedingt gucken! Einer der originellsten Kinderfilme der letzten Jahre. Diese Pixar-Produktion spielt sich größtenteils im Kopf der Protagonistin Riley ab, die gerade mit ihren Eltern von Minnesota nach San Francisco gezogen ist - was bei ihr ziemliches Gefühlschaos auslöst. Und da wären wir auch schon bei den eigentlichen Hauptfiguren des Films - Rileys Gefühlen. Freude, Kummer, Angst, Wut und Ekel sitzen in Rileys Gehirn an den Schalthebeln (vgl. Bild - Quelle) und versuchen das elfjährige Mädchen so gut es geht durch den Alltag zu navigieren. Bis Kummer es so richtig verbockt und das mit Freude wieder geradebiegen muss... Zwar konservativ erzähltes, aber sehr erfrischendes Abenteuer!


Der Weg nach El Dorado (2000) ... Den hatte ich bis dato immer nur auszugsweise, aber nie im Ganzen gesehen. Dieser Zeichentrickfilm über die Suche zweier cleverer Taugenichtse nach dem großen Reichtum im Südamerika ist größtenteils unterhaltsam, überraschend anzüglich bzw. erotisch aufgeladen, aber leider auch voller nerviger Lieder. Und vom Humor her ein mäßiger Aufguss des großartigen "Ein Königreich für ein Lama", ebenfalls von 2000. Denn Wettlauf zweier exotischer Stories in ähnlichem Setting gewann dann auch folgerichtig die Disney-Produktion um den in ein Lama verzauberten König Cuzco (oh yeah!) um Längen gegen den Dramworks-Film um die Schatzsuche, sowohl bei der Kritik als auch den Zuschauerzahlen.

Blood Diamond (2006) ... Ein DiCaprio-Film par excellence: politisch brisantes Thema (Bürgerkrieg in Sierra Leone, Versklavung, Handel mit Blutdiamanten) und eine moralisch flexible, schlitzohrige, und [SPOILER!] sich am Ende für das Gute opfernde Hauptfigur. Leo ist natürlich wie immer super, ebenso wie die meisten anderen Akteure. Der Film hat vielleicht ein paar Längen und kommt hier und da zu sehr mit der hollywoodschen Pathoskeule (die finale Szene!), zeigt aber überraschend kompromisslos auf, wie es abseits unserer europäischen Komfortzone zugeht. Absolut zugute halten muss man "Blood Diamond" außerdem, dass er die Gefühle der Figuren Danny Archer und Maddy Bowen füreinander zwar thematisiert, diese aber ganz unkitschig behandelt und die beiden nicht im klassischen Sinne zusammenfinden lässt. (Bildquelle)

Aufeinander angewiesen: Solomon Vandy (Djimon Hounsou) und Archer (DiCaprio)

Super-Hypochonder (2014) ... Der Regisseur und Schauspieler Dany Boon hat sich mit "Willkommen bei den Sch'tis" 2008 sehr verdient gemacht. Nur leider dreht er seitdem fast immer den gleichen Film, z.B. "Nichts zu verzollen" oder "Willkommen im Süden" (letzterer ist die italienische Version des Sch'ti-Films). Und so ist "Super-Hypochonder" zwar eine streckenweise ganz witzige Verwechslungskomödie und versucht sich auch mit einer politischen Dimension (illegale Einwanderung, nahöstliche Diktaturen, ...), bleibt aber blass.

Sonntag, Dezember 17, 2017

Was man in Erfurt so machen kann: Den egapark besuchen

Einen großen Teil des Erfurter Westens nimmt der egapark ein. Die Erfurter Gartenbauausstellung - daher der Name - befindet sich auf einer Anhöhe, dem Cyriaksberg. Die Festungsanlage Cyriaksburg, die hier viele Jahrhunderte stand, kann man in Überresten heute noch erahnen. Auf ihren Grundmauern befindet sich u.a. das Deutsche Gartenbaumuseum. Die alten Geschütztürme sind heute einen Sternwarte und ein Aussichtspunkt. 

Blick vom Aussichtsturm in Richtung Altstadt

Die ega brüstet sich damit, zu jeder Jahreszeit etwas zu bieten zu haben. Im Winter hat man freilich nur etwas von den beheizten Pflanzenhäusern, wie dem Orchideenhaus, dem Kakteenhaus oder dem Schmetterlingshaus. Im Frühsommer hingegen blüht und duftet das ganze Areal. Die Vielfalt an Bäumen und Blumen ist wirklich groß. Im Oktober ist die Kürbisausstellung sehr beliebt. 

Im Schmetterlingshaus
So richtig umgehauen hat mich der egapark allerdings nicht. Ein großer Teil, z.B. die riesigen Spielplätze, richten sich ausschließlich an Familien. Dinge wie die Dahlienausstellung wiederum flashen mich hoffentlich erst jenseits der 60. Und die Ecken, die so richtig interessant sein könnten, sind entweder ein bisschen halbherzig gemacht (z.B. der japanische Garten) oder haben ihren Zenit überschritten (besagte Tropenhäuser). Manche Areale kann man wegen Baufälligkeit nicht betreten oder sie werden nur ab und zu bewirtschaftet (das Bienenhaus). Weil dazu die gastronomische Versorgung so lala ist, lohnt sich das Eintrittsgeld von 8 Euro für Vollzahler für mich nur mäßig. Tipp: In der Nebensaison gibt es zwar weniger zu sehen, dafür ist der Eintritt frei!

Die Bedeutung der ega für Erfurt ist allerdings kaum zu überschätzen. Schon 1950 fand hier die erste Gartenausstellung statt, was wiederum in Erfurts Geschichte als "Blumenstadt" begründet liegt. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde von hier die halbe Welt mit Blumen- und Gemüsesamen, Gewürzen und Kräutern beliefert. An manchen Stadträndern, z.B. rechts der Hannoverschen Straße stadtauswärst gen Norden, kann man von den früher riesigen Blumenfeldern noch etwas erahnen.

In 2021 findet in Erfurt übrigens die nächste Bundesgartenschau statt. Das Ausstellungsareal soll neben dem egapark auch den Petersberg und den Nordpark umfassen. Ich bin dann also "mittendrin statt nur dabei", wenn ich dann noch in der jetzigen Wohnung lebe.

Berühmt ist der egapark u.a. für solche Skulpturen

Mittwoch, Dezember 13, 2017

Filmrückschau

Twin Peaks (1991) ... Eeeendlich habe ich diese Serie gesehen (abgesehen von der 2017er-Staffel), leider auch den dazu gehörigen Spielfilm mit Prequelfunktion - den kann man sich echt schenken. Wer Twin Peaks zum ersten Mal sieht, hat zahlreiche Aha-Erlebnisse. Das reicht vom neuen Verständnis für manche Simpsonsszenen bis zum Erkennen des Grundsteins für unsere heutigen Sehgewohnheiten, gerade wenn es um Mystery-Formate geht. Einfach eine wunderbar spannende, skurrile und wahnsinnig witzige (!) Serie.


Heute bin ich Samba (2014) ... Omar Sy muss anscheinend für immer die gleiche Rolle spielen. Der liebenswerte, für Frauen durchaus anziehende Schwarze, mit weicher Schale und hartem Kern, mit ausgeprägter melancholischer Seite, humorvoll kämpfend mit den Vorurteilen. Und irgendwie fällt es mir tatsächlich auf, dass "Heute bin ich Samba" vom gleichen Regisseur wie "Ziemlich beste Freunde" ist. Herausgekommen ist ein unterhaltsamer Film über eine (nicht nur) in Frankreich brennende Thematik (Immigration), mit dieser für französische Filme seit 2000 typischen Note. Von dem man aber auch meint, ihn so oder so ähnlich schon gesehen zu haben.

Suburbicon (2017) ... Wenn man die Coen Brüder, George Clooney, Julianne Moore und Matt Damon in einen Topf haut und umrührt, wird schon was Gutes und vielleicht sogar "Kultverdächtiges" herauskommen? Leider nein. Leider ist "Suburbicon", geschrieben von den Coens und gedreht von Clooney, ziemlich fade geworden. Vorhersehbar, die witzig gemeinten Stellen null komisch, die Gewalt seltsam überzogen. Irgendwie von allem zu viel, das aber wiederum hinter einem Distanz schaffenden Grauschleier. Das Feuilleton lobt den Film zwar sehr, die Bewertungen auf rotten tomatoes oder imdb sprechen aber Bände. Absolut keine Sehempfehlung.

Gimme Danger (2017) ... Jim Jarmusch macht eine Doku über Iggy & The Stooges? Nüscht wie hin. Wir lernen den kleinen Jim Osterberg alias Iggy im Trailer seiner Eltern kennen, seinen Weg zum Schlagzeuger und schließlich Frontmann der wohl ersten Punkband. Für Liebhaber des Rock'n Roll vergangener Jahrzehnte sehr sehenswert, für Iggy-Fans wirklich erhellend. Toller Film.