Samstag, März 08, 2014

Zwei oder drei Worte zur Leipziger Brautradition


Gastbeitrag gesendet von der Novastation
 
Ich hatte vor drei Jahren auf meinem Blog Novastation schon einmal, wenn auch nur ansatzweise, über den eigenwilligen Umgang Leipzigs mit dem Wort „Tradition“ geschrieben. Es ging dabei vor allem um den Selbstbetrug der einstigen Buchstadt, die in jedem März so tut, als wäre sie noch immer Buchstadt – ungeachtet der Tatsache, dass es in Leipzig keinen großen Belletristikverlag mehr gibt. Hierbei klammere ich die emsigen Indie-Verlage, allen voran den poetenladen, explizit aus.

Dass das Ausruhen auf den Überresten von Tradition in Leipzig scheinbar selbst zu einer Tradition geworden ist, beweist die jüngst in der LVZ (Ausgabe vom Dienstag, 4.3.2014) erschienene Doppelseite zur so genannten „Brautradition“ der Messestadt. Die im Zuge der Craft-Beer-Bewegung immer häufiger werdende Berichterstattung über die Herstellung und Geschichte des Kulturgetränks freut mich als Bierliebhaber und Heimbrauer natürlich sehr. Zumal Bier immer noch nicht die gleiche Wertschätzung wie etwa Wein oder hochwertige Spirituosen genießt, obwohl es eine ähnliche handwerkliche und aromatische Komplexität aufweisen kann. Da Bier aber immer mehr zum industriellen Massengetränk verkommen ist, legen viele Biertrinker, und leider auch Brauer, scheinbar keinen großen Wert mehr auf diesen potentiellen Reichtum.

Journalismus oder PR? Sternburg Export dominiert LVZ-Sonderseite

Einer der besten Beweise hierfür ist das in Leipzig gebraute und in den „neuen Bundesländern“ zum Kultbier avancierte Sternburg Export. Die enorme Beliebtheit des Bieres sowie das clevere Marketing der Brauerei sind nicht von der Hand zu weisen und beeindrucken auch mich auf gewisse Weise. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass Sternburg die letzte verbliebende Großbrauerei Leipzigs und somit fast zum alleinigen Repräsentanten „Leipziger Bierkultur“ geworden ist. Dabei muss man jedoch sagen, dass die Marke Sternburg gezielt im Niedrigpreissegment platziert ist und mit ca. 29 Cent pro halbem Liter eine schnelle Verbreitung finden musste. Nun gibt es in der Warenwelt ein Motto, das Konsumenten (auch ich) leider viel zu selten im Kopf haben: Hinter jedem günstigen Preis steht die Geschichte seiner Entstehung. In Sachen Bier sind derart niedrige Preise wie sie Sternburg hat nicht anders zu erklären, als mit der Verwendung billiger Rohstoffe für die Herstellung eines charakterlosen Massenprodukts (Sternburg benennt seinen Jahresausstoß mit über einer Million Hektoliter). Das alles muss sich natürlich auch im Geschmack des Bieres niederschlagen und tatsächlich konnte mir bisher kein „Sterni“-Trinker beschreiben, wonach sein Lieblingsgetränk eigentlich schmecke, außer „Bier eben“.

Dabei hatte ich bereits angedeutet, dass Biere auch und gerade unter der ausschließlichen Verwendung ausgesuchter Malze und Hopfensorten zu wahren Geschmacksbomben werden können. Von frischen, säuerlichen Citrusnoten über komplexe Gewürz- und Nussaromen bis hin zu einem wuchtigen Kaffee- und Schokoladengeschmack lässt sich aus Hopfen, Malz, Wasser und der so oft vergessenen Hefe Erstaunliches kreieren. Und diese Biere müssen nicht zwangsläufig im völlig (unnötig) überteuerten Luxusbiersegment angesiedelt sein, die nur aus dem Braufactum eigenen Verkostungsglas (eine Anbiederung an die ach so elitäre Weinkultur) genossen werden dürfen. In Sachen Sternburg Export würde ein solches Verkostungsglas ohnehin sinnlos sein, weil es keine nennenswerten Aromen besitzt, die man mit der Nase oder dem Mund aufnehmen könnte. Es besitzt schlichtweg einen dumpfen Körper, der mit seinem panschig-alkoholischen Malz einen metallischen Geschmack erzeugt, der von keinem Nachgeschmack der Welt weggefegt werden könnte. Nachgeschmack gibt es beim „Sterni“ ohnehin nur als leichteste Bitterkeit, die es auf merkwürdige Weise schafft in klebrige Süße umzuschwenken.

Die Frage also, was genau Sternburg Export so beliebt macht, wird sich mir bzw. meinem Geschmack wohl nie erschließen (dabei ist „Sterni“ in Sache gehypter Kultbiere, die im Prinzip nach nichts schmecken, in guter Gesellschaft). Jedenfalls scheint es vielen Leipzigern besser zu schmecken als das 2012 eingestellte Reudnitzer, das laut Zitat in der LVZ „zwar viel getrunken, aber nicht geliebt“ wurde. Wobei ich mich frage, warum man ein Bier, das einem im Grunde nicht schmeckt, trinkt. Sollte es den Leipzigern wirklich nur ums Saufen gehen, haben sie mit Sternburg bekommen, was sie verdienen – und über Brautradition und Bierkultur brauchen wir dann auch nicht mehr reden. Aber das war ja überhaupt der Grund dieses Beitrags, die Leipziger Brautradition – in der LVZ dargestellt in Form einer 2/3 der Doppelseite ausfüllenden Sternburg-Promotion. Dass Leipzig einst über 30 Brauereien hatte, erfährt man im wahrsten Sinne des Wortes nur am Rand. Und der einzige Artikel, der sich mit einer alten (freilich nicht mehr existierenden) Brauerei beschäftigt, ist im Grunde nicht mehr als eine Liebesgeschichte mit einem tüchtigen Hang zur Nostalgie und den guten, alten Zeiten als das Glas Bier noch 40 Pfennig kostete. Auch sonst erfährt man nicht wirklich etwas über Tradition oder was die Leipziger Sudhäuser besonders gemacht hat. Und das liegt unter anderem daran, dass es vor der „Wende“ und erst recht vor dem Zweiten Weltkrieg in so gut wie jeder größeren Stadt eine stattliche Anzahl an Brauereien gab, weil fast jeder größere Gasthof sein Bier selbst braute. Eine Tradition, der es nördlich von Oberfranken wirklich nachzutrauen gilt! 

Dennoch machte die Fülle an Brauereien eine Stadt nicht automatisch zur Bierstadt, wie etwa Bamberg oder Dortmund. Und Leipzig schon gar nicht, obwohl die Messestadt einen ganz und gar einzigartigen Braustil sein Eigen nennt: die Leipziger Gose (die ursprünglich aus Goslar kommt). Ein obergäriges Bier, dem neben Hopfen, Malz und Wasser noch Milchsäure, Koriander und Salz zugegeben wird. Gose ist für Bierfreaks auf der ganzen Welt eine wahre Spezialität und aufgrund der wenigen Brauereien, die sie herstellen mitunter eine Rarität. Allerdings kann man nicht wirklich behaupten, dass die Leipziger die Gose-Tradition übermäßig pflegen, scheiden sich doch auch unter den Eingeborenen der Messestadt die Geister, ob die Gose aufgrund ihres eigenwilligen Geschmacks überhaupt trinkbar ist. (Den Touristen hingegen kündigt man das Bier gern als stadtweit beliebte Spezialität an, die jeder echte Leipziger gern trinkt.) Dementsprechend gibt es in Leipzig auch nur zwei explizit als Gose-Wirtschaften bezeichnete Gaststätten: die Gosenschenke „Ohne Bedenken“ im Stadtteil Gohlis und die Gosebrauerei „Bayerischer Bahnhof“.

Zum Glück stellt die LVZ in ihrem Spezial den Braumeister des Bayerischen Bahnhofs, Matthias Richter, vor, dessen Lokal als einziger echter Leuchtturm der Leipziger Braukultur gelten kann. Zum einen braut Richter eine exzellente Leipziger Gose, die einen wirklichen Beitrag zur weltweiten Bierkultur darstellt und den Bayerischen Bahnhof zu einer Pilgerstätte internationaler Bierliebhaber macht. Zum anderen hält er die wahre Tradition des Saisonbierbrauens hoch, die es ihm erlaubt mit Hopfen und Malz zu experimentieren und Biere zu kreieren, die man in keinem Supermarkt der Stadt kaufen kann. 

Immerhin kommt dann aber doch noch die Liga der Freaks, Connaisseure und Heimbrauer zu Wort. Zum einen sind das Srdan und Sebastian, die hier über Bier in Leipzig bloggen. Zum anderen ist das Frank Neumeister, der das alte Handwerk des Bierbrauens in seinem Böhlitz-Ehrenberger Reihenhaus aufrecht erhält. Und wahrlich, ich sage euch (und verzeiht mir den pastoralen Ton), Heimbrauen ist mehr als einfach nur nicht länger zum Supermarkt laufen zu müssen! Als Heimbrauer bestimme ich die Qualität der Zutaten, die in mein Bier kommen. Als Heimbrauer bestimme ich wie mein Bier schmeckt. Als Heimbrauer bestimme ich – und führe damit ein Handwerk fort, das seit Jahrhunderten für die Erzeugung eines (in Maßen) gesunden, natürlichen und qualitativ hochwertigen Lebensmittels steht. Und wer das jetzt theatralisch oder sonst wie zu dick aufgetragen empfindet, dem rate ich es selbst zu versuchen. Oder das „Sterni“, das „Krosti“, das Beck’s, das Krombacher, das x-te TV-beworbene Massenbier einfach mal gegen ein Bier aus einer Kleinbrauerei aus Franken, Bayern oder eben Leipzig einzutauschen. Von letzteren gibt es übrigens noch das „Brauhaus an der Thomaskirche“ und das „Brauhaus Zum Kaiser Napoleon“ in Probstheida, für die die LVZ nur Nebensätze übrig hat.

Unerwähnt bleibt auch in diesem Beitrag so einiges… z. B. das leidige Thema Ur-Krostitzer, die deutsche Biertrinkerkultur als solche, die soziale Ächtung des Biers gegenüber des Weins, Craftbier, Fake-Craftbier, Luxusbier und und und... über das ein oder andere wird noch an anderer Stelle zu schreiben sein. Bis dahin wünsche ich allen Heimbrauern Gut Sud! Und allen Biertrinkern (auch den „Sterni“-Fans) Prost!

4 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Wie war!
Der ganze Hype um Craft Beers - in Oberfranken ist Bierbrauen seit Jahrzehnten das Werk von "Handwerkern" die ihre Kunst verstehen.
Ansonsten wage ich mal die Behauptung, dass "Sterni" nicht mal den Vergleich mit einem "Oettinger Export" standhält.
Aber "Sterni" hin oder her, Bier ist wie vieles andere im Leben halt Geschmacksache und das ist wiederum gut so.

Unknown hat gesagt…

Ich find Sterni ebenfalls die Flasche nicht wert, in der es verkauft wird und kann den Hype absolut nicht nachvollziehen. Vielleicht liegt es daran, dass billig immer zieht und die Stilisierung zum Kultprodukt die eigene Sparsamkeit übertüncht? Und chapeau für die sehr gelungene Beschreibung von Bier-Geschmacksnoten.

Anonym hat gesagt…

Man Alter, zieh dir den Stock aus dem Arsch!

Guenther T. hat gesagt…

In unserer erwählten Gesellschaft zählt allein Wachstum und wer sich diesem ausliefert, muss damit rechnen, dass sein Image und Qualität auf der Strecke bleibt.Ich wage zu behaupten, dass wenn man das Sterni in eine andere Markenbierflasche abfüllt und verkosten lässt der Verbraucher in der Regel keinen Unterschied findet.
Weiterhin muss man noch viele weitere Umstände in Betracht ziehen welche den Geschmack beeinflussen.Es kann jeder selbst eine Eigenanalyse machen. Man kaufe sich verschiedene Biere und entfernt die Etiketten und versucht heraus zu finden welches Bier zu welchen Hersteller gehört.
In dem Harzer Ort Wippra gibt es eine Brauerei die seit 1480 in Betrieb ist und ein herrliches Bier braut. Im Internet ist diese leicht unter Brauerei Wippra zu finden. Es sind Biere, die ihren Namen auch verdient haben, aber eben auch wieder alles reine Geschmacksache.