Freitag, November 29, 2013

Filmrückschau - Special Serien

In den letzten ein, zwei Jahren habe ich mal wieder etwas getan, dass ich mir mit Beginn der Unizeit irgendwie abgewöhnt hatte - das Schauen von Serien. Als ich noch zur Schule ging, war das  Desperate Housewives oder Grey's Anatomy gucken eine regelrecht alltagsstrukturierende Maßnahme, ein festes Rädchen im Wochenrhythmus. An der Uni habe ich es dann oft nicht mehr eingesehen, an besagten Abenden daheim zu hocken und dafür irgendwelche Lesungen, Theaterstücke oder Kneipenabende mit Freunden sausen zu lassen. Doch mittlerweile gibt es ja Mittel und Wege, eine Episode zu sehen, wenn es gut passt.

Sherlock (UK, seit 2010, bisher zwei Staffeln von je drei Episoden à ca. 90 Minuten, die dritte Staffel soll Anfang 2014 in Großbritannien und den USA anlaufen) ... das ist wohl das Beste, was derzeit produziert wird. Als Serie im klassischen Sinne ist Sherlock nur schwer zu kategorisieren, denn drei Folgen pro Staffel und Episoden in Spielfilmlänge sind nicht gerade genretypisch. Aber ohne die Laufzeit von 90 Minuten wären so clevere Plots gar nicht möglich.
Das Wort Sherlock deutet es bereits an; hierbei handelt es sich um eine Adaption des Sherlock Holmes-Stoffes von Sir Arthur Conan Doyle. Dieser Sherlock allerdings wurde in das zeitgenössische London versetzt, seit Kompagnon Dr. John Watson ist ein traumatisiert aus dem Afghanistankrieg zurückgekehrter Militärarzt, dem das Assistieren bei Sherlock Holmes' Fällen hilft, seine Vergangenheit zu bewältigen. Die Serie platzt förmlich vor raffinierten Details, technischer Finessen und brillanter Dialoge. Die Wahl der Hauptdarsteller (Benedict Cumberbatch, Martin Freeman) ist ideal, sogar die deutsche Synchronisation sucht ihresgleichen.

Borgia (D/F/IT/AUT/CZ, seit 2010, bisher zwei Staffeln von je zwölf Episoden à ca. 50 Minuten, die dritte und finale Staffel ist in Planung) ... Das Zeitalter der Renaissance feiert dieser Tage eine ... nun ja, eine Renaissance. Los ging es mit der vielgefeierten Botticelli-Ausstellung 2009/2010 in Frankfurt/Main, es folgten Dutzende von TV-Dokumentationen über den Goldenen Schnitt, die Fibonacci-Folge und Leonardo da Vincis Errungenschaften. Und 2010 dann entstanden zeitgleich zwei konkurrierende TV-Serien über den Borgia-Clan und sein Familienoberhaupt Rodrigo Borgia, der als Papst Alexander VI um 1500 Geschichte machte. Die Borgias ist eine US-Produktion mit Jeremy Irons in der Hauptrolle als erbfolge- und machtbewusster Papst, Borgia ist eine europäische Koproduktion unter der Federführung von ZDF und ORF. 
Meiner persönlichen Meinung nach ist die europäische Serie die wesentlich bessere. Zwar zeichnen sich beide Produktionen dadurch aus, dass vor allem durch das regelmäßige Darstellen von Sex- und Gewaltszenen Zuschauer generiert werden sollen, doch bleibt Borgia sowohl hinsichtlich der historischen Fakten als auch der Kulissen näher an der Wahrheit (natürlich bleiben auch hier Wahrheitsverschiebungen zugunsten der Dramaturgie nicht aus). Eine Gute Serie, manchmal vielleicht etwas zu sehr auf sensationslüsternes Publikum zugeschnitten.

Boardwalk Empire (USA, seit 2010, bisher vier Staffeln von je zwölf Episoden à ca. 55 Minuten, eine fünfte Staffel ist in Arbeit) ... Diese sehr aufwändig produzierte Serie spielt im Atlantic City der Prohibitionszeit, also an der amerikanischen Ostküste um 1920. Mit Steve Buscemi wurde ein großartiger Schauspieler für die Hauptrolle gewonnen, er spielt Enoch "Nucky" Thompson, den korrupten und über Leichen gehenden, aber dem Zuschauer doch irgendwie sehr sympathischen Bezirkskämmerer der Stadt. Diese Figur sowie die Darstellung der zeitgenössischen Politik und auch der Politiker entsprechen historischen Fakten, die Serie basiert hauptsächlich auf dem Leben des Politikers Enoch L. Johnson, der von 1911 bis 1941 die Stadt Atlantic City kontrollierte und einen Anteil an allen Gewinnen aus Glückspiel, Prostitution, Alkohol- und Drogenschmuggel einstrich. Auch das Sachbuch Boardwalk Empire: The Birth, High Times, and Corruption of Atlantic City von Nelson Johnson diente als Vorlage.
Die Darsteller in Boardwalk Empire überzeugen fast ausnahmslos, vielleicht kann man hier und da an der Darstellung und Entwicklung der Frauenfiguren etwas mäkeln. Die Kulissen und Kostüme allein lohnen das Ansehen schon. Die namhafte Riege der Regisseure und Produzenten hat sicherlich auch zum sehr großen Publikumserfolg der Serie beigetragen. Auch der Titelsong ist fabulös (The Brian Johnston Massacre "Straight up and down", 1996).


Donnerstag, November 21, 2013

Filmrückschau

Die Vögel (1963) ... nach Mr. and Mrs. Smith (1941) und Cocktail für eine Leiche (1948) nun der dritte Hitchcock. Und ich muss sagen - für mich der bisher schwächste. Den Kultfaktor kann ich nur wenig nachvollziehen. Ich halte dem Film sehr zugute, dass nicht krampfhaft erklärt wird, woher die Vögel kommen, warum sie so aggressiv sind. Auch das offene Ende finde ich richtig gut. Aber sonst? Die schauspielerischen Leistungen sind grottig, die Dialoge sagenhaft schlecht. Da mag jetzt einer kommen und sagen "Aber in den Sechzigern gab es nun mal andere Darstellungs-konventionen und Sehgewohnheiten auf der Zuschauerseite". Ja, das stimmt, aber damit hat das hier nichts zu tun. Die früheren Hitchcoks überzeugen ja schließlich auch meilenweit mehr. (Bildquelle)


Der Schaum der Tage (2013) ... Eigentlich ist die Handlung simpel: Mann verliebt sich auf einer Geburtstagsparty in eine Frau, die beiden werden ein Paar und heiraten bald. Noch auf der Hochzeitsreise erkrankt die Frau schwer, auch eine Kur und viele Therapien kurieren sie nicht. Der einst wohlhabende Mann hat all sein Geld für die Behandlungen ausgegeben, am Ende ist er ein verarmter Witwer.
Doch Gott sei Dank hat Regisseur Michel Gondry (Vergiss mein nicht!, außerdem viele Videoclips, z. B. für The White Stripes, Radiohead und Björk) daraus alles andere als ein melodramatisches Krankheitskino gemacht. Der Franzose hat sich mit Romain Duris (L'Auberge Espagnole) und Audrey Tautou (Amélie, Zusammen ist man weniger allein) zwei der wunderbarsten französischen Schauspieler geschnappt und mit ihnen ein märchenhaft-surreales und liebevoll-verrücktes, aber auch auch traurig-poetisches Kinowunder geschaffen. Wunderschön! (Bildquelle)


Das Leben ist schön (1997) ... Roberto Benigni ist ein Phänomen. Er scheint alles zu können, sowohl vor als auch hinter der Kamera, er gewinnt Oscars, er wird wegen Papstbeleidigung zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, er kann Dante aus dem Gedächtnis rezitieren und ganz schnell reden. Die Krönung seines bisherigen Werkes findet sich im tragikomischen Das Leben ist schön, an dem er sowohl als Regisseur und Drehbuchautor als auch als Hauptdarsteller mitwirkte; dafür gab es Oscars in den Kategorien Bester ausländischer Film, Bester Haupt-darsteller und Beste Musik. 
Benigni spielt den Überlebenskünstler Guido, der in einem hübschen italienischen Städtchen seine große Liebe Dora (gespielt von Benignis Frau) erobert und mit ihr eine Familie gründet. Doch der Zweite Weltkrieg macht auch vor dieser Idylle nicht halt; der Jude Guido und sein kleiner Sohn Giosué werden deportiert. Dora, die es nicht ertragen kann, von Mann und Kind getrennt zu sein, besteht darauf, den Deportationszug auch zu besteigen. Im KZ denkt sich Guido eine Menge liebevoller Dinge aus, damit sein Sohn nicht ahnt, zu welchem Zweck sie dorthin hingebracht worden sind ... Ein sagenhaft schöner Film! Auch wenn Benigni manches Mal anstrengend sein kann in seiner Darstellung. (Bildquelle)



Donnerstag, November 14, 2013

50+ ... Vol. XII

50.+22 The National - The perfect Song ... Über The National weiß ich gar nicht so schrecklich viel, außer dass das ein paar Herren aus den Staaten sind, die die 20 schon ne Weile hinter sich gelassen, dafür aber größtenteils coole Bärte haben. Ich besitze sogar eine ganze Menge Musik von denen, und so kam es, dass sie sich heimlich, still und leise in meine last.fm-Top10 gemogelt haben. Die Stimme des Sängers gehört wirklich zu den großartigsten Dingen, die es in der aktuellen Rockbandlandschaft zu hören gibt. Ich weiß gar nicht so recht, warum dieser und kein anderer Song in meinen Lieblingsliedern gelandet ist, denn entscheiden könnte ich mich mittlerweile nicht mehr ("Pay for me" finde ich z. B. auch ganz fabulös). Wahrscheinlich, weils einfach der perfekte Song ist.



50.+23 Robyn - Dancing on my own ... Zuerst einmal: Nein, das ist keine autobiografische Musikwahl, meine liebes besorgtes Umfeld. Robyns Texte sind oft von einer derart umwerfenden Direktheit und Offenheit, dass manche meinen sie als plump oder plakativ etikettieren zu müssen. Themen wie Eifersucht, wie in "Dancing on my own" finde ich persönlich aber mit direkten, unverschnörkelten Versen besser rübergebracht.
Robyn, geboren 1979 in Stockhilm als Robin Miriam Carlsson, ist eine schwedische Musikerin. Seit den frühen Neunzigern macht sie Musik. Das erste Mal habe ich 2005 durch die Single "Who's that girl" etwas von ihr mitbekommen. Toll finde ich auch ihren Song "Fembot" (2010), obergut sind die Kollaborationen von Robyn und Röyksopp, allen voran "The Girl and The Robot", das ich unten auch noch anfüge.


Samstag, November 09, 2013

Maybeeeeeh you're gonna be the one who saves meeeeeeh

Straßenmusiker habe ich immer auf die eine oder andere Art und Weise bewundert, nicht selten aber auch bemitleidet. Denn wenn man nicht gerade die beste Ecke in Paris-Montmarte als festen Platz abbekommen hat oder drei Violine spielene 12jährige Mädchen in der Füßgängerzone während der Vorweihnachtszeit ist, die vor sich ein Schild mit der Aufschrift "Wir sparen auf neue Fahrräder" aufgestellt haben, dann hat man als Straßenmusiker wohl vor allem mittelprächtige Tage. Von den UBahn-Musikern in Metropolen mal ganz abgesehen.

In Leipzig gibt es ein paar Musiker, die man recht regelmäßig sieht. Da wäre die etwas irre wirkende, resolute ältere Dame, die mich damit, dass sie ausschließlich Bertolt Brecht singt, immer wieder verzaubert. Ihr Äußeres, ihre etwas irre wirkende Art verleiten zu der schönen Idee, dass sie tatsächlich aus irgendeinem Brechtstück und aus der Zeit im Generellen herausgefallen ist. 
Neben den schon erwähnten Kindern, die sich nach der Musikschule zum Entzücken der Rentner noch in die Einkaufsstraßen wagen, fällt mir auch noch ein jüngerer Mann ein, dessen Repertoire mit James Blunt-Songs und "Wonderwall" von Oasis weitestgehend erklärt ist. Nicht vergessen werden darf auch der melancholisch-russische Altherrenchor.

Neuerdings sehe ich einen mir vorher noch nicht aufgefallenen Straßenmusiker täglich, der meinen ganzen Respekt, dazu aber auch mein ganzes Unverständnis hat. Seit etwa drei Wochen sitzt er an der Asphaltstraße, die durch den Klara-Zetkin-Park verläuft und den Kreisverkehr am Musikviertel mit der Sachsenbrücke verbindet. Ich weiß nicht, wann er sich dort am Nachmittag niederlässt. Doch wenn ich nach der Arbeit gegen dreiviertel Sieben dort entlang fahre, sitzt er da, und da ist er auch noch, wenn ich anderthalb Stunden später auf dem Weg zu einer Lesung oder einem Konzert dort vorbeiradle. Im Dunklen - man hört ihn gut, aber sieht ihn kaum, eine kleine Fahrradlampe beleuchtet leidlich das Gefäß, in das man ihm seine monetäre Anerkennung werfen kann. Immerhin erkenne ich, dass er trotz der mittlerweile handschuhkalten Abende mit bloßen Fingern stundenlang schrammelt. Ich habe bisher keinen je anhalten, ihm zuhören oder etwas Geld in den Hut werfen sehen. Zwar ist der Weg werktags abends stark befahren, doch sind das in erster Linie Leute, die nach Hause wollen. Der Park ist im Winter ein undankbares Pflaster.