Donnerstag, August 29, 2013

Les belles lettres

In diesen Tagen sind sowohl der neue Kehlmann-Roman "F" als auch ein ziegelsteingroßes Werk von Clemens Meyer mit dem Namen "Im Stein" erschienen. Den seit heute im Buchhandel erhältlichen Kehlmann habe ich mir auch gleich mal gegönnt - ich bin gespannt!


Sonntag, August 25, 2013

Graal-Müritz

Ich war jetzt ein paar Tage an der Ostsee, genauer gesagt in Graal-Müritz. Diese Region zwischen Warnemünde und Stralsund kannte ich in der Tat noch nicht, auch wenn ich sonst mittlerweile schon so ziemlich überall da oben gewesen bin. Und es war wirklich schön, vor allem aufgrund des sonnigen Wetters. Jetzt bin ich braungebrannt und meine Nase schält sich ;)

Warnemünde

Den Ort an sich fand ich in Ordnung, es gibt an der Ostsee viel schönere Städtchen und Dörfer. Doch der Küstenwald, das Meer und vor allem die Wasserqualität waren wirklich hervorragend.

An zwei Tagen gab es ausgiebige Radtouren. Die eine führte nach Warnemünde und Rostock (insgesamt reichlich 50km), wir haben uns dort die Häfen angesehen, waren auf dem Warnemünder Leuchtturm.
 
Steilküste zwischen Wustrow und Ahrenshoop

Die andere Tour verlief in die andere Richtung, nach Dierhagen, Wustrow und Ahrenshoop (wiederum ca. 50km). Wustrow ist ein hübsches Seebad mit Seebrücke und Promenade. Gleich östlich des Ortes beginnt die Steilküste, die bis Ahrenshoop reicht. Ahrenshoop ist als Künstlerdorf bekannt; seit weit über 100 Jahren existiert dort die sog. Künstlerkolonie. Heute gibt es dort ein Kunstmuseum, Galerien, Ateliers; jährlich werden mehrere Stipendien in Form von finanzierten einmonatigen Aufenthalten in Ahrenshoop an bildene Kpnstler und Schriftsteller vergeben. Mein Fazit dieses Ortes, auf den ich mich sehr gefreut hatte: hier wird vor allem "Sparkassenkunst" fabriziert, der Ort ist überlaufen und Dank seines Rufs kann man da für einen Irish Coffee 9,50€ berappen ... Also sind wir lieber in den Ortsteil Althagen gefahren, da gab es einen idyllischen kleinen Hafen zu bestaunen.

Hafen von Althagen

Ein anderer Tag widmete sich den vielen Schriftstellern, die Graal-Müritz als Kur- oder Urlaubsort besucht haben. Kafka, Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Hans Fallada und Robert Musil waren das zum Beispiel. Im Heimatmuseum, das ein Graaler Maler betreibt, kann man sich dazu vieles Interessante durchlesen, im Buchladen des Ortes haben wir das Büchlein "Schriftsteller in Graal-Müritz" erworben, mit dem man alles gut nachvollziehen kann. Und schließlich haben wir auch die Häuser gestalkt, in denen die Autoren während ihres Urlaubes gewohnt haben.

In diesem Haus hat Erich Kästner einen Urlaub verbracht

Und natürlich waren wir auch im Meer, haben Strandwanderungen unternommen, an der Promenade das ein oder andere Fischbrötchen, Bier oder Weinchen und den Sonnenuntergang genossen, viel gelesen und auch einfach mal Nichts gemacht.

Donnerstag, August 15, 2013

Leipzsch isn Dorf. Oder so.

"Die Stadt ist so anonym", heißt es immer wieder, vor allem von Leuten, die sich dafür rechtfertigen, irgendwo in der Pampa zu wohnen, wo es ruhig und idyllisch, wo aber auch das Feuerwehrfest jeden August das Jahreshighlight ist. 

"Leipzig is'n Dorf", höre ich pro Woche mindestens zwei Malvon fremden oder mir bekannten Menschen, und hin und wieder äußere ich diesen Satz selbst mal phrasenhaft, wenn ich jemandem mehrmals in kurzer Zeit begegne, obwohl die Wahrscheinlichkeit dafür gar nicht sonderlich hoch ist.

Beide Floskeln stimmen auf ihre Weise. Als Referenzobjekt für ein Dorf habe ich eigentlich nur das Heimatdorf meines Freundes, aber ich denke, dass Dörfer grundlegend so funktionieren. Fast alle Leute, die grob dem gleichen Jahrgang angehören, kennen sich, einfach weil sie alle auf der gleichen Grund- und Mittelschule waren. Meine Schweigereltern kennen so gut wie jeden mit Vornamen, Informationen verbreiten sich lauffeuerartig, egal ob es um einen Todesfall, die diesjährige Band auf dem Schützenfest oder den neuesten Tratsch um eine Scheidung geht.

In Leipzig erfahre ich die Vornamen fast aller meiner Nachbarn nie, außer ich nehme mal ein Paket von ihnen an. Bei meiner ersten Leipziger Wohnung war die Anonymität der Hausgemeinschaft - die es in diesem Sinne ja nicht gab - enorm, gesprochen habe ich fast mit niemandem, von einem sehr netten älteren Ehepaar abgesehen. Nicht mal mit den jüngeren Leuten und den Mädels aus der Studenten-WG im Erdgeschoss hatte ich Kontakt und eigentlich habe ich auch sonst keine Gespräche mitbekommen. 
Bei der zweiten Wohnung war das anders. Schnell hatte ich mich mit Sophie, die in der Einraumwohnung unter mir wohnte, angefreundet; auch mit einem älteren Ehepaar aus dem ersten Stock hatte ich regelmäßigen Kontakt, schon weil der Mann so eine Art Hauswart war. Seine Frau hat mich häufig über den Stand ihrer Kniebeschwerden oder die Gesundheit der Hunde ihres Sohnes aufgeklärt.

Jetzt, im dritten Leipziger Altbau, den ich bewohne, ist vieles ganz ungewohnt. Mit unserem direkten Nachbarn, der seinen vollen Namen auf dem Fußabtreter und seine Wohnungstür den halben Tag sperrangelweit offen stehen hat, um Durchzug zu generieren, bin ich per du, lockere Treppenhausplaudereien ergeben sich regelmäßig. Auch mit der jungen Frau, die in der Wohnung unter unserer wohnt, ist man per du. Sie war sogar auf einer Party bei uns (seitdem ist der Kontakt beinahe lahmgelegt, keine Ahnung, was da vorgefallen ist). Auch in diesem Haus wohnt ein Hauswart, was sowieso eine gewisse Grundkommunikation mit sich bringt (und sowohl Vor- als auch Nachteile hat). Im Erdgeschoss lebt ein Paar um die 55, das eine große Vielzahl eigener, adoptierter, gefühlter Kinder zu haben scheint, denn an fast jedem sonnigen Nachmittag der Woche sitzen andere junge Menschen mit ihren kleinen Kindern auf deren Balkon. Letztes Wochenende war im Hinterhof mal wieder eine große Kaffeetafel aufgebaut, um das ältere Paar mit den Kindern und Kindeskindern sitzt und russischen Zupfkuchen mampft.

Gerade in den südlichen und westlichen Teilen dieser Stadt gibt es viele Häuser, die fast nur von Studenten-WGs bewohnt werden. Schmeißen die einen eine Party, wird die Wohnung schon rappelvoll, wenn auch nur die Hälfte der eingeladenen Hausbewohner erscheinen (und das tun sie), auch sonst ist die interne Besuchsrate oft hoch. Gerade in einer Stadt wie Leipzig, in der es vor Studenten und jungen Familien nur so wimmelt, ist es oft alles andere als anonym. 

Das ist vielleicht die Lösung des Rätsels und auch das Schöne daran - die vielen kleinen Dorfgemeinschaften innerhalb der Großstadt.

Sonntag, August 11, 2013

50+ ... Vol. XI

50.+20 Sono - 2000 Guns ... Kennen gelernt habe ich dieses Lied irgendwann in den frühen 2000ern im nächtlichen Musikfernsehen, wie so viele der Lieder, die ich lieben gelernt habe. Ich fand den Song fesselnd und irgendwie cool, den Sänger ganz schön niedlich. "2000 Gungs" wurde ein ziemlicher Ohrwurm, aber bis ich das nächste Mal wirklich etwas von dieser Band hörte, dauerte es eine ganze Weile. Irgendwann entdeckte ich ein Plakat, das ein Konzert von Sono in der Leipziger Moritzbastei ankündigte, am Valentinstag 2009. Ein höchst angenehmer Nebeneffekt waren Chapeau Claque als Vorband. Das Sono-Konzert war wirklich der Hammer, so viele tanzende, gut gelaunte Menschen auf einem Haufen habe ich selten gesehen. Frontmann Lennart A. Salomon war selbst auch ganz hin und weg. Seitdem habe ich sie noch zwei weitere Male erlebt, zum Einen ein zweites Mal in der Moritzbstei zur Aufnahme ihres Live-Albums, und dann 2012 im Rahmen eines Minifestivals in der Kulturbastion Torgau mit Northern Lite als Headliner. Sono live ist immer wieder ein Erlebnis.
Falls jemand in Sono mal reinhören will: ich empfehle "Keep Control", "A new cage" und "Blame" - generell eher die älteren Sachen, die sind etwas kantiger im Vergleich zu den sehr poppigen neueren Stücken.



50.+21 Lana Del Rey - Young and Beautiful ... Mit anderthalb Jahren Verzögerung bin auch ich irgendwie auf den Lana Del Rey-Zug aufgesprungen. Lange habe ich mich gegen diese Ikone des Hipsterstils, der hochsitzenden Hotpants und Wasserwellen im Haar gewehrt. Aber letztlich habe ich festgestellt: das ist der einzige Popsound, den ich adäquat finde. Lana Del Reys Lieder klingen ein bisschen wie die Vertonung der guten zeitgenössischen amerikanischen Epen in Film und Literatur, und sie sehen in Form ihrer Videoclips auch so aus.
"Young and Beautiful" befindet sich auf dem Soundtrack des sehr zwiespältig besprochenen The Great Gatsby von Baz Luhrman mit Leonardo DiCaprio und Carey Mulligan. Der Song kommt mehrfach vor, manchmal wird auch nur die Melodie angespielt; das ist dann der Anzeiger für sehr emotionale Stellen des Films.


Mittwoch, August 07, 2013

Kazuo Ishiguros "Alles was wir geben mussten"

Von den Plakatflächen in vielen deutschen Städten lächeln uns derzeit Prominente - Sportler wie Kati Wilhelm oder Medienmenschen wie Markus Lanz - an und halten ein Kärtchen in der Hand. Dabei steht der Slogan "Das trägt man heute: den Organspendeausweis". Es handelt sich dabei um eine Kampagne des BMG (Bundesministerium für Gesundheit) und der BZgA (Bundeszentrale für gesundheitl. Aufklärung) und sie weist auf die verstärkte Bemühung hin, das Thema Organspende - das durch verschiedene Skandale um zweifelhafte Organvergaben in Mitleidenschaft gezogen wurde - wieder in besseres Licht zu rücken und gewissermaßen attraktiver zu machen. Richtig so.

Diese Plakate sind mir vor allem deshalb aufgefallen, weil ich gerade ein sehr eindringliches und qualitativ so hochwertiges Buch lese, in dem Organspende ein zentrales Thema ist: "Alles, was wir geben mussten" (2005) von Kazuo Ishiguro. Der Autor gilt als einer der besten und feinsinnigsten zeitgenössischen Schriftsteller. Das Werk des 58jährigen Briten japanischer Herkunft ist quantitativ überschaubar, qualitativ aber umso beeindruckender; Kritik und Leser sind gleichermaßen hin und weg. Das zeigt sich auch an der Fülle von Ehrungen, die er trotz seines geringen Outputs schon erfahren hat: Booker Prize für "Was vom Tage übrig blieb" (1989) oder auch der Ritterschlag vom englischen Königshaus. 

Aber zum Roman (Achtung - Spoileralarm): "Alles, was wir geben mussten" beginnt oberflächlich betrachtet als harmlose Rückschau einer Frau auf ihre Schuljahre. Diese hat sie in einem Internat in südenglischer Idylle verbracht, sie hatte Freundinnen, es gab Schlafsäle, Sportmannschaften, Eifersüchteleien, alles mögliche. Doch es gibt immer wieder Dinge, die den Leser aufhorchen lassen. Wieso heißt es im Text nicht Lehrer, sondern Aufseher? Was hat es mit diesen 'Spenden' auf sich und weshalb verhalten sich die Erwachsenen gegenüber den Kindern und Jugendlichen so eigenartig?

Die Antwort ist so erschütternd wie faszinierend. Das sind keine normalen Schüler und es hat einen guten Grund, warum sie von der Außenwelt weitestgehend abgeschnitten leben und sich merkwürdig häufig medizinischen Untersuchungen unterziehen müssen. Sie sind Klone, nur zur Welt gekommen, um eines Tages Organspender zu werden; regelrechte Ersatzteillager für Menschen, die sie in Auftrag gegeben haben. Diese Kinder werden vorraussichtlich niemals auch nur 30 Jahre alt werden, denn mit ca. 20 Jahren beginnen sie zu spenden, und mehr als drei, maximal vier Spenden überlebt keiner von ihnen.

Das klingt alles, wenn man es so zusammengefasst liest, unglaublich abgedreht und Science Fiction-mäßig. Im Roman allerdings wird so leise, so ruhig, so realistisch erzählt, dass dieser Eindruck dort gar nicht entsteht. Diese Kinder unterscheiden sich in ihrem Verhalten nicht wirklich von realen Kindern; Musik, Freunde bedeuten ihnen genauso viel wie uns.
Auf ebenso subtile Weise findet eine moralische Behandlung des Themas statt. Manche Lehrer bzw. Aufseher kommen mit der künstlichen Herkunft der Kinder und ihrem einzigen Lebenszweck nicht zurecht, sie ertragen es kaum, wenn die Kinder von einer Zukunft als Filmstar träumen oder Vater-Mutter-Kind spielen, andere wiederum ekeln sich vor ihnen. Besonderen Wert legt die Gründerin dieses fragwürdigen Projekts auf den Kunstunterricht und die Förderung der Kreativität - aus den Werken der Kinder und Jugendlichen hofft sie zu ersehen, ob diese Geschöpfe eine Seele haben.

Das ist wirklich ein Buch, das man, wie man so schön sagt, anderen ans Herz legen möchte. Etwas Vergleichbares wird kaum einer von euch schon mal gelesen haben. Empfehlenswert ist auch die Verfilmung aus dem Jahr 2010, bei der Kazuo Ishiguro übrigens ausführender Produzent war. Der Film schafft es auf beeindruckende Weise, den leisen Erzählton und seine wuchtige Wirkung umzusetzen und ist ideal besetzt (Carey Mulligan, Keira Knightley, Adrew Garfield).

Sonntag, August 04, 2013

Holi Bimbam

Allerorten finden seit letztem Jahr die sog. 'Holi Festivals of Colours' statt. Menschen ziehen sich was Weißes an, stellen sich auf eine Freifläche, bekommen buntes Pulver und werfen das auf Kommando in die Luft, sodass es einen kurzen Moment lang einen schönen Effekt gibt und dann sind alle bunt. Das wird mehrfach wiederholt. So weit, so gut.

Aber wo kommt das her?

Holi ist ein Begriff der Hindus und bezeichnet ein indisches Frühlingsfest, dass jedes Jahr im Februar/März einige Tage lang gefeiert wird. Bei diesem sehr alten Fest feiern die Menschen ausgelassen und wild durcheinander, die Kasten scheinen kurzzeitig aufgehoben. Mit gefärbtem Wasser und buntem Holi-Pulver bespritzt und bewirft man sich gegenseitig. Die Farben, die früher aus Kräutern, anderen Pflanzen und Mineralien hergestellt wurden und heute meist synthetisch sind, wurden zuvor geweiht und trotz des Übermutes bleibt die sakrale Bedeutung zentral. Wichtig für das Holi-Fest ist das Verbrennen der Holika, einer Strohpuppe, die das Dämonische symbolisiert, außerdem wird Krishna gedacht, der dieses Farbenspiel in seiner Jugend gespielt haben soll, worauf sich diese Tradition gründete. 

Holi ist also ein religiöses Fest, bei dem der Sieg des Guten über das Böse, des Frühlings über den Winter, des Neuen, des Jungen zelebriert wird. Ganz ähnliche Feste gibt es ja auf der ganzen Welt.

Der Holi Colours-Hype gründet sich sicherlich nicht auf die sakrale Komponente; und wohl auch nicht auf eine der anderen, schließlich fand beispielsweise das Holi Colours in Dresden an diesem Wochenende statt und nicht im Frühjahr. Mich irritiert dieser Hype, der 2012 in Berlin begann und in diesem Jahr in jeder mittleren Großstadt stattfindet, irgendwie. Die vielen Fotos auf Facebook vermitteln mir, dass es um das reine da sein und dabei sein geht; darum, nachher ein cooles Bild als Chronikfoto hochzuladen und zu zeigen "Seht ihr, ich war auch dabei". Der ein oder andere Instragram-Effekt darf selbstredend nicht fehlen. 

Befremdlich finde ich, dass v. a. während der letzten paar Runden des Pulverwerfens viele Teilnehmer einen Atemschutz vor Mund und Nase tragen (was für die Atemwege unerlässlich ist). In Kombination mit dem vielen Pulver, das noch in der Luft liegt wie dichter Staub, erinnert das an Aufnahmen aus Kriegsgebieten. Die (wirklich schöne!) Bildwirkung der bunten Farben in der Luft und auf der weißen Kleidung ist damit im Eimer.

Bemerkenswert ist, dass selbst die pupsigsten Bürostuhlakrobaten aus meinem erweiterten Bekanntenkreis involviert sind. Holi Colours als Option für Bürokauffrauen und -männer, mal was Hippes zu machen und richtig auszuflippen? Der Grusel, den diese Vorstellung auslöst, reicht für mich aus, Holi Colours als Hype ad acta zu legen.