Montag, Juni 27, 2016

Ein Wochenende in Hamburg

Am vergangenen Wochenende habe ich Freunde in Hamburg besucht. Bei über 30°C und knallender Hitze sind wir in Erfurt losgefahren, das Unwetter über Hildesheim brachte nur geringfügig Abkühlung.

Einen Zwischenhalt legten wir an der Gedenkstätte des ehemaligen Gefangenen- und Konzentrationslagers Bergen-Belsen ein. Es war ein absurdes Gefühl, in der drückenden Schwüle über die gänzlich mit Gras und teilweise auch mit Baumbestand bewachsene Anlage zu spazieren. Hier und da erinnern wenige Mauerreste daran, das hier Zehntausende Menschen gefangengehalten wurden und zu Tode kamen. Und natürlich gibt es Gedenksteine, Mahnmale, Info-Tafeln, usw. Im benachbarten Dokumentationszentrum wurde die Geschichte des KZs umfassend aufgearbietet, leider blieb dafür wenig Zeit. In Bergen-Belsen sind übrigens kurz vor Kriegsende Anne und Margot Frank, vermutlich an Fleckfieber oder Typhus, gestorben. Daran erinnert dieser Gedenkstein.


Am frühen Abend kamen wir in Hamburg an und freuten uns über Eis und Willkommensdrinks. Den Abend haben wir grillend im Garten und mit einem Spaziergang durch die Gartenanlage verbracht.

Garten in HH-Veddel

Für den Samstag stand ein entspanntes Kulturprogramm an. Mit der S-Bahn ging es nach Othmarschen im Westen der Stadt, kurz vor Blankenese. Hier gibt es den hübschen Jenischpark, der zwei Museen beherbergt, u.a. das Ernst-Barlach-Haus. Neben vielen Skulpturen Barlachs gibt es hier aktuell eine Ausstellung zum Expressionismus zu sehen. Heckel, Kirchner, Macke & Co. in einer tollen Auswahl!

Im Barlach-Haus

Im Anschluss ging es mit der Fähre, die in Hamburg ein Nahverkehrsmittel wie jedes andere ist, über Finkenwerder zum Museumshafen nach Övelgönne. Entlang der Strandpromenade gibt es neben herrschaftlichen Häusern viele hübsche Lokale, z.B. die Strandperle.

Ein Frachter aus Singapur auf der Norderelbe

Nach einem Spaziergang durch das Zentrum Hamburgs fuhren wir mit dem Bus in das Grindelviertel, das ehemalige jüdische Viertel Hamburgs. Davon zeugen heute noch die beeindruckenden Fassaden der Gründerzeitpaläste. Das Viertel befindet sich im Stadtteil Rotherbaum, direkt an der Uni, und ist heute ein gentrifizierter Ort voller Lokale und Kultur. Nach einem leckeren Burger in Doris' Diner sahen wir im Abaton-Kino "Vor der Morgenröte" über die Exiljahre Stefan Zweigs. Auf einen Absacker ging es anschließend ins unvermeidliche "Alte Mädchen" im Schanzenviertel.

Sonntagvormittag blieb noch etwas Zeit für das Auswanderermuseum "Ballinstadt" nahe dem S-Bahnhof Hamburg Veddel. Dieses sehr sehenswerte Museum informiert über den stadtähnlichen Komplex, der unter dem Reeder Albert Ballin Anfang des 20. Jahrhunderts auf diesem Gelände anlegen ließ. Auf 55.000qm gab es hier Schlafhallen, Speisesäle, zwei Hotels, eine Kirche, einen Musikpavillon, Küchen, Wäschereien, u.v.m. für diejenigen, die Europa über Hamburg gen Übersee verlassen wollten und darauf warteten. Leider steht von den ursprünglichen Gebäuden kaum noch etwas - ich hätte die echte Ballinstadt gern einmal gesehen. Nach Umbauarbeiten hat das Museum kürzlich erst neueröffnet, es gibt nun viele aktuelle Bezüge zum Thema Migration, Auswanderung und Flucht.

Im Auswanderermuseum

Donnerstag, Juni 16, 2016

Kultur in Thüringen: Literaturfestivals

Da sage mal einer, in Thüringen wäre in Sachen Literatur nichts los. In den letzten Tagen war sogar so viel los, dass man Entscheidungen treffen musste. Vorgestern lasen beispielsweise parallel der Autor, Herausgeber und Übersetzer Hans Thill und Alexander Hacke, Bassist der Einstürzenden Neubauten.

Die Entscheidung fiel zugunsten von Herrn Hacke, der im "Franz Mehlhose" seine im letzten Jahr erschienene Autobiografie "Krach - Verzerrte Erinnerungen", erschienen im Metrolit-Verlag, vorstellte. Er hat das Buch anlässlich seines 50. Geburtstages in der kalifornischen Wüste geschrieben. Der Abend war sehr unterhaltsam, eine schöne Mischung aus Lesung, frei erzählten Anekdoten und guter Musik an der Klampfe.

Alexander Hacke las aus seiner Biografie.

Am Wochenende fanden in Thüringen gleich zwei Literaturfestivals statt - die etablierten Thüringer Literaturtage auf Burg Ranis und das in diesem Jahr debütierende "Festival der Unlesbarkeit", das in der stillgelegten Braugold-Brauerei im Erfurter Süden stattfand. Der Kompromiss bestand daraus, auf den Eröffnungsabend des Erfurter Festivals zu gehen und Samstag und Sonntag auf der Burg zu verbringen.

Am Eröffnungsabend des Festivals der Unlesbarkeit las der unvergleichliche Dietmar Dath aus größtenteils neuen Texten. Das Publikum lag teilsweise regelrecht vor Lachen. Der Mann ist so gewitzt und klug, dass es fast wehtut. Im Anschluss folgte ein Gespräch zwischen Dath und Alban Nikolai Herbst, das sehr einseitig geriet. Recht banalen Fragen Herbsts folgten verschachtelte Satzkaskaden von Dietmar Dath, nach denen man weder deren Anfang noch die Frage mehr wusste. Aber unterhaltsam war es dennoch. Später am Abend spielte die Band Slow Steve und es konnte zu einem DJ abgezappelt werden.

Dietmar Dath (links) und Alban Nikolai Herbst

Ranis ist eine kleine Stadt im Saale-Orla-Kreis, etwa 5km von Pößneck entfernt. Die nächste etwas größere Stadt ist Saalfeld, von Erfurt benötigt man mit dem Regionalzug und einmal Umsteigen in Jena circa anderthalb Stunden bis dahin. Ranis ist ein niedlicher kleiner Ort in einer idyllischen grünen Landschaft, über allem thront die Burg, die im 11. Jahrhundert das erste Mal erwähnt wurde. Von der Burg aus kann man wunderbar in die Ebene schauen. Die Burggebäude sind größtenteils gut in Schuss, dort oben gibt es ein Burgmuseum und einige größere Salons und Säle, die für Veranstaltungen der verschiedensten Art gut geeignet sind.


Das Festival fand größtenteils im Burghof statt. Hier lasen José Oliver, Sasa Stanisic und Katharina Thalbach, hier gab es Singer-Songwriter-Schalala von Max Prosa zu hören. Die Lyriker Nancy Hünger, Carolin Callies und Jovan Nikolic lasen, begleitet vom Percussionisten Kay Kalytta, im großen Saal im zweiten Obergeschoss des Palas'. Dazu fand die Literaturwerkstatt, in diesem Jahr unter Leitung von José Oliver, statt.

Die Atmosphäre auf der Burg - alte Mauern, neue Texte, die Aussicht - war wirklich phantastisch. Übernachtet wurde im rund anderthalb Kilometer entfernten Gästehaus Papilio. Das einzige, das an Ranis ausbaufähig ist, sind die Öffnungszeiten und generell Verfügbarkeiten gastronomischer Einrichtungen.