Donnerstag, Juli 28, 2016

10 Jahre!

Dieses Blog feiert in diesen Tagen sein 10-jähriges Bestehen. Im Sommer 2006 habe ich ihn, zwischen Abi und erstem Semester, begonnen. 
  • Seitdem wurde er knapp 100.000 mal aufgerufen, davon mehr als die Häfte (52.808) aus Deutschland, gefolgt von den USA (rund 12.000 mal), Schweden, Russland und Frankreich. Österreich und Schweiz liegen erstaunlich weit hinten.
  • Ich habe rund 750 Einträge verfasst, also im Schnitt 75 Posts pro Jahr ... mal waren es 30, mal 90.
  • Die meisten Besucher finden über bestimmte Suchbegriffe bei der Googleweb- oder Bildersuche hierher, z.B. wenn sie nach Fotos vom Aralsee, Emma Watson oder dem Leipziger Hafenprojekt suchen.
  • Rund drei Viertel der Besucher nutzen einen Windows- und 9% einen Mac-PC, von mobilen Endgeräten stammen nur sehr wenige Zugriffe. Rund die Hälfte surft mit Mozilla Firefox, 20% mit Chrome und tapfere 17% mit dem Internet Explorer.
Über die Jahre hat das Blog sich stark verändert. Von einem Online-Tagebuch, in das ich sogar meine Uni-Stundenpläne eingetragen und von Shopping- oder Kochergebnissen und vielen Privatheiten berichtet habe, ging es mehr und mehr in Richtung Leipziger Stadtgeschichte und -geschehen und Rezensionen (v.a. Filme, aber auch Konzerte, Bücher, Tonträger). Immer mal wieder gab es Projekte und Serien ("Anne testet sommerlich-hippe Getränke auf Flaschenoptik und vielleicht auch ihren Geschmack", die aktuelle Reihe über Erfurter Kirchen, ...). Seit dem Umzug nach Erfurt vor zwei Jahren wurden aus den Leipzig-Themen Erfurt-Themen. Ich habe euch daran teilhaben lassen, wie ich Thüringen, die Stadt und ihre v.a. kulturellen Angebote entdeckt habe - und nach wie vor entdecke. Mehr Bilder von den Ausflügen, Urlauben und meinen drei Heimaten gibt es nach wie vor hier.

Vielen Dank für euer Am-Ball-Bleiben, für das Lesen oder Mal-Gelesen-Haben, für das Blog-Entdecken und den ein oder anderen lieben, hilfreichen, ... Kommentar!

Montag, Juli 25, 2016

Filmrückschau

Vor der Morgenröte (2016) ... Maria Schrader kenne ich als wunderbare Schauspielerin, z.B. in dem deutschen Kinofilm Aimée & Jaguar von 1999. Dass sie auch noch selbst Filme macht, war mir neu. Dass sie das gut macht, davon habe ich mich anhand ihres zweiten Werkes Vor der Morgenröte neulich überzeugt. Die österreichisch-deutsch-französische Koproduktion erzählt von den Exiljahren des Wiener Autors Stefan Zweig, episodenhaft von 1936 bis zu seinem Freitod 1942.
Stefan Zweig ist einer der bedeutendsten deutschsprachigen Autoren der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Viele von euch kennen sicherlich seine Schachnovelle (1942) oder vielleicht auch seine fast romanhaften Biografien (z.B. über Napoléon, Magellan, Tolstoi). Zweig war um 1940 weltweit eine der angesehensten Künstlerpersönlichkeiten, auf seine Sicht auf weltpolitische Geschehnisse wurde großer Wert gelegt. So auch im fernen Südamerika, wo der überzeugte Pazifist einen Großteil seiner Exiljahre verbrachte. Der Film zeigt toll auf, wie er versucht, sich aus der Ferne eines eindeutigen Urteils zu erwehren, wie er in der neuen Heimat doch nie ganz heimisch wird. Das war wohl auch der Grund für den Suizid, den er gemeinsam mit seiner zweiten Frau Lotte im brasilianischen Petrópolis beging und mit dem der Film folgerichtig endet. Die Zerstörung seiner „geistigen Heimat Europa“ hatte ihn für sein Empfinden entwurzelt, seine Kräfte seien „durch die langen Jahre heimatlosen Wanderns erschöpft“, so sein Abschiedsbrief (Quelle).
Der Film hat aber auch viele großartig-komische Momente zu bieten, zum Beispiel wenn ein brasilianisches Musikkorps verzweifelt versucht, einen Wiener Walzer zu schmettern, wenn Zweig von Dorf zu Dorf chauffiert wird und auf aufgeregte Provinzbürgermeister trifft oder er sich von seiner ersten Ehefrau den Kopf zurecht rücken lässt. Gekrönt wird das ganze von tollen Schauspielern und dem unwiederstehlichen Wiener Dialekt.

Freitag, Juli 22, 2016

Erfurt Gotteshäuser - Ägidienkirche


Ägidienkirche und Krämerbrücke (rechts) von Norden

Die Ägidienkirche am östlichen Krämerbrückenkopf ist sehr markant. Durch ihr Erdgeschoss verläuft ein Durchgang mit großem Torbogen, außerdem befindet sich hier ein Restaurant (in dem man sehr gut essen und Wein trinken kann). Der Kircheninnenraum befindet sich im zweiten Stock. Auf den für Erfurt typischen Turm mit quadratischer Grundform und 33m Höhe kann man übrigens für einen kleinen Obulus steigen. Man hat von hier so ziemlich die schönste Rundumsicht auf die Altstadt. Die Kirche steht direkt am malerischen Wenigemarkt und sorgt gemeinsam mit dem Brunnen in dessen Mitte, den vielen Freisitzen und schmucken Häusern für dessen fast mediterrane Anmutung.

Die Ägidienkirche vom Wenigemarkt aus.

Auch sonst ist die Kirche bemerkenswert. Sie ist die älteste von Methodisten benutzte Kirche der Welt. Vollendet wurde der gotische Bau um 1325. Die Kirche wurde schon immer als mehr als "nur" Gotteshaus genutzt. Im Mittelalter diente das Erdgeschoss als Verkaufsraum. Phasenweise gehörte die Kirche zum Schottenkloster (die Schottenkirche ist gleich um die Ecke), später zur Kaufmannsgemeinde (die Kaufmannskirche steht unweit am Anger). Bereits 1615 wurde der Gottesdienst eingestellt und die Kirche zum Lagerhaus umfunktioniert. Im frühen 20. Jahrhundert fungierte die Kirche als Mietshaus, erst seit 1960 ist sie wieder der Sitz der evangelisch-methodistischen Gemeinde.

Lage der Kirche im Zentrum der Altstadt

Montag, Juli 18, 2016

Cat Power - zum einschlafen schön

Die Kulturarena in - natürlich - Jena ist eine der Institutionen in Thüringen. Seit 25 Jahren finden hier am Jenaer Theaterhaus Sommer für Sommer tolle Konzerte, Filmvorführungen und Veranstaltungen für Kinder statt, open air auf dem Theatervorplatz. Im vergangenen Jahr haben wir hier schon an einem wunderbaren Augustabend Get Well Soon gesehen.

Am 14. Juli spielte hier die US-amerikanische Sängerin Cat Power, die ich von ihren Veröffentlichungen her ziemlich gut finde. Das Konzert war allerdings so lala. Die junge FRau mit der Gitarre bez. später am Flügel machte zwar schöne Musik, nahm vom Publikum allerdings keinerlei Notiz, reagierte kaum auf Applaus und spulte Lied an Lied ihr Programm ab. Die Zuhörer waren zunehmend gelangweilt, unterhielten sich größtenteils oder sahen mit gelangweilter Miene nach vorn. Schade, die Kulturarena bietet die Kulisse für weit mehr! Die einschläfernde Wirkung des Abends hat die Hessische Niedersächsische Allgemeine wunderbar in Worte gefasst - am Vorabend war Frau Power nämlich mit dem gleichen Programm in Kassel aufgetreten.

Cat Power und behütete Zuhörer

Freitag, Juli 15, 2016

Jena, Thüringens heimliche Kulturhauptstadt

Wenn man in Thüringen etwas in Sachen Kultur machen will, das nicht unbedingt was mit Goethe, Schiller & Co. zu tun hat, dann ist man in Jena am besten aufgehoben. Da gibt's zwar auch viel Goethe und Schiller, aber auch viel junge Literatur. In der jüngeren Vergangenheit hatte ich dort mehrmals das Vergnügen, schönen Veranstaltungen beizuwohnen.

Am vergangenen Wochenende erst fand dort das große Sommerfest der Thüringer Lesereihe "In guter Nachbarschaft" statt. Im Glashaus mitten im Paradies lasen ab 16.30 Uhr junge aufstrebende und bereits etablierte Autoren. Los ging es mit vier Preisträgern des Jungen Literaturforums Hessen-Thüringen, danach gab es ein Werkstattgespräch mit der scheidenen Jenaer Stadtschreiberin Kinga Toth. Im Anschluss hatten junge Nachwuchsautoren am offenen Mikrofon die Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen. Den abendlichen Höhepunkt setzten mit Christoph Wenzel (Aachen), Anja Kampmann (Leipzig) und Björn Kuhligk (Berlin) drei arrivierte Namen der deutschen Gegenwartslyrik. Danach konnte man zu Musik von DJ Lutz Hartmann abzappeln. Organisiert und moderiert wurde der wunderschöne Tag von Julia Hauck, Peter Neumann und Mario Osterland, für die Bar war das "Kaffee Merle" an Bord.


v.l.n.r.: Björn Kuhligk, Anja Kampmann, Christoph Wenzel, Mario Osterland, Peter Neumann, Kinga Toth, Julia Hauck

Schon am Vorabend des Sommerfestes gab es in Jena Hochkarätiges zu bestaunen. Im Kulturbahnhof (Alter Saalbahnhof) fand das letzte Event der Reihe "Lyrik ist Happening" der Leipziger Musikerin Anne Munka statt. Gemeinsam mit zwei weiteren Musikern hat sie diese experimentelle Mischform aus Lyrik, Improvisation und Klangkunst schon in einigen deutschen Städten aufgeführt. Als Gastlyriker waren dieses Mal Bachmannpreisträgerin Nora Gomringer und die flämisch-holländische Dichterin Maud Vanhauwaertmit dabei. Unterhaltsam!

Ebenfalls im Kulturbahnhof Jena fand vor einiger Zeit die Veranstaltung "Jazztext Textjazz" des Kunsthof Jena e.V. statt. Zu Musik der Jazzformation random words lasen hier die Stadtschreiberin Kinga Toth, Romina Nikolic und Mario Osterland Lyrik und Prosatexte - Interaktion von Text und Jazz. Das hat überraschend gut funktioniert und eine spannende Eigendynamik entwickelt.

Mario Osterland im Kulturbahnhof

In der ungarischen Weinbar pici auf der Westbahnhofstraße fand im Juni ein Abend unter dem Motto "Literatur und Wein" statt. Der sommerlich-heiße Abend wurde von den Musikern Tim Helbig und Hannes Höfer eröffnet, die demonstierten, wozu Aufziehfrösche und Metallschüsseln so gut sein können. Anschließend lasen Stadtschreiberin Kinga Toth und der Heiligenstädter Stadtschreiber Arne Hirsemann sowie der Leipziger Autor Micul Jeute über alkoholische Getränke.

Tim Helbig und Hannes Höfer
 

Mittwoch, Juli 06, 2016

Erfurter Gotteshäuser - Die Peterskirche

Wenn es die Peterskirche auf dem Erfurter Petersberg als Gotteshaus noch gäbe und sie vollständig wäre, dann würde sie über Erfurt thronen, fast noch auffälliger als der Dom und St. Severi daneben. Doch von ihr ist seit preußischem Beschuss im Jahr 1814 nur der Rumpf übrig. Heute erahnt man kaum noch, dass es sich bei dem schlichten langen Gebäude auf dem Petersberg um eine Kirche gehandelt hat. Derzeit befindet sich das Forum Konkrete Kunst, ein Museum für abstrakte Kunstwerke, darin - wie kürzlich bekannt wurde, wird dieses Museum bald schließen müssen. 

So muss das Erfurter Stadtbild einmal ausgesehen haben:

Domberg im Vordergrund, Petersberg dahinter (Quelle)

Der Geschichtsabriss gerät dieses Mal etwas länger. Im Jahr 1060 wurde auf dem Petersberg ein Benediktinerkloster gegründet, dessen Klosterkirche die Peterskirche war. Durch seine prominente Lage in der reichen Stadt Erfurt gelangte das Kloster im Hochmittelalter zu einiger Bedeutung. Friedrich I. Barbarossa nächtigte hier mehrmals. Das bedeutendste historische Ereignis, das sich hier abgespielt hat, dreht sich um den Reichsfürsten Heinrich den Löwen (um 1130-1195). Nach einem Konflikt mit Kaiser Barbarossa wurde er von diesem geächtet. In der Peterskirche bettelte er schließlich vor dem Kaiser um Gnade.

Lage der Peterskirche auf dem Petersberg

Während der Bauernkriege fungierte das Kloster als ein Zentrum der Gegenreformation, bis es von Bürgern und Bauern besetzt und geplündert wurde. Um 1700 wurde auf dem Petersberg die Zitadelle errichtet (auf dem Stadtplan gut in ihrer achteckigen Struktur zu erkennen), womit das Kloster vollkommen von weltlichen Mauern umschlossen war. 1802 fiel die Region an Preußen. Das Militär besetzte die Zitadelle, bis Napoleons Truppen sie einnahmen. Die Franzosen versteigerten den Großteil des Kircheninventars und nutzten die Räume als Lager. 1814 wurde ein Teil der Kirche durch preußischen Beschuss zerstört. Die Region fiel wiederum an Preußen und die modifizierten die Festung und das, was von der Kirche noch stand, weiter. In dieser Zeit wurde z.B. eine hölzerne Zwischendecke durch das Kirchenschiff gezogen, die es auch heute noch gibt. Die Preußen nutzten die Kirche als Korn- und Mehlspeicher und trugen die Reste des Klosters ab. Spätere Pläne zum Wiederaufbau wurden durch die Weltkriege vereitelt. In DDR-Zeiten wurde in der Kirche u.a. Schulsport betrieben. Seit 1993 ist das Forum Konkrete Kunst hier untergebracht.