Montag, September 14, 2015

"Good Luck!"

Es soll nicht klingen, als ob ich im Zoo gewesen wäre, tut es aber leider bestimmt. Ich habe am Freitag zum ersten Mal persönlich mit Geflüchteten zu tun gehabt. Das ist natürlich "nichts Besonderes" mehr, aber ich denke oft daran, es beschäftigt mich.

In Erfurt gibt es zwar schon Unterkünfte, zum Beispiel auf dem Messegelände, aber da werden die Geflüchteten weitestgehend von der Stadt und den Bürgern separiert. Ich verfolge das Thema seit dem ersten gesunkenen Boot im Mittelmeer in den Nachrichten und im Internet, habe auch beruflich immer mal wieder damit zu tun, aber live und in Farbe war es die erste Begegnung.

Letzten Freitag bin ich mit dem Regionalexpress von Erfurt nach Mühlhausen gefahren. Die Bahn war fast leer, ein milder, träger Spätsommernachmittag. Beim ersten Halt des Zuges im unscheinbaren Neudietendorf zwischen Erfurt und Gotha stiegen viele, viele Menschen zu, sicher über zweihundert. Vor allem junge Männer, aber auch viele Frauen mit Kleinkindern. Sie waren für mich relativ leicht als Flüchtlinge zu identifizieren. 

Zwei Männer, vielleicht Anfang Zwanzig, setzten sich mir gegenüber. Ich war ziemlich neugierig, wollte gern wissen, woher sie kamen und wohin sie unterwegs waren, traute mich aber nicht so richtig. Also saß ich unsicher zwischen meinen großen Micky Maus-Kopfhörern und sah aus dem Fenster.

Einer der beiden Männer mir gegenüber sprach mich bald darauf an. Er und sein Nebenmann hielten mir mit bittendem Blick ihre Papiere und ihr Zugticket entgegen. Da las ich, sie kommen aus Bangladesch. Sie sprachen kaum Englisch und natürlich kein Wort Deutsch, konnten mir ihre Fragen aber trotzdem begreiflich machen. Sie wollten wissen, wohin sie eigentlich gerade fahren. Dem Ticket entnahm ich, dass diese vielen Menschen um sieben am Morgen im bayerischen Deggendorf in den Zug gestiegen waren und um abends halb zehn in Bielefeld ankommen sollten. Dazwischen lagen vierzehn Stunden Regionalzüge und unzählige Umstiege in solchen Nestern wie Neudietendorf. Denn sie sollten von der Erstaufnahmestelle in Deggendorf nach Nordrhein-Westfalen verteilt werden. Ob Bielefeld am Meer liegt? Ob die Stadt groß sei? Ob sie in der Nähe von Italien liegt? Eigentlich würden sie gern nach Mailand fahren, wo sie Familie haben. Meine Antworten ernüchterten sie sehr.

Hier habe ich überhaupt erst mal begriffen, in was für einer orientierungslosen Lage sich Flüchtlinge befinden. Sie haben sich über einen halben Kontinent gekämpft und sind nun an einem Ort, von dem sie oft buchstäblich nicht wissen, wo oben und unten ist. Sie werden verteilt und wieder umverteilt und haben keinerlei Mitbestimmungsrecht. Und keine Ahnung, wohin die Bummelzüge fahren, für die man ihnen die Verbindungsauskunft ausdruckt. Da steht auf dem Zettel die Zeichenkombination „Neudietendorf“, also steigen sie dort aus, wo auf dem Bahnhofsschild die gleiche Zeichenkombination steht.

Die beiden Männer, mit denen ich mich so gut es ging unterhalten habe, waren sehr nett. Sie waren fast demütig. So wie man sich jemanden vorstellt, der fremd ist und sich irgendwie zurechtfinden möchte. Sie gehören zu den mittlerweile Hunderttausenden, die über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Mitteleuropa kommen. Ich hätte sie gern so viel mehr gefragt. Warum musstet ihr aus Dhaka fliehen? Wie seid ihr von da in die Türkei gelangt? Leider endete die Kommunikation oft in einer sprachlichen Sackgasse, trotz Händen und Füßen.

Dann habe ich mich unweigerlich gefragt, ob ich etwas dabei habe, das ich ihnen geben könnte. Mehr als Klamotten für ein Wochenende hatte ich nicht dabei, nicht mal einen Apfel. Ich habe dann gefragt, ob sie Geld brauchen. Darüber ärgere ich mich jetzt noch, denn das kam mir so kolonial von mir vor. Sie haben abgelehnt, das bräuchten sie nicht. Dann kam auch schon Mühlhausen. Wir haben uns herzlich verabschiedet, sie haben mir mit hochgestrecktem Daumen „Good Luck“ gewünscht. Und ich ihnen auch.

Filmrückschau

Quelle
Amy (2015) ... "Ich wusste gar nicht, dass Amy Winehouse eine authentische Person ist", sagte ein Freund neulich zu mir. "Ich dachte, die war so ein Plastikpüppchen, das seinen Sound und Look von der Plattenfirme bekommen hat." 

Geändert hat seine Meinung der Trailer zum wunderbaren Dokumentarfilm "Amy". Und diesen Film kann ich jedem wärmstens ans Herz legen. Selbst, wenn man mit ihrer Musik nichts anfangen können sollte - dem Laien bringt "Amy" ziemlich viel darüber bei, wie das Pop-Biz funktioniert. Es ist erschreckend zu sehen, wie viele Warnsignale Amy und ihre Gesundheit an Manager, Vater und die Welt abgegeben haben, und wie sich offenkundig niemand darum scherte.

Der Zuschauer erfährt auch Biografisches aus Amys Kindheit und Jugend, zum Beispiel zur Scheidung ihrer Eltern, im Wesentlichen fokussiert der Film aber ihren Karriere von den Anfängen im Jahr 2003 bis zu ihrem Tod im Sommer 2011.


Freitag, September 04, 2015

Summer's gone - Aber Herbst fetzt auch

Der August und die letzten Wochen des Sommers waren ereignisreich und doch entspannt und dazu sehr schön. Die liebreizende, allerholdeste Anja hat uns endlich einmal in Erfurt besucht - aufgrund ihres Jahres in der Ferne war das bisher nicht zustande gekommen. Außerdem standen ein wunderbarer Abend mit Get Well Soon im Rahmen der Kulturarena in Jena und ein Wochenende in Braunschweig auf dem Programm. Dort haben wir meine Schwester und ihren Freund besucht, mit den beiden das Braunschweiger Bierfest unsicher gemacht und eine schöne Party zum Einzug in ihre erste gemeinsame Wohnung gefeiert. Und so eine Art "Abgrillen" auf dem Erfurter Petersberg haben wir auch noch hinbekommen.

Auch in den nächsten Wochen haben wir einiges vor. Das heute beginnende Wochenende führt uns nach good ol' Leipzig und zu einer Geburtstagsfeier auf einem Naumburger Weingut - da werden schöne Erinnerungen wach. Und nachdem das nun in den vergangenen Monaten eher kurz kam, ist auch mal wieder Familienaction angesagt, denn sämtliche Väter feiern zeitnah ihre Geburtstage. Vielleicht verschlägt es uns Anfang Oktober auf ein Wochenende nach Kassel, auf alle Fälle aber Mitte/Ende Oktober eine Woche nach Rom! Yippieh!

Erfurt unsicher machen mit Anja

Get Well Soon in der Jenaer Kulturarena

Bierfest in Braunschweig