Dienstag, Mai 11, 2010

I love you Phillip Morris


Regie: Glenn Ficarra und John Requa, 2009

Achtung: Der folgende Text wird den Leser in Grund und Boden spoilern. Wer also vorhaben sollte, diesen Film demnächst zu sehen, der sollte sich den Spaß nicht verderben, indem er diese Rezension liest.

Kurz zur Handlung: Jim Carrey spielt Steven Russell, einen Familienvater, der ein allzu perfektes Beispiel des all american dad abgibt. Er ist ein Vorzeigepolizist, führt eine tadellose Ehe mit einer hübschen Frau, die ihn liebt und mit der er eine entzückende kleine Tochter hat. Eines Tages hat er einen schweren Autounfall und noch während er in den Krankenwagen bugsiert wird, hat er eine Erleuchtung: Steven ist schwul. Nein, er will eine richtige Schwuchtel sein, mit allem was dazu gehört. Das erklärt er den Krankenpflegern mehr als ausführlich. Kaum genesen, verlässt er Frau und Kind, geht nach Florida, angelt sich dort einen schmucken jungen Kerl und lebt in Saus und Braus. Als er merkt, wie teuer doch so ein luxuriöses Schwulendasein ist, beginnt er mithilfe von permanentem Versicherungsbetrug seine Finanzen aufzustocken. Das bleibt allerdings nicht ewig geheim und so landet er schließlich im Knast. Dort lernt er die Liebe seines Lebens, Phillip Morris (Ewan McGregor) kennen. Die beiden führen eine zeitlang eine traumhaft kitschige Knastbeziehung. Schließlich wird Steven entlassen und er erschleicht sich eine Anwaltslizenz, um Phillip aus dem Gefängnis zu holen. Die beiden beginnen draußen ein gemeinsames Leben im Luxus, wiederum aufgebaut auf Stevens Lügen gegenüber Phillip und Geldern, die auf nicht ganz legalem Wege erschlichen worden sind, und dementsprechend winkt schon bald wieder der Bau … Kurz, wir haben es hier mit einem Film zu tun, dessen Protagonist alle möglichen Gaunereien und Ausbruchsmöglichkeiten aus dem Gefängnis ausschöpft. Die Assoziation mit Catch me if you can kommt da nicht von ungefähr, auch wenn diese beiden Filme ansonsten nicht viel miteinander gemein haben.
Was fetzt an diesem Film? Er ist unglaublich komisch. Was aus meiner doch etwas langatmig gewordenen, unglaublich unvollständigen Teilzusammenfassung leider überhaupt nicht herauskommt, ist die Gagdichte (und da sind viele gute Gags dabei!), die vor allem die ersten zwei Drittel von I love you Phillip Morris aufweisen. Die Beziehung der beiden unglaublich schwulen Männer ist zum größten Teil wirklich herzerwärmend romantisch (zumindest für die weiblichen Zuschauer), manchmal besteht aber auch dringender Fremdschämalarm. Der Film lebt von Jim Carreys komischen und mimischen Talenten; Ewan McGregor, der eine recht langweilige, wenn auch sehr sympathische Rolle verkörpert, hat keine Gelegenheit, da mitzuhalten. Den Film zeichnet außerdem ein gesundes Maß an absurden Szenen aus. Das eigentlich absurdeste ist aber die Ankündigung, die dem Film vorangestellt wurde: This really happened. It really did. Kaum zu glauben, aber der Film beruht auf einer wahren Begebenheit. So unfassbare Geschichten kann man sich wahrscheinlich auch gar nicht ausdenken.
Was stört? Das große Manko, das ich unmittelbar nach Ende des Films ausgemacht habe, ist vielleicht auch seine genialste, raffinierteste Stelle (jetzt kommt übrigens der Spoilermoment). Gegen Ende des Streifens sind sowohl Zuschauer als auch Phillip Morris davon überzeugt, dass Steven an AIDS erkrankt ist und nur noch wenige Tage, vielleicht nur wenige Stunden zu leben hat. Es gibt ein herzzerreißendes letztes Telefonat, in dem noch einmal alles verziehen und einander innig geliebt wird – und das mir sogar zwei, drei Tränchen aus den Augenwinkeln entlockt hat. Schließlich erhält Phillip, der, durch seinen Partner verschuldet, gerade wieder im Gefängnis sitzt, kurz darauf die Nachricht von Stevens Tod. Nur eine Szene später steht Steven als Phillips Anwalt vor ihm und will ihn wiederum aus dem Knast herausholen. Phillip wird sofort klar, dass Steven ihn mal wieder verarscht hat – er hat seine eigene AIDS-Erkrankung vorgetäuscht, um aus dem Gefängnis zu kommen (auf welchen unfassbaren Wegen dies geschieht, wird erläutert, das muss hier aber natürlich fehlen). In diesem Moment fühlt sich der Zuschauer von Steven ebenso verarscht und getroffen wie sein Freund. Man schämt sich sofort seines Mitgefühls und seiner Tränen, ist dem Film und der Hauptfigur stinksauer, fühlt sich betrogen und wird den Kloß im Hals oder zumindest den bitterbösen Nachgeschmack noch ein paar Stunden behalten. Dieses Gefühl weicht erst, wenn man erkennt, dass das der eigentliche geniale Coup der sonst soliden Komödie ist. Welcher Film schafft es denn heute noch, den Zuschauer so richtig zu überraschen? All die Lustigkeit, all die Gags sind mit einem Mal vergessen; dieser Schockmoment überdeckt auch noch lange im Nachhinein, dass man einen eigentlich urkomischen Film gesehen hat. Formal gesehen ist dieser Schockmoment brillant, inhaltlich und emotional einfach nur mies.
Als schwach würde ich den konfusen Beginn und das etwas lieblose (und inhaltlich sehr deprimierende) Ende, auf das nicht näher eingegangen werden soll, bezeichnen.
Fazit: Kann man, muss man aber nicht gesehen haben. Zuschauer, die sich auf einen Lustiglustig-Film freuen, werden einen bitterbösen Nachgeschmack behalten, den sie gar nicht erwartet hatten. Wer gänzlich ohne Erwartungen herangeht und dazu einen Sinn für gelungene Dramaturgie besitzt, wird wohl am zufriedensten das Kino verlassen. Freunde des etwas absurderen oder des generell nicht so 0815-gestrickten Films sollten auch auf ihre Kosten kommen. Also, ja, doch, ansehen! ;)

2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

... *resisting the urge* ...

Jetzt kann ich erst wieder dein Blog besuchen, wenn ich irgendwo diesen Film gefunden hab. :/

Apropos Mr Carrey: wir haben gestern "Man On The Moon" gesehen, der ist ebenfalls sehr lohnenswert. Wobei. Ich weiß ja gar nicht, ob du nebst der ganzen Spoilerei *diesen* Film hier als gut bewertest. Gnaa.

Intriguing.

Anne hat gesagt…

Hihi. Du könntest diesen Film sicher mögen. Zum einen, weil der Humor zum Teil eine Absurdität aufweist, mit der du dich meiner Ansicht nach gut verträgst und zum anderen, weil es gegen Ende ein sehr überraschendes Moment gibt, das dich rein formal begeistern könnte. Oder du sagst nachher, dass dir dieses schwuchtelige Komödiendrama zu affig war ;).