Freitag, Mai 20, 2011

moby - destroyed.



mobys neues Album destroyed. befindet sich seit genau einer Woche incl. eines Fotobuches in meinem Besitz. Das Buch enthält viele ausdrucksstarke Fotografien, die moby während des schier endlosen Tourens auf der ganzen Welt gemacht hat - mal hat er einfach die Menschenmassen von der Bühne aus fotografiert, mal einen architektonisch interessanten Flughafen, mal einfach einen langen, schlecht beleuteten Gang oder die Tristesse des Hotelzimmers. Es gibt sogar einige wenige Naturaufnahmen, z. B. ein abziehendes Unwetter über dem Hudson River oder eine Wüste, vom Flugzeug aus geknipst. Und da moby zu jedem Bild zwei, drei Sätze und zum ganzen Buch ein schönes Vorwort über sein Verhältnis zur Fotografie und zum Auf-Tour-Sein verfasst hat, bieten diese meist kühlen, kargen Aufnahmen einen regelrecht intimen Einblick in das Tourleben des Künstlers.

Irgendwie gerät angesichts des Buches das Album fast in Vergessenheit. Ich habe es bisher vielleicht zehn-, zwölfmal angehört und muss sagen, dass ich es ziemlich ausdruckslos, beliebig finde. Das Vorgängeralbum Wait for me hatte beispielsweise eine wirklich ureigene Atmosphäre, die Lieder haben mir einzeln fast ausnahmslos allesamt sehr gut gefallen, sie hatten Tiefe, es war richtig möglich sich emotional in ihnen zu verlieren - und das Album hat dennoch als rundes Ganzes funktioniert, als selbstständiger kleiner Musikkosmos. destroyed dagegen wirkt schlicht wie eine Ansammlung von guten bis mittelmäßig-langweiligen Tracks, die größtenteils ziemlich unspektakulär dahinplätschern. Einige Songs (z. B. Lie down in Darkness oder The Low Hum) klingen wie schon mal gehört; könnte auch auf Hotel, vielleicht auch auf Wait for me drauf sein. Das ist wohl mein Problem mit diesem Album - es hat für mich nichts eigenes.
Aber GENAU das könnte schon fast Programm von destroyed sein. moby hat es komplett auf Tour, in Hotelzimmern aufgenommen. Er selbst bezeichnet diese Räume sinngemäß im Vorwort des Buches als anonymisierte, seelenlose Orte; vielleicht bezeichnet des Sound des Albums also genau das Gefühl, das moby angesichts der immer wechselnden Städte, der sich dabei aber nie wirklich verändernden Hotelzimmer beschlich.

Aber erstmal die Tracklist:

1. The Broken Places
2. Be The One
3. Sevastopol
4. The Low Hum
5. Rockets
6. The Day
7. Lie Down In Darkness
8. Victoria Lucas
9. After
10. Blue Moon
11. The Right Thing
12. Stella Maris
13. The Violent Bear It Away
14. Lacrimae
15. When You Are Old

destroyed. enthält aber trotz allem wirkliche Perlen. Am Besten gefallen mir (momentan - wer weiß, wie es in ein paar Monaten aussieht) die Tracks Be the one und The Day. Ersterer ist mit zwei weiteren Titeln des Albums auf einer Vorab-EP erschienen, die als kostenloser Download auf mobys Homepage zu haben war. Solche fanfreundlichen Aktionen macht der in New York lebende Veganer übrigens öfter mal. Auch Be the one könnte man Eintönigkeit vorwerfen, für mich ist es aber genau diese treibende Eindringlichkeit, die den Song für mich ausmacht. The Day ist die erste Singleauskopplung, es gibt dazu einen ganz ansehnlichen Videoclip mit Heather Graham in der Hauptrolle. Viele Fans, zumindest lese ich das bei Facebook und last.fm so heraus, präferieren daneben vor allem Sevastopol, das ebenfalls auf der Be the one-EP drauf war. Das mag ich auch ganz gerne, aber es erinnert mich für meinen Geschmack ein wenig zu sehr an den Song Star Guitar von den Chemical Brothers. Auch Victoria Lucas ist ein guter Track, der sich allmählich sehr schön aufbaut, für mich dann aber doch zu wenig aus sich macht. Mit After behalte ich auch meine Tradition bei, dass es auf jedem moby-Album einen Song gibt, der mich so richtig nervt. Während Blue Moon und The right thing danach wieder ziemlich banane sind, überrascht Stella Maris im Anschluss daran ungemein positiv: die Streicher, die bisher immer nur angeklungen waren, kommen hier zu ihrem Recht und ein kirchlich, zumindest spirituell anmutender Gesang macht die Szenerie komplett. The violent bear it away mutet zu Beginn als veritable Hommage an Yann Tiersen an, die liebevoll gemachte französische Filme untermalen könnte; endet dann aber doch in der gewaltigen Schwermut, die mir an moby so gut gefällt. Den vorletzten Track, Lacrimae (für alle Lateindeppen: das heißt 'Tränen'), mochte ich nach den ersten Malen sehr gerne, aber dann hat er mich sehr agressiv, hackend und hopfschmerzauslösend aus dem Schlaf gerissen, in den ich so sanft an des Liebsten Schulter zu Beginn des Albums gefallen und nun find ich ihn gemein und hab sein Nervpotenzial entdeckt - pah. Das Album endet mit When you are old so leise und unscheinbar, wie es mit The broken places begonnen hatte.

Viele Titel sind wirklich schön, aber bleiben nicht im Kopf, sie sind nicht einprägsam. Das ist mir mit einem moby-Album noch nie so gegangen. Aber als Mangel kann man das sicherlich nicht bewerten, den Einprägsamkeit ist nicht zwingend ein Qualitätskriterium.

Zum Abschluss noch mein Favorit: Be the One. Das Video ist wohl auf Tour entstanden, das erklärt wohl auch, dass er einfach nur fertig und so ungesund aussieht.

Keine Kommentare: