Mittwoch, Mai 23, 2012

Mitmachwahn

Zurzeit leide ich an einer Sache, die ich als Mitmachwahn bezeichnen würde. Wie äußert sich diese Krankheit? Ich mache einfach bei unglaublich vielen Aktionen und teils auch Gewinnspielen mit, und das ist etwas, das ich früher nie gemacht habe. Das waren aber auch noch Zeiten, in denen ich keine Zweit-eMail-Adresse für Benachrichtigungen von Facebook, für Amazon, ebay & Co eingerichtet hatte; eben eine, die man schnell mal rausgibt.

Die Gewinnspielteilnahmen haben sich fast gänzlich auf Gewinnspiele für Fußballtickets beschränkt, vornehmlich für das DFB-Pokalfinale vor anderthalb Wochen und das Champions League-Finale am vergangenen Samstag. Wer mich kennt, der weiß, dass diese Begegnungen nicht gerade angenehm für mich und den Verein, dem ich anhänge, ausgegangen sind ... aber darum soll's hier gar nicht gehen. Manch einer wäre vielleicht sogar geneigt zu sagen "Sei froh, dass du keine Tickets bekommen hast, so wie es ausgegangen ist." Aber in dem Paralleluniversum, in dem ich im Stadion gewesen wäre, hätte es ja auch klappen können, zumindest in der Königsklasse ;)

Außerdem bin ich unter die Tester gegangen. Darauf bin ich gekommen, weil eine mir auch persönlich halbwegs bekannte Bloggerin, der ich folge, die Ober-Mitmach-Test-Fee schlechthin ist und regelmäßig vor allem Lebensmittel und Körperpflegeprodukte testet, und das nicht nur zum Spaß. Auf ihrem Blog hat sie beispielsweise auf die 'Brandnooz Box' hingewiesen. Dahinter steht ein ganzes Portal, das sich Kundentests für neu auf den Markt kommende Lebensmittel verschrieben hat. Einmal im Monat wird dem Box-Abonnenten eine Box mit Lebensmitteln im Wert von mindestens 10€ zugeschickt, zahlen muss er dafür 9,99€ und es ist versandkostenfrei. Die Lebensmittel sind entweder gerade neu auf dem Markt und quasi noch nicht etabliert, oder aber sie kommen in wenigen Wochen in den freien Verkauf und werden von den Brandnooz-Mitgliedern vorgetestet. Die Box, die mich vor ein paar Wochen erreichte, enthielt zwei neue Pulmoll-Sorten, Marzipan-Rum-Kugeln von Niederegger, ein Fertiggericht für Milchreis von Reisfit, zwei Capri Sonne-Sorten im neuen Verpackungsformat, getrocknete Tomaten aus der Tüte und 'Black 5' von Griesson, das ist die neue Oreo-Keks-Version dieses Herstellers. Ich war ganz zufrieden mit der Ausbeute. Die Kekse und die Marzipankugeln waren lecker, die Capri-Sonnen schnell weggeschlürft. Ich lutsch auch immer mal ein Pulmollbonbon, auch wenn die Sorte "Limette Minze" ein bisschen an Klosteine erinnert. Sehr praktisch fand ich die getrockneten Tomaten aus der Tüte - die sind zwar in Öl und Kräuter eingelegt, aber schwimmen nicht so darin wie die Tomaten aus dem Glas, sondern haben nur einen Ölfilm. Nichts anfangen konnte ich hingegen mit dem Milchreis. Das hier ist ein Milchreis- und Griesbrei freier Haushalt. Ich habe die Brandnooz-Box aber wieder abbestellt. Es ist ja ganz witzig, aber nen Zehner im Monat ist das dann für mich doch nicht wert; den mag ich dafür auch gar nicht übrig haben.



Wie ich festgestellt habe, ist das Internet ja mittlerweile voller Produkttestforen und -blogs. Es gibt riiieesiige Portale, auf denen vor allem Frauen jedes Alters ihre Erfahrungen mit den neuesten Anticellulite-Cremes, Antifaltenkuren und Figurtees mitteilen. Auf höchst ausgeklügelten Ausfüllbögen wird jede Facette jedes Produkts auseinander genommen. Das ist zum einen praktisch, zum anderen aber auch ein bisschen irre.

Eine Abo-Box, über die ich im Netz auch immer mal wieder stolpere, ist die Glossy Box. Für monatlich 15€ bekommt man fünf neue oder noch gar nicht veröffentlichte Schönheitspflegeartikel. Nagellack, Haarkuren, Parfumproben, Rouge, etc., teilweise auch von eher luxuriösen Firmen. Diese Box scheint sich sehr großer Beliebtheit zu erfreuen, ist aber eher nichts für mich. Einen Großteil der Produkte, die regelmäßig darin sind, verwende ich gar nicht und generell ist mein Beautyinteresse nicht so ausgeprägt, wie es das der Modemädchenvintageblogbesitzerinnen wohl ist. Neuerdings gibt es auch die Glossy Box Men für den stilbewussten Hipster. Hinter der Glossy Box steht im Übrigen ein Portal, das genauso wie brandnooz zu funktionieren scheint.



Nun habe ich auch bei einer Aktion, die Gewinnspiel und Test vereint, mitgemacht. Uno Pizza hat Testesser für die EM-Pizza gesucht, also jene Pizza, die es speziell im Zeitraum, in dem die Fußballeuropameisterschaft in Polen und der Ukraine stattfindet, zu kaufen geben soll. Vor Wochen schon hab ich mich als Testesser beworben und musste dabei Lieferdatum und -uhrzeit angeben. Als ich Ende letzter Woche benachrichtigt wurde, dass ich testessen werde, wusste ich natürlich nicht mehr, für wann ich die Pizza gefühlte Ewigkeiten zuvor geordert hatte :D Der Kundendienst konnte mir dann aber sehr sehr schnell weiterhelfen. Vor circa anderthalb Stunden habe ich nun mit tatkräftiger Unterstützung des Herzallerliebsten die - natürlich kostenlose - Pizza verspeist. Und die Reaktionen waren, wie man so schön sagt, eher verhalten. Es handelte sich um eine Currywurstpizza. Was hat das mit der Fußball-EM zu tun, fragte ich. Das wird wohl sowas wie die Deutschlandpizza sein, antwortete der Liebste. Da hätte ich angesichts der Gastgeberländer eher mit Borschtschpizza gerechnet, erwiderte ich.
Currywurst finde ich an sich ganz okay, ich habe so gut wie noch nie im Leben eine gegessen, weil mir im Falle eines Falles eine stinknormale Bratwurst tausendmal lieber ist. Ich bin aber generell kein Freund davon, wenn aus irgendeinem schon vorhandenen Gericht eine Pizza gemacht wird; ich erinnere an Dinge wie Gyrospizza, Dönerpizza, Fish-and-Chips-Pizza oder - sehr sehr schlimm - die Weihnachtsbratenpizzen, die sich alljährlich in den Sortimenten der großen Ketten befinden. Schon deshalb also hatte die Pizza im Vorfeld bereits schlechte Karten bei mir. Sie sah auch nicht so pralle aus, ziemlich einfarbig, wohl aufgrund des Curry. Der Belag war aber reichlich und gleichmäßig verteilt und klebte auch nicht am Deckel der blauen Pappschachtel. Geschmacklich war sie dann besser als erwartet (zugegebenermaßen hatte ich sehr sehr wenig erwartet). Sie hat im Grunde wie eine Currywurst - Gott sei Dank eine nicht sonderlich scharfe - mit Teig geschmeckt. Den Käse, den der Pizzabelegemensch auch üppig oben drauf gestreut hat, hätte man sich bei Uno sparen können, denn man schmeckt ihn überhaupt nicht, das Curry überlagert alles.
Die Pizza war im Fazit okay, auch wenn ich so eine Pizza niemals von selbst bestellt hätte. Aber hey - einem geschenkten Gaul ... und so weiter ;)

p.s.: Wer entdeckt die rhetorisch einwandfreien Joachim Löw-Reminiszenzen? ;)

Dienstag, Mai 15, 2012

Fortsetzung - Prag

Teil 2 – Noch mehr Hradschin und die abendliche Altstadt

Der Veitsdom ist natürlich nicht das einzige (touristische) Highlight der Burgstadt Hradschin. Neben dem sehenswerten Mathiastor und der Heiligkreuzkapelle bietet der zweite Burghof (gegen einen Obulus) die Möglichkeit, die 1950 durch Zufall freigelegten Fundamente der ältesten Kirche Prags, die natürlich nicht mehr steht, zu besichtigen. Im dritten Burghof steht zudem eine Statue des Heiligen Georg, wie er gerade das tut, wofür er berühmt ist, nämlich einen Drachen zu töten.  Diese Statue stammt aus dem Jahr 1373, nimmt aber – auch das weiß der ADAC-Reiseführer, „Stilmerkmale der höfisch-eleganten Kunst“ späterer Jahrhunderte bereits vorweg und macht eher einen renaissancigen Eindruck. Die Heiligenlegende von Georg dem Drachentöter ist übrigens eine der bekanntesten und meist überlieferten aus dem Mittelalter. Er war laut der Legende ein zu Tode gefolterter Märtyrer, der um 300 n. Chr. gestorben und seitdem vor allem ein Heiliger des osteuropäischen Christentums ist. Die Drachentöterkomponente kam erst zur Zeit der Kreuzzüge, also etwa im 12. Jahrhundert hinzu und besteht meist darin, dass der Heilige Königstöchter vor diebischen Drachen gerettet und das Ungetüm gerichtet hat. Das Georgskreuz habt ihr sicher alle schon einmal gesehen – in Form der englischen Flagge.

Zweiter Burghof mit Heiligkreuzkapelle

Ebenfalls am dritten Hof befindet sich der alte Königspalast. In welchem heute die Präsidentenwahl abgehalten wird; entsprechend repräsentativ und flaggengeschmückt ist das Gebäude auch. Darin muss es wohl einen sehr sehenswerten mittelalterlichen Saal, den Wladislaw-Saal geben. Geschichtsträchtiger aber ist dessen kleiner Bruder daneben, der Statthaltersaal – hier warfen 1618 ein paar Protestanten zwei kaiserliche Räte und einen Stadtschreiber aus dem Fenster. Das Ergebnis ist der sogenannte ‚Zweite Prager Fenstersturz‘ und der Beginn des Dreißigjährigen Krieges.
Es schließt sich der Georgsplatz an, benannt nach dem nun schon vorgestellten Drachentöter. Hier gefiel mir die St.-Georg-Basilika am meisten. Das ist ein romanischer Kirchenbau mit aus dem 12. Jahrhundert, der – innen äußerst schlicht gehalten – ein paar Jahrhunderte später zumindest äußerlich mit ein wenig barockem Pep versehen worden ist. Durch die schmale Georgsgasse führt der Weg weiter an der Basilika vorbei zum Burggrafenamt. Dort ist heute ein Spielzeugmuseum drin. Gegenüber steht das alte Kloster St. Georg, in dem sich heute große Teile der Nationalgalerie befinden.

Portal der Basilika St. Georg

Auf der anderen Seite des Burggrafenamtes, quasi in der allerhintersten Nische des Hradschin, ist schließlich die Goldene Gasse, die auch auf den Namen Goldmachergasse hört – der geneigte Kafkaleser kennt sie aber wahrscheinlich als die Alchimistengasse. Hier reiht sich pittoreskes Häuschen an noch pittoreskeres Häuschen, alle sind sie romantisch windschief und haben niedliche kleine Fensterchen und alles könnte so schön sein, wären da nicht die Touristenscharen, die das enge kleine Gässchen überbevölkern und in die Kitschläden rennen, die sich in den Häuschen – die wirklich einmal Wohnhäuser waren – eingemietet haben. So hatte ich die Gasse von meinem ersten Pragbesuch (2005 oder 2005) in Erinnerung und schon deswegen habe ich sie dieses Mal nach 18Uhr aufgesucht. Dann haben die Geschäfte darauf geschlossen und das Betreten (!) der Gasse kostet auch keinen Eintritt mehr. In der Tat befanden sich dann auch nur noch ein paar Handvoll Touristen dort und die Abendsonne konnte den Konsumcharakter, den das Prager Sightseeing mittlerweile angenommen hat, mit ihrem warmen, goldenen Licht etwas übertünchen. Das Haus Nummer 22 hat übrigens Franz Kafka mal eine Weile als "Schreibstube" genutzt. Mehr als ein Stübchen ist es auch nicht, es hat nur ein Stockwerk und viel mehr als ein kleines Zimmerchen, in das sich heute eine Kafka-Buchhandlung pfercht, und so eine Art Keller gibt es nicht darin. Kafka war im Sommer 1916 auf Wohnungssuche, weil seine aktuelle Wohnung ihm zu laut zum Schreiben erschien. Zusammen mit seiner Schwester Ottla, ebenfalls auf Wohnungssuche, fragten sie auf der Kleinseite und am Hradschin nach und erfuhren zu ihrer Überraschung, dass ein Häuschen auf der Alchimistengasse bald frei werde und Ottla mietete es – vorerst für sich, aber bald überließ sie es dem Bruder Franz. Er war, man muss sagen: ausnahmsweise, sehr zufrieden dort. „Es entspricht mir ganz und gar“, Schreibt er in einem Brief an die ewige Verlobte Felice Bauer. Den Großteil jener Erzählungen, die noch zu seinen Lebzeiten im Band „Ein Landarzt“ veröffentlicht werden sollten, schrieb er in dem halben Jahr, in welchem er die Alchimistengasse Nr. 22 bewohnte.

Kafkas ehemaliges Schreibhäuschen

Blick in die Alchimistengasse

Es treibt uns schließlich wieder von der Burg herunter. Durch die Nerudagasse nähern wir uns wieder der Moldau über die Kleinseite. Das ist  der historische Teil Prags, der westlich der Moldau liegt. Den historischen Kern östlich des Flusses bilden die Altstadt und die Josefstadt, das kleine jüdische Viertel. Die Nerudagasse ist voller Kaffees, Restaurants, Souvenirläden und Menschen; dass sie auch sehr steil ist, hat den amüsanten Effekt, dass man dicke Touristen dabei beobachten kann, wie sie sich in ungeeignetem Schuhwerk auf dem Kopfsteinplaster aufwärts quälen. Aber schöne Dinge gibt es auch zu sehen: Prag ist berühmt für die schönen Reliefs an den Häusern, vor allem für die Hauszeichen über den Türen, welche meistens einen Gegenstand, eine Pflanze oder ein Tier darstellen, das den Beruf desjenigen, der in grauer Vorzeit dort einmal gelebt hat, symbolisiert. Also etwa einen goldenen Kelch für den Goldschmied oder eine Violine für den Geigenbauer. ‚Neruda‘ hat übrigens nichts mit dem chilenischen Erfolgsautor Pablo Neruda zu tun, sondern vielmehr mit Jan Nepomuk Neruda, einem tschechischen Poet und Journalist des 19. Jahrhundert, dessen Geburtshaus in dieser Gasse steht. Pablo Neruda hieß übrigens eigentlich Neftalí Ricardo Reyes Basoalto und wählte den Namen ‚Neruda‘ in Anlehnung an Jan Neruda.

Geburtshaus von Jan Neruda

Die Nerudagasse mündet schließlich im Kleinseitener Ring. An diesem Platz stehen einige sehr imposante Gebäude, unter anderem die Kirche St. Niklas auf der Kleinseite – ein Wahnsinnsausmaß an Barock und römisch-katholischem Prunk – sowie diverse schmucke Renaissancepalais. Über die Brückengasse – der Name verrät es – gelangen wir schließlich zur Karlsbrücke, karlův most. Sie empfängt uns in Form der Kleinseitener Brückentürme, einer Romanik-Renaissance-Koproduktion aus einem größeren und einem kleineren Turm mit einem gewaltigen gotischen Zinntor als Durchgang. Bevor wir uns aber in der Abenddämmerung auf die immer noch recht volle Brücke wagen, stärken wir uns mit einheimischem Gerstensaft.

Blick durch das gotische Tor der Brückentürme

Die Kleinseitener Brückentürme von der Karlsbrücke aus

Die Brücke ist voller Paare, Gruppen von Jugendlichen und Familien, die auf der Suche nach dem perfekten Foto mit sich selbst und Prager Burg vor Sonnenuntergangshimmel sind. Ein paar der Portraitzeichner, Karikaturisten und Schmuckverkäufer sind auch noch da. Unter der Brücke kurven die Ausflugsschaufelraddampferflussschifffahrtsgesellschaften herum, die Dampfer hupen sich hier und da zu, dass es durch die halbe Stadt dröhnt.

Auf der Karlsbrücke, mit Blick Richtung Altstadt

Auf der anderen Seite der Brücke steht, ganz analog, der Altstädter Brückenturm. Wie vieles andere in dieser Stadt stammt der gotische Turm von Peter Parler, dem bedeutendsten der am Dom beteiligten Baumeister. Durch sein Tor gelangt man in die Altstadt – und hier ist nicht weniger los als auf dem Hradschin oder der Karlsbrücke. Zunächst einmal steht man auf dem Kreuzherrenplatz. Hier erwartet einen die Kreuzherrenkirche, die an St. Niklas von der anderen Flussseite erinnert. Da sie mit einer vergleichbar opulenten Kuppel und ähnlich barock daher kommt. Es schließt sich das Klementinum an, ein großer Gebäudekomplex mit verschiedenen Kapellen, Bibliotheken und der Salvatorkirche. Durch die Karlsgasse (karlova), malerisch klein und schmal – zu schmal für so viele Leute – geht es allmählich ins Zentrum der Altstadt, zum Altstädter Ring. Auf dem Weg dahin kommt man an unzähligen Souvenirläden und Restaurants vorbei. Vor jedem Restaurant steht ein Angestellter und will dich zu einer Mahlzeit dort überreden, manche versuchen regelrecht, dich hineinzudrängen oder dich in Richtung eines noch freien Stuhles zu bugsieren – aber Vorsicht! In diesen immervollen Restaurants zwischen Brücke und Altstädter Ring wird auf den Überrumpelungseffekt gesetzt, der Touri wird am Ende nicht selten finanziell über den Tisch gezogen.

Altstädter Brückenturm

Kreuzherrenkircke (links), Klementinum

Und endlich sind wir am Altstädter Ring angelangt. Zuerst kommt das Rathaus in unser Blickfeld, berühmt für die astronomische Uhr aus dem 15. Jahrhundert am Turm, die man in vielen schlechten Miniaturrepliken in den Souvenirshops erstehen kann. Der Abend ist noch lau, und der große Platz um das Jan-Hus-Denkmal ist noch voller Menschen, die sich über die milden Temperaturen zur mittlerweile vorgerückten Stunde freuen. Alle wichtigen Gebäude – die Teynkirche, das Palais Kinsky, die Kirche St. Niklas in der Altstadt – sind repräsentativ angestrahlt. Auf dem Platz haben immer noch ein paar der Holzbuden offen und verkaufen Bratwurst, Bier oder. Eine Prager Spezialität, die zu probieren ich irgendwie nicht geschafft habe.




Nach diesen nächtlichen Impressionen vom Altstädter Ring beenden wir diesen Tag. Das nächste Mal wollen wir uns ganz auf Kafkas Spuren begeben und einen Rundgang durch 'sein' Prag unternehmen.

Freitag, Mai 11, 2012

Lebensmittelshopping wie es sein muss?

Etwas mehr als zwei Jahre ist es nun her, genauer gesagt zwei Jahre und drei Monate, da frohlockte ich an dieser Stelle über die Eröffnung des neues Gohliser Kauflandes mit genau dieser Überschrift - nur ließ ich damals das Fragezeichen weg. Nun hat diese Woche, endlich, das Kaufland am Lindenauer Markt eröffnet, in dem ich ja fast wohne, so nah ist es. Gestern hab ich mich ein erstes Mal hineingewagt.

Und ich bin ein wenig enttäuscht. Der Laden ist wahnsinnig eng; ich will mir gar nicht ausmalen, wie es an Donnerstag- und Freitagabenden da zugehen mag. Innen ist es wesentlich kleiner als es von außen den Anschein hat. Zurechtgefunden habe ich mich ziemlich schnell, denn die einzelnen Kauflandfilialen sind ja ziemlich gleich sortiert. Aber - es fehlen einige Dinge, die ich am Gohliser Kaufland sehr geschätzt habe. Zum einen ist die Bierabteilung wesentlich schmaler und unübersichtlicher; etwas 'exotischere' Sorten wie dunkles Weizenbier, Guinness oder Kilkenny und die vielen Sorten der Neuzeller Klosterbrauerei fehlen ganz. Außerdem, und das finde ich ganz besonders schade, gibt es keine Frischfischtheke. Ich hatte die Hoffnung, dass die nun in allen neu eröffneten Kauflandfilialen zum Standard werden würde. Aber am Ende gab es das in Gohlis vielleicht auch nur deshalb, weil dort eine wesentlich großere Verkaufsfläche zur Verfügung stand. 

Ich glaube nicht, dass dieser große Lebensmittelladen den Markttagen am Lindenauer Markt (Mittwoch und Freitag) gefährlich werden könnte. Viele Menschen hier haben ihren Stammgemüseverkäufer oder wollen nicht auf ihren wöchentlichen Einkauf am Metzger- oder Fischwagen verzichten. Markt ist halt doch noch immer etwas ganz anderes als Super-Markt und das wissen hier auch die meisten. 
Ein bisschen Kopfschmerzen bekomme ich aber, wenn ich an die anderen alteingesessenen Geschäfte am Lindenauer Markt denke. Bisher gab es hier zwei Bäcker, nämlich den Bäcker Siebrecht und eine Filiale der Wiener Feinbäckerei. Beide Bäcker haben ihre Ladengeschäfte gerade frisch renoviert und modernisiert. Im neuen Kauflandkomplex hat nun natürlich noch ein dritter Bäcker aufgemacht - verträgt der Lindenauer Markt drei Vertreter einer Branche? Werden von nun an nicht viele Menschen aus Bequemlichkeit ihre frischen Backwaren beim neuen Bäcker gleich hinter den Kassen im Kaufland beziehen, anstatt wie zuvor den 'alten' Bäcker am Markt aufzusuchen, was ja ein zusätzlicher Weg ist?
Zudem hat ein großer Zeitschriftenkiosk mit DHL-Service im Kaufland eröffnet, gleich neben dem Bäcker. Dabei befindet sich genau auf der anderen Straßenseite seit Langem ein Kiosk, der genau das bereits bietet (Zeitschriften, dazu eine kleine Auswahl an Süßwaren, alkoholhaltigen und -freien Getränken, Tabakwaren, ein paar Kurzwaren, außerdem Postannahme und -aufbewahrung für die DHL, LVB-Tickets, etc.). Meiner Meinung nach hätte es die Shops im Kauflandkomplex (Bäcker, Fleischer, Zeitschriftenladen) nicht gebraucht - dann hätte Kaufland mehr Verkaufsfläche, weniger Enge und ein erweitertes Angebot wie in Gohlis bieten können und die bereits vorhandenen Geschäfte am Markt müssten nicht mit unnötiger Konkurrenz zurecht kommen. Denn drei Bäcker braucht dieser Markt hier wirklich nicht.

Dienstag, Mai 08, 2012

Praha - Prague - Prag

Teil 1 - Die Anreise und die Hausberge der Stadt, Hradschin und Petřín

Das vergangene Wochenende, von Freitag bis Sonntag, habe ich in Prag verbracht – dieser Trip war mein Geburtstagsgeschenk vom Herzallerliebsten. Wie immer sind wir mit der Bahn gereist; und diese Art der Fortbewegung ist für mich, unabhängig von allem, was man über Unzuverlässig-. Unfreundlich- und Unpünktlichkeiten von sich geben kann, immer noch die schönste Art des Reisens. 

Die Elbe nahe Meißen

Die Strecke Leipzig-Prag hat es landschaftlich aber auch wirklich in sich! Auf der Fahrt von Leipzig nach Dresden fährt man ab Riesa, also etwa ab der Hälfte der Strecke, immer in Nähe der Elbe entlang (und das wird sich bis weit in die Tschechische Republik hinein nicht ändern). Aus dem Zugfenster kann man den Dom und die Albrechtsburg zu Meißen genauso gut erkennen wie die Radebeuler Altstadt und die Weinhänge oberhalb des Elbtals, mit all ihren kleinen Schlösschen und malerischen Gutshäusern. Kurz vor der Ankunft am Dresdner Hauptbahnhof überquert der Zug schließlich die Elbe – und gibt dabei einen tollen Blick auf das ganze Altstadtpanorama der sächsischen Landeshauptstadt mit Frauenkirche, Schloss und Hofkirche, Augustusbrücke und Semperoper frei.

Dresden

In Dresden bleibt dann eine knappe halbe Stunde zum Geldwechseln, ehe der EuroCity nach Prag sich in Bewegung setzt. Von den zwei Fensterplätzen aus hat man dann das schönste Teilstück der Zugfahrt bestens im Blick: wir verlassen Dresden in Richtung Pirna und ab dort geht es wirklich immer im Elbtal direkt am Flussufer entlang durch die ganze Sächsische und Böhmische Schweiz. Vorbei an Rathen und Wehlen, vorbei an der Festung Königstein, mit Halt in Bad Schandau auf der deutschen und in Děčín auf der tschechischen Seite des Gebirges. Diese Stadt kannte ich bisher nur dem Namen nach, aber sie scheint ebenfalls einen Besuch wert zu sein: sie liegt wunderbar in einem Talkessel gelegen, mit viel hügeligem Grün drumherum; und auf einem solchen Hügel thront über der Elbe ein schönes Renaissanceschloss. Dann verlassen wir das grüne, enge Elbtal und fahren durch flacheres Land. Der nächste Halt ist Ústí nad Labem, was nichts anderes heißt als Aussig an der Elbe. Diese Stadt kenne ich ebenfalls nur namentlich, vor allem als Partnerstadt von Chemnitz, weswegen es in einem dortigen Plattenbaugebiet auch eine Ústí-nad-Labem-Straße gibt, was ich immer sehr amüsant fand. Diese Stadt ist ziemlich industriell geprägt und hat äußerlich wenig mit Děčín gemein. Ein Schmuckstück gibt es dann aber doch noch: auf einem auffälligen Felsen direkt am Fluss steht höchstprominent eine beeindruckende Burg(ruine).

Der Ort Königstein samt gleichnamigem Felsen und Festungsanlage

Bald tauschen wir die Elbe gegen die Moldau ein – der erste Anhaltspunkt, dass wir uns der Hauptstadt nähern. Und irgendwann bekommen tragen die Bahnhöfe, durch die der EC rauscht, ein in Klammern geschriebenes ‚Praha‘ im Namen und der Burgberg, der Hradschin, taucht mitsamt Dom und Burg in der Ferne auf. Dieser EuroCity ist übrigens eine recht interessante Zuverbindung: Von Hamburg-Altona aus fährt er über Berlin und Dresden bis Prag, von da weiter nach Wien und Villach; Letzteres liegt ganz im Süden Österreichs am Dreiländereck Österreich-Italien-Slowenien.

Moldaupanorama mit Burgberg Hradschin

Der Prager Hauptbahnhof (Praha hlavní nádraží) ist ein nicht sonderlich adretter und unübersichtlicher Bau. Von dort springen wir in die Tram-Linie 9, die uns ganz nah am Hostel wieder ausspuckt. Das Hostel selbst ist sehr zentral gelegen, vielleicht eine Fußminute zur Moldau und fünf bis zum Altstädter Ring, dem historischen Zentrum der Altstadt. Wir haben ein schlichtes Zimmer im ersten Stock des Hauses an der Nationalstraße 20, der národní, mit drei Betten, zwei Stühlen, einem Tisch und einem Schrank. Toiletten und Duschen sind auf dem Gang, ebenso die Gemeinschaftsküche mit Frühstücksbereich. Frühstücken würden wir hier aber nicht – direkt gegenüber, auf der anderen Straßenseite, haben wir das Café Louvre ausgemacht. Ein altes Café, 1902 gegründet, das sich ganz der Pariser und Wieder Kaffeehauskultur verschrieben hat. Dort haben Kafka und Max Brod weintrinkend in philosophischen Zirkeln diskutiert und Albert Einstein hat in seiner Zeit als Dozent an der Prager Karlsuniversität hier seine Zeitung gelesen und Kaffee geschlürft. Schon wegen seinem originalgetreu restaurierten Jugendstilambiente ist das Café, zu dem auch ein Restaurant, eine Sonnenterasse und ein Billardsalon gehören, einen Besuch wert. Das Frühstück ist mehr als reichhaltig, richtig lecker und gut bezahlbar. Im Untergeschoss des Hauses befinden sich übrigens ein Jazz- und ein Rockclub. 

Intérieur des Café Louvre (www.cafelouvre.cz)

Gegen 15.00 Uhr am Freitag, nach dem Ankommen und Einchecken, beginnt das eigentliche Prag-Wochenende. Ein langer Spaziergang bei bombastischem Wetter führt uns zuerst zur Most Legií und auf die andere Seite der Moldau. Mit der Seilbahn fahren wir auf den Petřín (dt. Laurenziberg), von dem man einen fabelhaften Blick auf die Stadt hat. Die Seilbahn wurde 1891 anlässlich der großen Landesausstellung in Betrieb genommen. Auf dem Laurenziberg steht übrigens eine kleine Version des Pariser Eiffelturms. Dieser Turm ist 60m hoch und wurde 1889 von Mitgliedern des ‚Clubs der Tschechischen Touristen‘ in Auftrag gegeben, nachdem sie sehr beeindruckt von einer Paris-Reise nach Prag zurückgekehrt waren. Vom Laurenziberg, auf dem zudem die Gipfelkirche, ein Planetarium und das Kloster Strahov  (bekannt für seine bedeutsame und wunderschöne Bibliothek) stehen, geht es immer durchs Grüne zu Nový Svet, „Die neue Welt“. Das ist ein Gässchen am Hradschin, in welchem früher vor allem arme Leute und Palastbedienstete wohnten. Heute ist es eine pittoreske Gegend, in der sich Künstler und teure kleine Restaurants niedergelassen haben. Viele Touristen verirren sich hier Gott sei Dank nicht hin. Bald gelangt man schließlich zum Hradschiner Platz. Hier befindet sich, außer der Mariensäule, dem Palais Schwarzenberg (beherbergt Teile der Nationalgalerie) und dem Erzbischöflichen Palais, der Eingang zum weitläufigen Burggelände: durch den ersten und den zweiten Burghof gelangt man schließlich zum dritten, zum großen Burghof. 

Blick vom Hradschiner Platz auf den ersten Burghof

Hier steht das Wahrzeichen von Prag – der Veitsdom. Er gehört zu den Blüten der gotischen Baukunst. Im Inneren geht es allerdings zu wie in einer Bahnhofshalle und bis nach vorn zum Altar gelangt man leider nur gegen ein Entgeld. Da ich nicht für die Besichtigung von Gotteshäusern bezahle, habe ich also vom Dominneren nur den Eingangsbereich gesehen. Dieser glänzt vor allem durch seine bunten Glasfenster; eines davon hat übrigens Alfons Mucha im Jahr 1931 gestaltet. Das für mich interessanteste an diesem Dom ist, dass er jahrhundertelang ohne Türme auskommen musste. Na gut – lange Bauphasen bei Gotteshäusern sind nichts Ungewöhnliches, wenn man mal die Bauzeit des Kölner Domes bedenkt (1248-1880). Aber der Prager Veitsdom, dessen Bau um 1350 begann, „blieb bis ins 19. Jh. ein Torso“, weiß der ADAC-Reiseführer. „Erst 1872-1919 vollendeten die Baumeister Josef Mocker und Kamil Hilbert das dreischiffige Langhaus und die Westfassade im Sinne der Kathedralgotik mit zwei Türmen und drei Portalen.“ – damit ist jene Ansicht gemeint, die in den Augen von uns Kathedral- und Architekturlaien die genuine Domigkeit eines Doms erst ausmacht. 

"Goldene Pforte" an der Südseite des Doms
Die erst um 1900 fertiggestellte Westfassade

Kurzer Exkurs mit Tippcharakter: Prag hat zahlreiche öffentliche Toiletten, manche mehr und manche weniger zu empfehlen. Die beste Toilette ist, mit weitem Abstand, jene direkt rechts neben dem Dom. Es mag banal klingen, aber: ehrlich, Leute, ich war noch nie auf einer so schönen und sauberen öffentlichen Toilette. Die Benutzung kostet 10Kč oder 0,50€ - beim aktuellen Wechselkurs entsprechen 10Kč aber nur knapp 0,40€, es handelt sich also um eine kleine Euroland-Touristenverarsche. Wenn man also weiß, dass man häufiger mal muss, lohnt es sich, genügend tschechisches Münzgeld dabei zu haben, denn diese 10 Cent Differenz pieseln sich über ein paar Tage durchaus zu einem gewissen Betrag zusammen.

Ausblick: Im zweiten Teil treiben wir uns weiter auf dem Hradschin herum und besuchen, Gott sei Dank nach 18 Uhr, die Goldene Gasse. Dann wird es uns über die sehenswerte Nerudagasse auf die Karlsbrücke und von da in die Altstadt bei Nacht verschlagen.