Die Masterarbeit ist abgegeben, mit einem Ergebnis ist aber nicht vor Mitte Oktober zu rechnen. Das heißt - den schnuckeligen Studentenstatus werde ich auch im Wintersemester vergnüglich ausnutzen, mit allen Vorteilen an Sauna- und Museumskassen und dem Semesterticket, auf das ich in den kalten Monaten ungern verzichten würde.
Einen Tag nach dem Einreichen der Arbeit ging es aber erst einmal nach Trondheim. Das mag zunächst als eher abwegiges Urlaubsziel gelten, immerhin ist es weniger hip als Amsterdam oder Stockholm und hat mit Sommer viel weniger zu tun als Südfrankreich oder Kroatien. Und tatsächlich - warm war es dort nicht gerade.
Mein Grund, dahin zu reisen, ist ein ganz simpler: ich habe da Verwandtschaft. Einer meiner Cousins ist vor ein paar Jahren zusammen mit seiner Freundin dorthin ausgewandert. Zunächst nur temporär im Rahmen eines Erasmussemesters, etwas später aber zur Gänze. Die beiden haben schließlich ihre Studienabschlüsse bzw. die Promotion dort absolviert, sind dort berufstätig. Und da wäre es doch eine Schande gewesen, sie nicht irgendwann mal zu besuchen, wenn man schon den Komfort einer kostenlosen Privatunterkunft genießen kann. Obendrein kam vor wenigen Wochen eine Einladung ins Haus geflattert - sowohl Cousin als auch Freundin wurden in diesem Sommer 30 und haben für ein Wochenende eine Hütte in der norwegischen Natur für sich und ihre Gäste gemietet ... :)
Bevor es losging, wurde aber noch geshoppt - aus Norwegen erhielten wir nämlich zahlreiche Aufträge, was wir aus der alten Heimat mitbringen sollten. Dass neben typischen Artikeln wie Bratwurst, Senf und Worcestersauce auch Produkte wie Zahnpasta, Duschgel und Mascara aus der Einkaufsliste standen, gewährte einen ersten Einblick in die norwegischen Preisverhältnisse.
Die Reise begann am 22. August um 9:25 Uhr vormittags, da fuhr der Connex Richtung Berlin am Leipziger Hauptbahnhof ab. Vom HBF Berlin aus kommt man schnell und günstig mit einem Bus, der fünfminütlich fährt, zum Flughafen Tegel - dass der noch offen ist, ist ja auch nur der Causa Flughafen Berlin-Brandenburg zu verdanken, eigentlich war die Schließung für Juni vorgesehen. Tegel hat seine besten Zeiten bereits hinter sich, soviel steht fest. Wobei der Fifties-Charme der Gebäude sowohl von Innen als auch von Außen durchaus was für sich hat ... und immerhin ist er noch der viertgrößte Flughafen der Bundesrepublik, gemessen an den jährlichen Passagierzahlen.
Geflogen wurde mit Royal Dutch Airlines (KLM), incl. Gratisessen und -getränken |
Am Flughafen in Berlin hatten wir bis zum Start des Fliegers gegen 17:30 Uhr ziemlich lang Aufenthalt. So ist das eben, wenn man die günstigste Zugverbindung auswählt und nicht die zeitlich passendste. Aber dank des flughafenansässigen Starbucks und einiger Bücher verging die Zeit überraschend schnell. Zunächst flogen wir nach Amsterdam (Flugdauer knapp 60Min) - Direktverbindungen nach Trondheim gibt es an deutschen Flughäfen nicht. Der Airport Amsterdam Schiphol ist gigantisch, nach London-Heathrow, Charles-de-Gaulle in Paris und dem Frankfurter Flughafen der viertgrößte des Kontinents. Überall Shops, dicke Touristen und Heineken, Heineken, Heineken. Nach knapp zwei Stunden Aufenthalt ging es dann ins Flugzeug nach Trondheim. Die reichlich zweistündige Flugzeit versüßte mir der herrliche Sonnenuntergang. Gegen 22:45 Uhr landeten wir dann auf dem Lufthavn Trondheim. Dieser Flughafen bedient vor allem inländischen Routen, der überwältigende Großteil nach Oslo (die Verbindung Trondheim-Oslo ist die meistgeflogene Europas). Ehe wir meinen Cousin in der Eingangshalle trafen, plünderten wir noch den Duty Free-Shop in seinem Auftrag. Diese Shops befinden sich ja auf staatenlosem Gebiet, und deswegen stellen sie im Grunde die einzige Möglichkeit dar, harten Alkohol zu halbwegs normalen Preisen nach Norwegen zu bekommen. Nach über 15 Stunden Reisezeit kamen wir gegen Mitternacht endlich in der Wohnung unserer Gastgeber an ...
Nachdem es fast die ganze Nacht geregnet hatte, begann der erste Tag in Trondheim neblig-feucht und kühl. Über den Tag gab es zwar immer mal wieder kleinere Auflockerungen, aber es blieb für meinen Geschmack zu kalt und war sehr windig. Man muss bedenken, dass wir Deutschland bei subtropischem Klima verlassen hatten. Mit der einzigen Staßenbahnlinie der Stadt fuhren wir aus dem Viertel, in dem mein Cousin wohnt, hinunter in die Innenstadt. "Hinunter" bedeutet in diesem Fall, dass die kleine tapfere Bahn einen gehörigen Höhenunterschied von der idyllischen Holzhäuschenbergsiedlung Lian in die auf Meeresniveau gelegene und fast gänzlich von Wasser umgebene Halbinsel mit der City zurücklegen muss. Eine Einzelfahrt kostet umgerechnet schlappe 5€. Unser erster Weg führte in die Touristeninformation, wo wir uns mit einem Stadtplan ausstatteten. Die Info befindet sich am Marktplatz der Stadt, von hier aus kann man in wenigen Minuten jede Sehenswürdigkeit zu Fuß erreichen. Die Trondheimer Innenstadt ist überschaubar; auch wenn man Museen besichtigt, hat man in zwei Tagen annähernd alles gesehen. Aufgrund mehrerer immenser Stadtbrände in früheren Jahrhunderten gibt es übrigens fast keine Bauten aus dem Mittelalter mehr, das Stadtbild macht einen eher jungen Eindruck.
Luftaufnahme der Innenstadt-Halbinsel (Quelle: Fotostream des Hafens Trondheim auf flickr) |
Markt von Trondheim |
City Map |
Und schnell bemerkt man auch die Globalisierungseffekte, die mir auch München hatten etwas fad schmecken lassen. Zara, H&M, Benetton, dazu Burger King und McDonald's - die Shops sind in jeder größeren Stadt die gleichen. Doch erfrischenderweise hat Trondheim auch viel Lokalspezifisches zu bieten, Anglershops beispielsweise oder kleine Boutiquen und Läden, die keiner Kette angehören.
Der erste Weg führte zum Dom Trondheims, zum Nidarosdom. Die erste Kirche wurde bereits im 11. Jahrhundert an dieser Stelle gebaut, auf der Grabstätte des norwegischen Königs Olav II Haraldsson. In seinem heutigen, neogotischen Erscheinungsbild steht er erst seit ca. 100 Jahren so da, nur der Korpus des Gebäudes stammt aus dem 12. Jahrhundert. Leider kann ich keine Auskünfte über die Innenausstattung liefern - der Eintritt in das Gotteshaus war unverschämt hoch. Hinter dem Dom befindet sich das Areal des alten Erzbischofssitzes, das auch zu den ältesten Teilen des sonst eher jungen Trondheims gehört. Dort gibt es einige Museen und regelmäßige Kulturveranstaltungen. Wir haben nur die Rüstkammer besichtigt.
Direkt neben dem Dom befindet sich das Kunstmuseum der Stadt. Das hatte gerade frisch wiedereröffnet und bot eine umfassende Ausstellung zum Thema Gemeinsamkeit. Künstler aus ganz Europa haben Fotografien, Videoinstallationen, Skulpturen und Zeichnungen beigesteuert, die die Themenkomplexe Weltreligionen, Imigration / Ausstoßung und Menschenrechte umkreisten. Eine weitere Dependenz dieses Museums, die sich etwas abseits der Zentrumshalbinsel befindet, haben wir an diesem Tag auch noch besichtigt. Hier waren vor allem Gemälde und Fotografien zeitgenössischer norwegischer KünstlerInnen ausgestellt. Besonders die Arbeiten von Anne Breivik, die erst in diesem Jahr verstorben ist, haben mir gut gefallen. Leider hat sie das Massaker ihres Landsmannes und Namensvetters noch mitbekommen müssen. Das Urteil gegen Anders Breivik wurde übrigens auch während meines Trondheim-Aufenthaltes ausgesprochen.
Dann haben wir einen Spaziergang durch eine der repräsentativen Straßen der Innenstadt gemacht (Munkegata) und den Hafen besichtigt. Trondheim liegt am Trondheimfjord unweit des Atlatiks, weswegen hier auch sehr große Kreuzfahrtschiffe der Hurtigrutenlinie und Fähren nach Kristiansund anlegen. Zum Hafen gehört auch der Kanalhafen. Malerisch bunte Holzhäuser, ehemals Speichergebäude, reihen sich hier aneinander. Leider werden diese nicht mehr als Wohn- und Lagerstätten benutzt, heute sind vor allem Büros und teure Restaurants darin. Dennoch ein toller Anblick.
Der Kanalhafen mit den farbenfrohen Speichergebäuden |
Die Viertel Mollenberg und Bakklandet westlich der Halbinsel bieten auch viel Reizendes. Die Nygata, was glaube ich soviel wie Neue Straße heißt, erweckt einen regelrecht dörflichen Eindruck. Obwohl man hier so nah am Zentrum ist, hat keines der niedlichen Holzhäuschen mehr als zwei bis drei Etagen. Überall befinden sich kleine Cafés oder Läden, in denen Handgemachtes angeboten wird. Man kann sich glatt vorkommen wie in einem skandinavischen Heimatfilm. Dieser Teil der Stadt stammt aus dem 17. Jahrhundert.
Nygata |
Wieder auf die Zentrumshalbinsel geht es über die Alte Stadtbrücke, auf norwegisch Gamle Bryboen. Diese Brücke verbindet das Zentrum mit dem Viertel Bakklandet und wurde 1862 errichtet. Die erste Brücke an dieser Stelle wurde 200 Jahre zuvor gebaut; zu ihr gehörten je ein Wächterhaus auf jeder Seite. Eines davon steht heute noch und beherbergt einen Kindergarten. Von der Brücke aus hat mal einen tollen Blick auf den Kanalhafen und die alten Speicher.
Auf der Alten Stadtbrücke, Blick zum Dom |
Der erste Tag endete mit einer leckeren Broccoli-Blumenkohl-Suppe, selbstgebrautem Bier und einem schönen Abendspaziergang durch das Viertel Lian zum See. Hier kommt man sich schon gar nicht mehr vor wie in einer der größten Städte Norwegens.
Demnächst geht es weiter mit den Sehenswürdigkeiten, der Natur und vor allem mit Schweden, dem Einkaufsparadies aller Norweger!