Mittwoch, Dezember 08, 2010

Weihnachtskalender 08

Nachdem es den ganzen Tag geregnet und ab dem späten Nachmittag alles Nass wieder überfroren hat, beschlossen die Leipziger Verkehrsbetriebe, dass heute ein guter Tag wäre, um den Bus- und Straßenbahnverkehr komplett einzustellen. Gott sei Dank hab ich das Haus heute nicht verlassen! Ich war den ganzen Tag drinnen im Warmen und habe Unikram gemacht und meine Wohnung wieder aus Vordermann gebracht. Obwohl - letzteres ist eigentlich schon gestern Nacht geschehen, nachdem die Weiberhorden meine Wohnung auf dem Weg zur letzten Bahn verlassen hatten. Ich hatte nämlich einen Großteil meines weiblichen Leipziger Freundeskreises zum Schokofondue und Heißgetränkekonsumieren in meine Schuhkartonwohnung geladen. Und weil ich mich heute Morgen nicht mit diesem Mörderabwasch im Hinterkopf im Bett verstecken wollte, hab ich den Abwasch gleich in der Nacht noch erledigt - all meine Tassen, Schüsseln und Weingläser, sowie viele sehr schokoladenbeschmierte Schokobrunnenteile.
Eigentlich wollte ich hier und heute einen sehr witzigen, einszenigen Dramolett-Text posten, in dem fünf Literaturwissenschaftler (ein Marxist, eine Feministin, ein Hermeneutiker, ein Poststrukturalist und ein Altphilologe) sich mit dem Evangelisten Lukas um die Auslegung der Bibel streiten. Aber 1) kann ich den Text nicht finden, weil ich weder Autor noch Titel kenne und 2) kann da sicher eh keiner außer mir drüber lachen :D.
Das heißt, ich muss mir einen anderen Kalendertürcheninhalt ausm Hut zaubern - aber immer Bilder posten oder Lieder ist langweilig auf Dauer, oder?
Oder noch mal ein Gedicht?
Och ja, könnt ich eigentlich machen.
Am besten Hölderlin oder Novalis!

Oder lieber was Leserfreundliches:


Loriot

Weihnachtsgedicht

Es blaut die Nacht, die Sternlein blinken
Schneeflöcklein leis' herniedersinken.
Auf Edeltännleins grünem Wipfel
häuft sich ein kleiner, weißer Zipfel.
Und dort, vom Fenster her, durchbricht
den tunklen Tann ein warmes Licht.
Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer
die Försterin im Herrenzimmer.
In dieser wunderschönen Nacht
hat sie den Förster umgebracht.
Er war ihr bei des Heimes Pflege
seit langer Zeit schon sehr im Wege.
Drum kam sie mit sich überein:
Am Niklasabend muß es sein.
Und als das Rehlein ging zur Ruh'
das Häslein tat die Augen zu,
erlegte sie - direkt von vorn -
den Gatten über Kimm' und Korn.
Vom Knall geweckt rümpft nur der Hase
zwei, drei, viermal die Schnuppernase
und ruhet weiter süß im Dunkeln
derweil die Sterne traulich funkeln.
Und in der guten Stube drinnen,
da läuft des Försters Blut von hinnen.
Nun muß die Försterin sich eilen,
den Gatten sauber zu zerteilen.
Schnell hat sie ihn bis auf die Knochen
nach Waidmannssitte aufgebrochen.
Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied,
was der Gemahl bisher vermied,
behält ein Teil Filet zurück
als festtägliches Bratenstück
und packt darauf - es geht auf vier -
die Reste in Geschenkpapier.
Da tönt's von fern wie Silberschellen,
im Dorfe hört man Hunde bellen.
Wer ist's, der in so später Nacht
im Schnee noch seine Runden macht?

Knecht Ruprecht kommt mit goldnem Schlitten
auf einem Hirsch herangeritten.
"He, gute Frau, habt Ihr noch Sachen,
die armen Menschen Freude machen?"
Des Försters Haus ist tief verschneit,
doch seine Frau ist schon bereit:
"Die sechs Pakete, heilger Mann,
's ist alles, was ich geben kann."
Die Silberschellen klingen leise,
Knecht Ruprecht macht sich auf die Reise.
Im Försterhaus die Kerze brennt,
ein Sternlein blinkt - es ist Advent!

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