Montag, Oktober 15, 2012

Roland Emmerich, was soll das denn immer?

Ich bin kein Fan von Roland Emmerich-Filmen. Die, die ich bisher gesehen habe (Der Patriot, Independence Day), finde ich suboptimal; einzig The Day after Tomorrow konnte ich etwas abgewinnen, denn die Story hat Potenzial und die Bilder sind eben auch bei mir wirksam.

Als mein Freund gestern in der TV-Zeitschrift seiner Eltern, bei denen wir das Wochenende verbrachten, entdeckte, dass Emmerichs 2012 (2009) am Abend im Fernsehen laufen sollte, sprangen wir über unseren Privatfernseh-Schatten und planten etwas, das wir beide während der ganzen gemeinsamen Jahre noch nie getan hatten - einen Film im Privatfernsehen zur Prime Time gucken, mit nervigen Werbeblöcken (von 12 Minuten!) und Sendehinweisen, die ein Drittel des Bildes verdecken, und das während des Filmes. Zum einen hat vor allem der Liebste ein Faible für Apokalypsen, zum anderen schien der Zeitpunkt angemessen, etwas weiter als bisher in den Mayakalender-dieWeltgehtunter-2012-Hype hineinzusehen.

Das Fazit des Films: Der Emmerich will uns alle für dumm verkaufen. Anders kann ich mir das Niveau des aktuellen Popcornkinos nicht erklären, an dem dieser Regisseur maßgeblichen Beitrag hat. Natürlich war zu erwarten, dass der Film die gängigen Hollywood-Blockbuster-Register ziehen würde. Hier mal in der Kurzzusammenfassung: nachdem die planetenbedrohende Grundproblematik in ihren Ansätzen dem Zuschauer angedeutet worden ist (natürlich mit hanebüchener Pseudowissenschaftsrhetorik), wird der Held eingeführt. Es handelt sich um einen Mann Mitte bis Ende Dreißig, der alle Kriterien erfüllt, um ein Held zum Mitfühlen und Sympathischfinden zu werden: er ist geschieden und sieht seine Kinder nicht so oft, er ist eifersüchtig auf den neuen Mann an der Seite seiner Ex-Frau, er ist ein an sich zweifelnder Autor, er ist etwas tollpatschig und wird von John Cusack gespielt. Selbstverständlich wird sich aaaauuusgerechnet einer der führenden Wissenschaftler (schwarz) des US-Präsidenten (schwarz - der Film macht also alles richtig) als einer der wenigen Leser der Bücher unseres Helden herausstellen, aber das nur nebenbei.

Der Film strotzt regelrecht vor Szenen, in denen der Protagonist und seine Familie nur knapp dem Tod entkommen. Pro Viertelstunde gibt es mindestens eine Szene, in der das Flugzeug gerade rechtzeitig abhebt / das Auto gerade rechtzeitig losfährt, bevor der Riss in der Erde es erreicht / bevor ein Gesteinsbrocken es mitsamt seinen Insassen zertrümmert. Und fällt der Held doch mal in einen der exorbitanten Risse, die sich entlang der kalifornischen San-Andreas-Verwerfung bilden, dann kann der Zuschauer, der sich mit Hollywoodmechanismen ein wenig auskennt, genau den Zeitpunkt bestimmen, in welchem die Hand des Totgeglaubten doch noch am Abgrund auftaucht, an dem er sich dann hinaufzieht. 

Am Ende überlebt der Held selbstverständlich, ebenso seine Ex-Frau und die Kinder (die im Popcornkino sowieso nicht sterben dürfen). Wer allerdings nicht überlebt, ist der neue Mann der Ex-Frau, der von überdimensionalen Zahnrädern in den Hydraulikschächten der Arche, die die Menschheit retten soll, zermalmt wird. Merkwürdigerweise vergießen weder Frau noch Kinder ein Tränchen darüber, stattdessen kommt die ursprüngliche Kernfamilie wieder unproblematisch zusammen. 

Außerdem, und was wäre ein amerikanischer Blockbuster von globaler Tragweite denn sonst für ein Film, gibt es einen zwielichtigen Russen, der am Ende stirbt und eine silikonbusige, blondierte Freundin hat, die am Ende stirbt, deren Paris-Hilton-Hündchen aber überlebt (die Tochter des Helden wird das Hündchen dann bekommen). Es gibt auch Chinesen, aber abgesehen von deren unermüdlicher Arbeitswut und einem minikleinen Hinweis darauf, dass Chinesen und Tibet-Chinesen sich nicht so grün sind, wird hier dankenswerter Weise mit Klischees gespart. Achso, und es gibt eine Szene mit Schwarzenegger, der noch Gouverneur des Staates Kalifornien war, als der Film anlief.

Was mir aber am allerallermeisten übel aufgestoßen ist: der Film ist letzten Endes ein müder Abklatsch bisheriger Hollywoodkatastrophenfilme. Zwar ist in 2012 alles ein bisschen größer, schärfer und vernichtender - es handelt sich beim Weltuntergang schließlich um die Mutter aller Katastrophen - aber keinesfalls origineller als bisher. Die frappierendsten Parallelen bestehen zu Armageddon (1998), in welchem ein Asteroid mit der Erde zu kollidieren droht, und zu Titanic (1997). 
Die Titanic-Anleihen finden sich im letzten Drittel von 2012, das größtenteils auf einer der Archen spielt, mit welcher ausgewählte Menschen, die Tierarten und verschiedene Kultur- udn Wissenschaftsgüter der Menschheit überleben sollen. Die Archen kann man sich als gigantische Schiffe oder U-Boote vorstellen. Die Arche, auf welcher sich alle für den Film relevanten Figuren befinden, wird aufgrund eines nicht geschlossenen Tores unglücklicherweise geflutet; hier werden vor allem Erinnerungen an das dritte Deck der Titanic im gleichnamigen Film wach (Menschen waten durch überflutete Gänge, Schotten werden dicht gemacht, etc.); und schließlich entscheidet sich unser Mitfühlheld John Cusack dazu, zurückzutauchen und die Blockade, welche das Tor vom Schließen abhält, zu entfernen - ein bisschen wie Kate Winslet, die in den überfluteten Rumpf des Schiffes zurückkehrt und den Leo mit einem gekonnten Axthieb seiner Handschellen entledigt. Und als zu guter Letzt die unkontrollierbare Arche auf das Massiv des Mount Everest zusteuert und an diesem zu zerschellen droht, ruft der Captain das gleiche Kommando, das der Steuermann der MS Titanic angesichts des Eisberges ruft. Außerdem gibt es an früherer Stelle des Films ein großes Kreuzfahrtschiff, dass von einem Tsumani vernichtet wird; auch hier erinnert vieles auf der Bildebene an Titanic.
Die Vergleiche zu Armageddon finden sich vor allem auf der Ebene von Figuren und Dialogen wieder. So gibt es in beiden Filmen eine Durchhalterede des US-Präsidenten an sein Volk, in beiden Filmen gibt es ein letztes Telefonat eines Vaters, der sich opfert, mit seiner erwachsenen und das attraktive Zentrum des Films darstellenden Tochter. In diesen Telefonaten offenbaren die Väter jeweils, dass sie nicht gerettet werden bzw. für Sache xy sterben wollen, und die Töchter weinen.

Allerdings muss man dem Film seine gewaltige Bildsprache zugute halten. Ich möchte hier sicherlich nicht mit dem von mir verhassten Satz "Boah, die Story kannste knicken, aber die Effekte sind übelst geil" ankommen. Aber wer etwas für apokalyptische Visionen übrig hat, kann sich nur schwer dem eindrucksvollen Bild der herabstürzenden Jesusstatue in Rio de Janeiro entziehen oder dem auf hunderttausend Betende zusammenstürzenden Petersdom in Rom. Auch die Nutzung des Archemotivs ist nicht ohne Reiz. Über die dramaturgischen, darstellerischen, dialogischen, etc. Schwächen des Films tröstet das aber sicherlich nicht hinweg, mich zumindest nicht.

Von Get Well Soon, den / die ich ja bekanntlich über alle Maßen mag, gibt es übrigens einen Song namens "Roland, I feel you", der sich auf Roland Emmerich bezieht. Darin kommen die Verse "Roland, I feel you / It is mayhem these days / I specialize in end-times, too" vor; und mit der Zeile "I write anthems, too" scheint Konstantin Gropper sich regelrecht als Soundtrackverantwortlicher bei Emmerich zu bewerben (und Soundtracks hat er ja schon öfter gemacht). In einem Interview sagt Gropper, dass ihn Emmerichs Konzentration auf das Weltende und den großen Knall fasziniere, auch wenn er dessen Lust an Zerstörung nicht teile. Der Song findet sich auf dem aktuellen Album von Get Well Soon (The Scarlet Beast O' Seven Heads), das vergangenen Monat erschienen ist. Darauf befindet sich übrigens auch ein Instrumentalstück mit dem Titel "Let me check my mayan calendar".
Zu "Roland, I feel you" gibt es auch ein Video. Dieses orientiert sich aber weniger an Emmerich als vielmehr an den Italowestern und den B-Movies vergangener Jahrzehnte, Gott sei Dank. Tada:


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