Montag, Oktober 22, 2012

Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht

... und wenn er auch die Wahrheit spricht. Der Spruch ist ziemlich altbacken und hat in der Kindheit sicher die meisten enorm genervt, aber auf eines trifft er heute zu wie sonst auf kaum etwas: auf Dopingsünder.

Eben ging die Meldung über den Ticker, dass Lance Armstrong in allen Punkten für schuldig befunden wurde und somit alle sieben Siege bei der Tour de France verliert; dazu kommt eine lebenslange Sperre für den 41-jährigen Texaner. Armstrong hatte die Tour von 1999 bis 2005 jedes Jahr gewonnen. 

Was hat das für Auswirkungen? - Ziemlich absurde, teils auch traurige, sowohl für den Lebensweg von Armstrong selbst als auch für den professionellen Radsport.

Zum einen hat sich Armstrong selbst um alles gebracht; um seine Glaubwürdigkeit, seine Karriere, sein Lebenswerk, das nun mehr als nur infrage steht, ja regelrecht dem Erdboden gleich gemacht ist. Er ist selbst schuld daran, dass die einzige veritable Leistung, die nun noch in seiner Vita steht, der erfolgreiche Kampf gegen den Hodenkrebs ist. Als diese Krankheit 1996 diagnostiziert wurde, befand sie sich in einem derart fortgeschrittenen Stadium, dass sich bereits Metastasen in Gehirn, Lunge und Bauchraum gebildet hatten. Es glich einem Wunder, dass die Heilung vollständig und ohne Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit Armstrongs vonstatten ging. Drei Jahre nach der Diagnose folgte dann der erste Tour de France-Sieg. - Doch auch diese, an sich beeindruckende, Phase seines Lebens steht nun unter anderen Zeichen. Die im Jahr 2000 erschienene Autobiografie des Profi-Sportlers widmet sich vor allem dem Kampf gegen den Krebs und der unglaublichen sportlichen Rückkehr. Diese hollywoodreife Erfolgsgeschichte hat nun einen Knacks. Weltweit könnten sich Millionen scher Erkrankte nun von Lance Armstrong gewaltig verarscht fühlen.

Zum anderen könnte es nun dazu kommen, dass die jeweils Zweitplatzierten der Tour de France in diesen Jahren nachträglich zum Toursieger gekürt werden. Und das ist wer? - In den Jahren 2000, 2001 und 2003 beträfe das Jan Ullrich, 2004 den gebürtigen Sachsen Andreas Klöden. Beide stehen selbstverständlich auch unter Dopingverdacht, wenn sie dessen bisher auch nicht einwandfrei überführt werden konnten. 

Es ist traurig und fatal, was aus dem Radsport, der noch Mitte, Ende der 90er Jahre in Deutschland so beliebt war wie selten, in der letzten Zeit geworden ist. Kein Mensch hat mehr Lust, im Sommer wochenlang über 100 gedopten Typen mit windschnittigen Helmen dabei zuzusehen, wie sie bei Hitze durch die Pyrenäen und im Regen durch Nordfrankreich fahren. Bei den Olympischen Spielen in diesem Jahr in London waren die illegalen Substanzen den Massen mal kurz egal, vor allem, weil die Briten selbst viele der Medaillen in den Radfahrdisziplinen abgesahnt haben, aber bei den jährlichen Touren, die im TV übertragen werden, gehen die Einschaltquoten mehr und mehr zurück. Zurecht.

(Dabei soll nicht unterschlagen werden, dass viele andere Sportarten - Leichtathletik, Wintersportdisziplinen, u. a. - nicht minder kritikwürdig sind und viele andere Sportler ebenso viel Dreck am Stecken haben. Aber nirgends zeigt es sich auf so eine desillusionierende, folgenreiche und medienwirksame Weise wie im Radsport.)

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