Mittwoch, Oktober 30, 2013

Filmrückschau

00 Schneider - Im Wendekreis der Eidechse (2013) ... Wie könnte man die Indoorkinosaison besser einläuten als mit dem neuen Helge Schneider-Film? So traf man sich in einer lange Zeit vernachlässigten Viererkonstellation vor der Schauburg - einem Kino, in dem ich überraschenderweise noch nie war. Das Kino ist ganz schön, der Saal 1 ("Ich fühle mich wie im Festsaal vom VfL Bochum!") ist groß, blauweiß und voller flauschiger Sitze, die Mitarbeiter sind lustig, die Preise sind in Anbetracht der Kleinheit des Kinos überraschend groß.
Zum Film: man muss ein Helge-Connoisseur sein, um mit einem positiven Fazit aus dem Kino zu gehen. Im Vergleich zu den grandiosen älteren und jüngeren Klassikern wie Praxis Doktor Hasenbein oder Jazzclub hat dieser Film erstaunliche Längen, und das bei nur 94 Minuten Spielzeit. Ein paar gute neue Gags und ein paar wirklich gelungene Einarbeitungen recycelter Gags machen die Höhepunkte aus. Die von Rocko Schamoni gespielte Figur des Bösewichtes taugt aber leider nicht so viel, auch die Nebenstory mit Tante Tyree finde ich, abgesehen vom Waschmaschinenkauf, eher fade. Doch da ich ein Liebhaber des Helge-Humors bin, kam ich dennoch auf meine Kosten, vor allem durch die vielen kleinen Kleinigkeiten am Rande. Helge Schneider ist einfach ein Meister des gekonnten Fallenlassens von zuvor aufgemachten Erzählsträngen!

Große Erwartungen (1998) ... Selbige hatte ich an diesen Film nicht und das war auch gut so. Wenn ich erwartungsvoll an die Sache herangegangen wäre, wäre ich sicher enttäuscht worden, denn die Schwächen des Filmes fand ich phasenweise eklatant (Dialoge, Kitsch, Gwyneth Paltrow). Abseits davon findet man allerdings viel Schönes: die emotional wichtigen Szenen sind toll gefilmt, das alte Anwesen der noch älteren Mrs. Dinsmoor (supergut: Anne Bancroft) ist wunderschön gestaltet; und vor allem setzt Große Erwartungen Sinnlichkeit gut um, und daran scheitern viele Filme.
Schließlich möchte ich noch etwas zum Regisseur, Alfonso Cuarón, schreiben. Er erstaunt mich mit seiner Vielseitigkeit immer wieder. Von Harry Potter und der Gefangene von Askaban über Children of Men (!!!!!) über jüngst Gravity scheint er so ziemlich alles zu machen und auch zu können. Beeindruckend.

König der Fischer (1991) ... Ich bin kein Robin Williams-Fan. Im Gegensatz zu vielen Menschen auf diesem Planeten kann ich mit ihm nicht viel anfangen, ich finde ihn richtig unsympathisch und irgendetwas stört mich an allen seinen Rollen. Selbst in Filmen wie Der Club der toten Dichter, den ich sehr mag, ist er für mich das Manko. Ich weiß, dass ich diese Meinung recht exklusiv habe, es ist einfach eine subjektive Sache. Da ich aber Terry Gilliam-Filme sehr mag, kam ich dennoch nicht um König der Fischer herum. Hier spielt Williams einen Mann namens Parry, der nach dem gewaltsamen Tod seiner Frau psychisch zusammengebrochen ist und als Ritter den Heiligen Gral sucht, mitten in Manhattan. Mehr oder weniger freiwillig hilft ihm dabei der ehemalige Radiomoderator Jack Lucas (der erstaunlich junge, kaum wiederzuerkennende Jeff Bridges), weil er sich für den Tod von Parrys Frau verantwortlich wähnt.
Ein phantastisches, auch zwischenmenschlich sehr dramatisches und dabei oft urkomisches Gilliam-Spektakel.


Looper (2012) ... Wie jeder Film, der das Thema Zeitreisen umsetzt, löst auch dieser Debatten über seine filminterne Logik aus. Und wie bei jedem dieser Filme kommt man nachher zu dem Schluss, dass zugunsten der Dramaturgie die Logik nicht an allen Stellen wasserdicht ist. Aber mir persönlich macht das nichts aus; wären diese Logiklücken - die nicht stören und innerhalb des Filmes wiederum irgendwie logisch sind - nicht, dann gäbe es nämlich gar nichts zu erzählen.
Looper (mit Bruce Willis, Joseph Gordon-Levitt und Emily Blunt prima besetzt) ist ziemlich viele Filme in einem (Zeitreisenthriller, Film über ein kriminelles Syndikat, Film über Moral, über Liebe zwischen Mann und Frau, Mutter und Kind, Film über Identität, ... und Signs - Zeichen ist er auch) und daran scheitert er vielleicht auch ein wenig. Im Großen und Ganzen ist das aber ein guter Film, der meiner Filmguckcrew und mir eine Menge Diskussionsstoff beschert hat.


Freitag, Oktober 18, 2013

Placebo - Loud like Love



Am 13. September 2013 ist das siebte Studioalbum von Placebo, meiner Jugendliebe, erschienen. Ich besitze es bisher nicht, weiß auch nicht, ob ich das ändern werde (sagenhaft schlechtes Artwork!) ... aber Spotify machts möglich.

1 - Loud like Love ... Auf den ersten Hör ein gefälliges, beschwingtes Liedchen, das hervorragend zur immer noch überraschend klaren Stimme von Sänger Brian Molko passt. Möchte soundmäßig vielleicht ein wenig an Klangperlen wie Black-Eyed oder Slave to the Wage erinnern. Aber insbesondere der fast hymnische Vers "We are loud like love", der am Ende vielfach wiederholt wird, überzeugt nicht so wirklich. (5 von 10 Punkten)

2 - Scene of the Crime ... Der Song beginnt mit rhythmischen Klatsch-geräuschen, die im Soundrepertoire der Band eher ungewohnt sind; auch sonst überrascht es musikalisch. Ganz guter Song, irgendwie groovy. (6/10)

3 - Too many friends ... Der Text des Liedes setzt sich mit den modernen Kommunikationswegen auseinander; damit, dass man nur einen Bruchteil der Menschen, mit denen man auf facebook & Co. befreundet ist, auch wirklich kennt und tagein tagaus dümmlich auf sein Smartphone starrt. Soweit, so ausgelatscht. Der Focus findet, Too Many Friends sei eine "Abrechnung mit sozialen Netzwerken wie Facebook, erinnert textlich an die schlimmsten Schüttelreime der Sportfreunde Stiller". Diese Kritik finde ich nachvollziehbar. laut.de setzt noch einen drauf: "Dabei klingt der mittlerweile 40-jährige Molko wie ein alter Mann, der mit gestelzten Worten und hohem Fremdschamfaktor über Dinge spricht, die er nicht mehr versteht." (3/10)
Dieser Song ist die erste Singleauskopplung des Albums, das dazugehörige Musikvideo finde ich sehr interessant gemacht. Der Erzähler ist übrigens Bret Easton Ellis, der Autor von American Psycho (1991).


4 - Hold on to me ... Auf die Radiogitarre folgt die Frage "Who let the cat out of the bag", im Refrain kehrt der Klatschsound wieder. Musikalisch klingt dieses Lied wie melancholisches Radioeinerlei, das auch von Snow Patrol oder anderen Bands stammen könnte. Später dann setzt ein Orchester ein, schließlich ein Monologpart bis zum Songende. Die Vielfalt ist es schließlich, die dieses Lied doch noch ein wenig besonders macht. (6/10)

5 - Rob the Bank ... Nach den sozialen Netzwerken sind nun die Banken dran. Eine recht platte Angelegenheit. "Rob the bank, take me home and make love", lautet die Zusammenfassung des Textes. Musikalisch könnte das Stück auch vom Vorgängeralbum Battle for the Sun stammen. Näääh. (3/10)

6 - A Million little Pieces ... Es geht mit vielversprechenden Klavierklängen los, die Drums und der Gesang dazu erinnern an alte Zeiten. Doch auch hier ist der Text sehr plakativ geraten ("Whenever I was feeling wrong, I used to go and write a song from my heart, But now I feel I've lost my spark"), teilweise fatal. Musikalisch finde ich es aber im Großen und Ganzen gelungen. (6/10)

7 - Exit Wounds ... Placebo bleiben ihrer Vorgehensweise, das jedes Album ein etwas schwerer zugängliches elektronischeres Stück beherbergt, mit diesem Lied treu. Eines der besseren Lieder des Albums, vor allem das düstere und schwere erste Drittel gefällt mir. Dann bricht, leider nicht so schön wie in Julien von Battle für the Sun der Rock durch den Elektro. Dennoch hörenswert. Der Songtext behandelt das Thema Eifersucht, ziemlich kitschig und auch plakativ, aber hier passt es ganz gut. (7/10)

8 - Purify ... Ein solide schrammelnder Song, in welchem Molko eine Frau und ihre so sinnlich-erotische wie göttlich-karthatische Wirkung auf ihn anpreist. Sexuelle Anziehung wird hier in pathetische Verse gepackt, der Kontrast von Text und Musik in diesem Lied ist eine der ersten interessanten Dinge auf diesem Album. (7/10)

9 - Begin the End ... Fast zum ersten Mal finde ich hier den klassischen Placebo-Klang, zumindest zu Beginn des Songs. Dann ändert sich der Sound, und zwar auf eine Weise, die ich Placebo nach den bisher gehörten Songs des Albums gar nicht mehr zugetraut hätte. Begin the End ist treibend und berunruhigend auf der einen und klar auf der anderen Seite. Großartig. (9/10)

10 - Bosco ... Und schon sind wir am Ende; wie schon einige andere Placebo-Alben endet Loud like Love mit einer melancholischen Ballade. Bosco ist der Name eine italienischen Rebsorte; es geht um einen mit der Alkoholsucht kämpfenden Mann, der seine Partnerin zwar sehr liebt, sie aber wegen seiner Sucht und seines Verhaltens zu verlieren droht. Er lebt in Scham, Schuldgefühlen und verzweifelter Liebe. Musikalisch ist dieses Stück sehr emotionale gestaltet, die orchestrale Musik und die Klavierpassagen passen wirklich gut. Ein versöhnlicher Abschluss. (7/10)

*****

Fazit: Das große Manko dieses Albums liegt in den Texten. Molko scheint endgültig die Inspiration abhanden gekommen zu sein. Musikalisch ist es in Ordnung, ein paar halbwegs originelle Neuerungen und ein paar bewährte und gute Rezepte aus früheren Jahren kämpfen tapfer gegen einen sonst sehr beliebig gewordenen Sound ohne Ecken und Kanten. Das Album lässt mich ganz schön ratlos zurück, mich fragend wie ich mit meiner einstigen Jugendliebe heute umgehen soll - aus Nostalgie behutsam mit der Kritik sein, mich auf die wenigen wirklich guten Momente des Albums stürzen oder mich enttäuscht abwenden? 

Nach der Veröffentlichung der EP B3 im letzten Jahr hatte ich recht große Hoffnungen in dieses Album gesetzt, diese EP wartete nämlich mit sehr kraftvollen, elektrolastigen Songs auf. Das Album aber geht größtenteils in eine sehr andere Richtung. Insbesondere das Politische hat Placebo nie gelegen, die früheren Versuche waren auch allesamt eher gescheiterte Experimente (das Revoluzzer-Lied Spite & Malice, das Anti-Drogen-Lied Commercial for Levi), doch das Bankenkrisen- und das Facebook-Lied setzen da noch einen drauf. Die besten Songs der Band handelten oft von psychischen Ausnahmesituationen und von Außenseitern, von "Verrückten, Perversen oder Minderheiten" (Molko) und den Vorurteilen, mit denen sie kämpfen.

Gesamteindruck: 5 bis 6 von 10 Punkten

Montag, Oktober 14, 2013

Teenie-Playlist-Tag

Aus irgendeinem Grund bin ich im Laufe dieser Woche mal wieder auf die Band HIM gestoßen, der ich mit 15, 16 Jahren naturgemäß ein wenig verfallen war. Daraufhin erinnerte ich mich auch all der anderen Perlen, an denen mein Herz in den frühen 2000ern hing. Eine Auswahlplaylist:

HIM - It's all tears (Unplugged)
Slut - Easy to love
The Dandy Warhols - Boys better


Blackmail - It could be yours
30 Seconds to Mars - A beautiful lie
Placebo - Pure Morning


Muse -Time is running out
Linkin Park - Crawling
Linkin Park - Breaking the habbit


Blink 182 - I miss you
The Ataris - Boys of Summer
Audioslave - Like a stone


System of a Down - Aerials
Queens of the Stone Age - No one knows
Red Hot Chili Peppers - Otherside


und natürlich:
Radiohead - Talk Show Host


Donnerstag, Oktober 10, 2013

+ / -

Was ich mag:
dass ich wieder die Kerzen reaktiviere in diesen dunkleren und kälteren Tagen / den Schwimmengehenplan mit Anja / Flammkuchen / dass ich die Erkältung vorm richtigen Ausbruch eindämmen konnte / meine sich enwickelnde Weihnachtsgeschenkeplanung / Schogetten  / das Lesen der Buchrezensionen bei Amazon - da sind aber auch ein paar Idioten dabei / Filmabende zu zweit und mit Freunden / dass ich wieder weiß, wo meine gelbe Salatschüssel ist

Was ich nicht mag:
wie die Wohnung manchmal riecht, wenn für zwei Tage keiner da war / dass es ein Ding der Unmöglichkeit scheint, dass ich jemals gesunde Haarspitzen haben könnte / wenn Menschen, sogar professionelle Leser, ein Buch nachlässig lesen und darauf ihre Rezension aufbauen / dass meine Oma durch die zunehmende Demenz nicht mehr sie selbst ist / wenn Wein alkoholisch schmeckt / dass ich mich (wir uns) derzeit ein bisschen zu sehr übers Scheitern definiere

Samstag, Oktober 05, 2013

Filmrückschau

Hitchcock (2010) ... Viel Gutes hatte ich im Vorfeld über diesen Film gehört, in Trailern, Kritiken bei Kulturzeit oder in Gesprächsform von meiner Chefin. In meinem Fall hat das leider zu etwas überhöhten Erwartungen geführt. So "spritzig und pointiert" wie angekündigt fand ich die Dialoge nicht. Das Spiel der Hauptdarsteller, vor allem das Helen Mirrens, hat mir zwar sehr gut gefallen, dafür haben die für Attraktivität zuständigen Sidekicks Scarlett Johansson und Jessica Biel nicht gerade überzeugt. Das größte Manko aber ist das wirklich miserable Make Up buw. die Maske, die Anthony Hopkins mehr nach dem Regiealtmeister aussehen lassen soll.
Alles in allem ist das ein amüsanter, kurzweiliger Film, der dem Fan von Psycho die Entstehungsgeschichte dieses Films etwas näherbringt und durchaus sehr starke Szenen hat. Abgesehen davon hat sich der Streifen aber nicht sonderlich tief inb meinem Gehirn verewigt.


Ghost World (2001) ... Thora Birch war um die Jahrtausendwende die geborene Darstellerin des desillusionierten Teenagers. Das hat sie in eindrucksvoller Manier in American Beauty (1999) bewiesen und tut es zwei Jahre später in Ghost World noch einmal. Zwischen diesen Rollen gibt es einige Parallelen; das Nachdenken über diese hat meinen erst euphorischen Eindruck zu Ghost World etwas getrübt. Denn eigentlich finde ich es schwach, dass 'diese Kuh noch mal gemolken wird': wie schon zwei Jahre zuvor in American Beauty spielt sie eine gelangweilte Jugendliche, die gut mit einer blonden Schulschönheit befreundet ist (Mena Suvari/Scarlett Johansson), nur das die Rolle diess Mal etwas schriller und selbstbewusster angelegt ist. Ich hatte inständig gehofft, dass Ghost World vor American Beauty gedreht worden und somit eine originelle Rolle wenig später noch einmal etwas ernsthafter umgesetzt worden wäre. Aber so direkt nach American Beauty hatte ich ein wenig das Trittbrettfahrergefühl.
Aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau! Ghost World ist, für sich betrachtet, ein wirklich liebenswerter und ungeachtet dessen, worüber ich mich eben ausließ, origineller Film, der dem Zuschauer u. a. einen hinreißenden Steve Buscemi liefert.


Adaptation (2002) ... Seit Jahren versuche ich, endlich mal Being John Malkovich (1999) zu sehen, was immer wieder an woran auch immer scheitert. Mit Adaptation habe ich nun im Grunde die ideale Vorbereitung dafür geschaffen, das doch endlich mal in Angriff zu nehmen. Was genau damit gemeint ist, möchte ich aus spoilerischen Gründen hier nicht verraten.
Nur soviel: Adaptation ist ein Film, der mit den Kniffen von Realität und Fiktion gut umzugehen weiß. So ist aus der empirischen Schreibblockade des Drehbuchautors Charlie Kaufman, als er versuchte den 1997 erschienenen Roman "The Orchid Thief" zu verfilmen, ein Film über die Schreibblockade eines Autors namens Charlie Kaufman (Nicholas Cage) geworden, der nicht mit dem Drehbuch für die Verfilmung des Romans "The Orchid Thief" vorankommt. Absolut sehenswert. Und dann guckt ihr euch noch Vergiss mein nicht (2004) an und nachher, in Gedenken an mich, Being John Malkovich.


Dienstag, Oktober 01, 2013

Frauen denken nur: Haare Haare!

Ich gehe nicht allzu gern zum Friseur. Das hat mit einer langen Historie an unglückseligen Friseurbesuchen in meinem Leben zu tun, zu deren Beginn ich dem Haarakrobaten in detailliertesten und schillerndsten Worten mein Anliegen beschrieben habe, hinterher aber ganz und gar nicht so aussah, wie beabsichtigt.

Als ich nach Leipzig zog, habe ich gar nicht erst versucht, einen guten Friseur zu finden, ich bin einfach immer zum Discountfriseur gegangen. Da macht man keinen Termin, sondern zieht, wie beim Amt, eine Nummer und kommt entsprechend dieser Nummer dran. Wenig vertraueneinflößende Friseurinnen verwechseln einen bei der Behandlung ein wenig mit einem Schaf (und sich selbst mit dem Schafscherer), aber am Ende zahlt man rund 10€ und kann sich dank dieser geringen Ausgabe noch nicht mal beschweren.
Zum Spitzenschneiden - meinem häufigsten Haarschneideanliegen - mag das ausreichen. Wenn man dort aber etwas Aufwändigeres, z. B. Haarefärben machen lassen möchte, wird man wohl zwangsläufig enttäuscht. Als ich vor drei Jahren ein kräftiges Goldbraun wünschte, kam ein tiefes Schwarz heraus. Die zuständige Friseurin konnte ich nicht mal verantwortlich machen, weil sie in den Feierabend ging, während die Farbe bei mir einwirkte. Die Kollegin, die mir später die Farbe auswusch, sagte nur, dass das ja nicht ihre Sorge sei. Im Grunde ist man ja auch ein wenig selbst Schuld - was erwartet man dort auch mehr.

Nach diesem ernüchternden Erlebnis beschloss ich, für meine zwei Friseurbesuche im Jahr meine Nerven zu schonen und mein Portmonee zu strapazieren und ging fortan zu einem richtigen Friseur, mit Termin und Beratungsgespräch und so verrückten Dingen. Ich fand auch einen sehr guten und war entzückt: man bekommt Kaffee und Saft angeboten, statt der InTouch oder der Myself kann man die ZEIT, den Musikexpress oder die 11Freunde lesen, beim Haarewaschen gibt es eine Kopfhautmassage und ganz allgemein gute Gespräche (wenn man darauf erpicht ist) und noch bessere Pflegehinweise. Oder kurz gesagt: man wird wie ein Mensch behandelt. Und ich begann, mich auf die Friseurbesuche zu freuen.

Als meine Haarspitzen mir jüngst ihre Gespaltenheit kommunizierten, entgegnete mein Portmonee mit einem strengen Kopfschütteln und die Vernunft siegte: ich ging nach drei Jahren mal wieder zum Discountfriseur. Schon beim Eintreten bereute ich meine Entscheidung: Rihanna schmetterte unerträglich laut aus den Lautsprechern und durch eine Umgestaltung des Ladens wirkt er nun noch unwirtlicher - wie eine zusammengetriebene Herde sitzen die wartenden Kunden auf einer Sitzinsel in der Mitte der Friseurstühle. Ich zog Nummer 88, gerade war wohl die 73 dran und ich richtete mich auf eine etwas längere Wartezeit ein. Als ich den aktuellen Stern nach anderthalb Stunden weitestgehend durchgelesen hatte, begann ich beim Haareschneiden zuzusehen. Das hätte ich um meiner Selbst willen lassen sollen, zum Wohlfühlen trug es sicherlich nicht bei. Die vier anwesenden Friseurinnen zeichneten sich allesamt durch richtig kaputte Haare aus, kaputtgefärbt durch pink-lila Strähnchen auf tiefem Blauschwarz oder Wasserstoffblond. Nennt mich altmodisch, aber das macht in einem Friseurladen keinen guten Eindruck. Ich musste unweigerlich daran denken, wie mir bei dem anderen Friseur aufgefallen war, dass fast alle Mitarbeiter ihre Naturhaarfarbe trugen (und im Besitz von Nachnamen waren).
Auch beim Blick auf die Hände erschauderte es mich: es gab im Discountfriseur keine einzige Angestellte, die keine künstlichen Fingernägel gehabt hätte. Ich meine das gar nicht sozialdarwinistisch oder bildungselitär, ich kenne intelligente Frauen, die sich mit ihren Plastiknägeln einfach schöner finden und das ist ja auch gut so. Mich gruselte der Gedanke, dass es vor diesen langen bunten Krallen auf meiner Kopfhaut in diesem Laden kein Entrinnen gab, da sie sich am Ende jedes Fingers jeder Angestellten befanden.
Obwohl die Kunden gewohnt schafschurmäßig bearbeitet wurden, dauerte es um die zwei Stunden, ehe ich dran kam. Das hat eventuell mit den Raucherpausen der frisierenden Damen zu tun, womöglich auch mit dem vielen Quatschen untereinander, bei dem sie es auch nicht unterließen, in über ihre Kunden in deren Anwesenheit zu lästern. Über das Haareschneiden an sich kann ich nicht klagen. Ich bekam, was ich erwartete, nämlich dass meine Haare gewaschen, gekämmt und anschließend rundum etwa fünf Zentimeter gekürzt wurden. Nachdem ich sie trocken geföhnt habe, zahlte ich ein Drittel des Guter-Friseur-Preises.

Und trotz dieser reichlichen zwei Stunden war die Nummer, die ich ich vor dem Friseurbesuch im Bürgeramt gezogen hatte, immer noch lange nicht an der Reihe.