Dienstag, Oktober 01, 2013

Frauen denken nur: Haare Haare!

Ich gehe nicht allzu gern zum Friseur. Das hat mit einer langen Historie an unglückseligen Friseurbesuchen in meinem Leben zu tun, zu deren Beginn ich dem Haarakrobaten in detailliertesten und schillerndsten Worten mein Anliegen beschrieben habe, hinterher aber ganz und gar nicht so aussah, wie beabsichtigt.

Als ich nach Leipzig zog, habe ich gar nicht erst versucht, einen guten Friseur zu finden, ich bin einfach immer zum Discountfriseur gegangen. Da macht man keinen Termin, sondern zieht, wie beim Amt, eine Nummer und kommt entsprechend dieser Nummer dran. Wenig vertraueneinflößende Friseurinnen verwechseln einen bei der Behandlung ein wenig mit einem Schaf (und sich selbst mit dem Schafscherer), aber am Ende zahlt man rund 10€ und kann sich dank dieser geringen Ausgabe noch nicht mal beschweren.
Zum Spitzenschneiden - meinem häufigsten Haarschneideanliegen - mag das ausreichen. Wenn man dort aber etwas Aufwändigeres, z. B. Haarefärben machen lassen möchte, wird man wohl zwangsläufig enttäuscht. Als ich vor drei Jahren ein kräftiges Goldbraun wünschte, kam ein tiefes Schwarz heraus. Die zuständige Friseurin konnte ich nicht mal verantwortlich machen, weil sie in den Feierabend ging, während die Farbe bei mir einwirkte. Die Kollegin, die mir später die Farbe auswusch, sagte nur, dass das ja nicht ihre Sorge sei. Im Grunde ist man ja auch ein wenig selbst Schuld - was erwartet man dort auch mehr.

Nach diesem ernüchternden Erlebnis beschloss ich, für meine zwei Friseurbesuche im Jahr meine Nerven zu schonen und mein Portmonee zu strapazieren und ging fortan zu einem richtigen Friseur, mit Termin und Beratungsgespräch und so verrückten Dingen. Ich fand auch einen sehr guten und war entzückt: man bekommt Kaffee und Saft angeboten, statt der InTouch oder der Myself kann man die ZEIT, den Musikexpress oder die 11Freunde lesen, beim Haarewaschen gibt es eine Kopfhautmassage und ganz allgemein gute Gespräche (wenn man darauf erpicht ist) und noch bessere Pflegehinweise. Oder kurz gesagt: man wird wie ein Mensch behandelt. Und ich begann, mich auf die Friseurbesuche zu freuen.

Als meine Haarspitzen mir jüngst ihre Gespaltenheit kommunizierten, entgegnete mein Portmonee mit einem strengen Kopfschütteln und die Vernunft siegte: ich ging nach drei Jahren mal wieder zum Discountfriseur. Schon beim Eintreten bereute ich meine Entscheidung: Rihanna schmetterte unerträglich laut aus den Lautsprechern und durch eine Umgestaltung des Ladens wirkt er nun noch unwirtlicher - wie eine zusammengetriebene Herde sitzen die wartenden Kunden auf einer Sitzinsel in der Mitte der Friseurstühle. Ich zog Nummer 88, gerade war wohl die 73 dran und ich richtete mich auf eine etwas längere Wartezeit ein. Als ich den aktuellen Stern nach anderthalb Stunden weitestgehend durchgelesen hatte, begann ich beim Haareschneiden zuzusehen. Das hätte ich um meiner Selbst willen lassen sollen, zum Wohlfühlen trug es sicherlich nicht bei. Die vier anwesenden Friseurinnen zeichneten sich allesamt durch richtig kaputte Haare aus, kaputtgefärbt durch pink-lila Strähnchen auf tiefem Blauschwarz oder Wasserstoffblond. Nennt mich altmodisch, aber das macht in einem Friseurladen keinen guten Eindruck. Ich musste unweigerlich daran denken, wie mir bei dem anderen Friseur aufgefallen war, dass fast alle Mitarbeiter ihre Naturhaarfarbe trugen (und im Besitz von Nachnamen waren).
Auch beim Blick auf die Hände erschauderte es mich: es gab im Discountfriseur keine einzige Angestellte, die keine künstlichen Fingernägel gehabt hätte. Ich meine das gar nicht sozialdarwinistisch oder bildungselitär, ich kenne intelligente Frauen, die sich mit ihren Plastiknägeln einfach schöner finden und das ist ja auch gut so. Mich gruselte der Gedanke, dass es vor diesen langen bunten Krallen auf meiner Kopfhaut in diesem Laden kein Entrinnen gab, da sie sich am Ende jedes Fingers jeder Angestellten befanden.
Obwohl die Kunden gewohnt schafschurmäßig bearbeitet wurden, dauerte es um die zwei Stunden, ehe ich dran kam. Das hat eventuell mit den Raucherpausen der frisierenden Damen zu tun, womöglich auch mit dem vielen Quatschen untereinander, bei dem sie es auch nicht unterließen, in über ihre Kunden in deren Anwesenheit zu lästern. Über das Haareschneiden an sich kann ich nicht klagen. Ich bekam, was ich erwartete, nämlich dass meine Haare gewaschen, gekämmt und anschließend rundum etwa fünf Zentimeter gekürzt wurden. Nachdem ich sie trocken geföhnt habe, zahlte ich ein Drittel des Guter-Friseur-Preises.

Und trotz dieser reichlichen zwei Stunden war die Nummer, die ich ich vor dem Friseurbesuch im Bürgeramt gezogen hatte, immer noch lange nicht an der Reihe.

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