Edition "Verblendung" - das schwedisch-amerikanische Film-Battle
Wenn
Stieg Larsson, Autor der Millenium-Trilogie, noch leben würde, hätte er jetzt vermutlich mindestens eine goldene Nase. Nicht zuletzt wegen der sehr erfolgreichen Verfilmungen seiner Buchreihe, die ursprünglich übrigens aus zehn Bänden bestehen sollte. Die schwedischen Filmadaptionen mit
Michael Nyqvist und Noomi Rapace in den Hauptrollen waren auch in unseren Kinos sehr erfolgreich und kamen bei Kritik und Zuschauern gut an. Selten hat man international so konkurrenzfähiges schwedisches Kino erlebt.
Und so war es nur folgerichtig, dass die Fans von Verblendung, Verdammnis und Vergebung die Nase rümpften, als bekannt wurde, dass es auch eine US-Adaption der Reihe geben wird, directed by niemand anderem als
David Fincher (
Fight Club, The Social Network, Gone Girl). Die hochkarätig besetzte Hollywoodproduktion (
Daniel Craig, Stellan Skarsgard, Robin Wright), die dazu mit einem genialen Soundtrack (
Trent Reznor und Atticus Ross) auftrumpfen kann, musste sich dem direkten Vergleich zum schwedischen Vorgänger natürlich stellen. Und den verlor sie, sowohl bei den professionellen als auch den Hobbyrezensenten.
Ich habe beide Filme innerhalb weniger Tage geschaut und finde die US-Produktion ein klein wenig besser. Das liegt an ein paar objektiven Dingen – z. B. an der nicht sooo guten deutschen Synchronisation des schwedischen Films, und natürlich auch ein vielen ganz subjektiven Eindrücken. Das US-Remake finde ich atmosphärisch dichter, ausgeklügelter, und es sieht zugegebenermaßen insgesamt etwas besser aus.
Beiden Filmen liegt der gleiche Roman zugrunde und sind sich daher in vielen Dingen wirklich sehr ähnlich. Der zwei Jahre jüngere US-Film konnte sich natürlich auch ein bisschen vom schwedischen Vorgänger inspirieren lassen, das sieht man auch ganz deutlich an einigen der Settings. So gibt es zwischen den Vanger-Inseln und den Gebäuden darauf sehr große Ähnlichkeiten, sogar hinsichtlich der Innenausstattung. Auch für manche Stockholmer Szenen trifft das zu, beispielsweise das Konferenzzimmer bei Milton Security. Auch hatte ich das Gefühl, dass man sich beim Casting für den Fincher-Film rein äußerlich an manchen schwedischen Darstellern orientiert hat. Der Anwalt Frode, aber auch die Hauptdarsteller ähneln sich.
Manche Dinge machen die Filme aber sehr
unterschiedlich, teilweise sogar auf der Handlungs- und Figurenebene. Der schwedische Film psychologisiert seine Protagonisten mehr, es werden Verwandte (Lisbeths Mutter, Mikaels Schwester) eingeführt, die in den Fortsetzungen noch eine Rolle spielen werden. Das US-Remake wird wahrscheinlich ohne Fortsetzungen verbleiben müssen, vielleicht hat man sich diese Figuren deswegen gespart. Ein weiterer großer Unterschied lässt sich an der Figur der Herausgeberin Erika Berger festmachen. Sie ist im US-Film wesentlich präsenter, was nicht zuletzt an der prominenten Besetzung liegen wird. Die Beziehung zwischen ihr und Mikael Blomqvist wird mehrfach thematisiert, sie besucht ihn sogar auf der Vanger-Insel. Am Ende des Films gehen die beiden Arm in Arm durch eine Straße und Lisbeth, die das aus sicherer Entfernung beobachtet, muss ihre Hoffnung auf eine Beziehung abhaken. Im schwedischen Film kommt es zwar auch nicht zu einer Beziehung zwischen Lisbeth und Mikael, aber es scheint zwischen ihnen eine Art Liebe zu bestehen und auch Erika Berger taucht nicht mehr auf.
Ein sehr großer Unterschied lässt sich am Schicksal der vermeintlich ermordeten Harriet Vanger ausmachen. Im US-Film stöbert Mikael sie in London auf, wo sie die Identität ihrer verstorbenen Cousine Anita angenommen hat und im Versicherungsgeschäft tätig ist. Im schwedischen Film hat sie sich nach ihrer Flucht nach Australien abgesetzt, wo sie unter falschem Namen eine Ranch bewirtschaftet. Anita ist unabhängig davon vor Jahren an Krebs verstorben.
Letztendlich muss jeder selbst entscheiden, welche Verfilmung ihm mehr behagt. Ich ziehe als jemand, der beide Filme erwartungsfrei und in kurzem Abstand gesehen hat, das US-Remake vor. Fans des schwedischen Originals finden das wiederum vielleicht zu glatt oder zu unschwedisch.