Donnerstag, Juni 14, 2012

EM-Zwischenstand (II), und: Patriotismus

Setzen wir erst die Spieleauswertung fort, ehe es etwas inhaltlicher wird:

  • Frankreich - England (1:1): Dieses grausige Spiel habe ich zwar kommentiert, es soll hier aber um der Vollständigkeit willen aufgeführt werden. Dabei ist jedes Zeichen zu viel. England hat außer einen guten Abwehrleistung wenig gezeigt - und das kann doch nicht alles am gesperrten Wayne Rooney liegen. Frankreich hat, für mich überraschend, leider genauso wenig gemacht, von einem guten Nasri mal abgesehen. Das war ein ziemlich nerviges Spiel.
  • Ukraine - Schweden (2:1): Wie ich es im Vorfeld angekündigt hatte, war hier um einiges mehr los. Die Gastgeber haben richtig gut gespielt, die alte Socke Schewtschenko hat alles aus sich raus geholt und Zlatan Inbrahimovic im Gegenzug ganz schön alt aussehen lassen - Ibras schönes Tor wollen wir natürlich trotzdem nicht unterschlagen. Außerdem bescherte mir dieses Spiel einen schönen Lacher beim Verfolgen des 11Freunde-Tickers: "Wir können die Namen doch eh nicht, also Ukraine wechselt: Jokerwitsch kommt für Ausgepumptorenko." 
  • Griechenland - Tschechien (1:2): Der zweite Spieltag beginnt so unkrachermäßig wie der erste vor vier Tagen. Und das Spiel läuft exakt so wie erwartet: die Tschechen sind im Allgemeinen besser, der Schalker Kyriakos Papadopoulos holt sich selbstverständlich eine gelbe Karte und Theofanis Gekas schießt selbstverständlich kurz nach seiner Einwechslung ein Tor. Und weil alles so vorhersehbar lief, habe ich mir dafür auch schöne fünf Punkte im Tippspiel abgeholt (und damit drei Punkte mehr, als ich am gesamten ersten Spieltag ertippt hatte), wo ich nun auch generell wieder auf dem aufsteigenden Ast bin (derzeit Platz 2).
  • Polen - Russland (1:1): Schon im Vorfeld war viel los. Tausende russische Fans marschieren in einem Marsch zu Ehren ihres Unabhängigkeitstages auf das Stadion zu und provozieren damit, sicherlich intendiert, die Polen. Und dann wird sich gehauen. Auf dem Platz gings auch heftig zur Sache, aber eher im positiven Sinne. Der Zuschauer, in diesem Falle ich, sah ein schönes umkämpftes Spiel zweier gut spielender Mannschaften. Für Polen wäre ein knapper Sieg durchaus drin gewesen und ein richtig guter Jakub Blasz... Blacz ... ein gewisser Kuba hat das Spiel attraktiv und spannend gehalten. Das Ergebnis ist aber dennoch gerecht.
  • Dänemark - Portugal (2:3): Dänemark ist der Gruppe B ja das, was Irland der Gruppe C ist. Man hält die Fans für die lustigsten, trinkfestesten und partytauglichsten überhaupt und freut sich, insofern nicht das eigene Team gegen sie spielt, über jedes Tor. Denn Underdogs sind cool und so. Diese Dänen werden ihrer sympathischen Außenseiterrolle auch durchaus gerecht und dekorieren sie sogar mit ganz okayem Fußball, der Siege oder Remis auch als verdient erscheinen lässt. Und in diesem Spiel wäre ein Unentschieden sogar in Ordnung gegangen. Das Spiel war sehr spannend und sehr schön anzusehen. CR7, wie man Cristiano Ronaldo auch ganz lässig nennen kann, hat allerdings wieder nix gezeigt, von mehreren derbe versemmelten Großchancen mal abgesehen. Tat mir leid für ihn. 

  • Niederlande - Deutschland (1:2): Bei 67°C im "Kessel von Charkiw" drohte es ein lahmer Hitzekick zu werden - Gott sei Dank blieb mir, uns, euch das über weite Strecken erspart. Es gab einige sehr schöne Szenen zu sehen, allen voran natürlich die Schweinsteiger-Zuckerpässchen auf Gomez, der diese noch zuckermäßiger und mit an Raúl erinnernder Eleganz zu Toren machte. Ich freue mich für beide Spieler wirklich sehr. Wieder etwas schade, dass Mesut Özil derzeit wohl nicht zeigen kann, was wir so gerne von ihm sehen, abgesehen von einem sehenswerten Pfostenschuss ganz zu Beginn der Partie. Am Ende wurde es durch van Persies (echt gutes) Tor noch mal spannender als mir recht war, aber der Sieg wurde über die Zeit gebracht. Und ein sehr trauriger Mark van Bommel hatte allen Trost nötig, denn Bastian Schweinsteiger zu vergeben hatte. Legendär ist dieses Spiel allerdings vor allem wegen dieser Szene:
 

Hehe ... (es gibt bei youtube auch Clips mit deutschem Kommentar - aber kaum einer davon zeigt die Szene so vollständig wie dieser hier)


Im Vorfeld zu jedem Fußballturnier, zumindest seit der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland, gibt es eine Patriotismus- bzw. Nationalismusdebatte. So ganz geheuer ist das Fahnengeschwenke und Hymnensingen verschiedenen Leuten nach wie vor nicht. Dank Facebook, unser aller bestem Freund, wird die Debatte zwar argumentfreier, dafür aber auch anschaulicher und griffiger. Hier mal zwei Bilder, auf die ich in den letzten Tagen im sozialen Netzwerk gestoßen bin:


Mit diesem Zettelchen habe ich ein großes Problem. Nicht nur, dass es natürlich eine Straftat darstellt, eigenmächtig an der Gestaltung des Eigentums eines anderen Menschen herumzuwerkeln und obendrein noch etwas zu klauen. Es ist auch dieses "Na, ich übernehme mal das Denken für dich"-Ding, das da mitschwingt. Und zudem halte ich anti-nationale Bestrebungen für ebenso verfehlt und verherrlichend wie nationalistische Bewegungen. Das Problem ist nur, dass jeder antinationalistisch eingestellte Mensch jede Flagge als Beleidigung der Humanität und als obernazihafte Geste erachtet. Die Möglichkeit eines Weges, der zwischen diesen beiden Polen verläuft, wird gar nicht erst diskutiert. Ich bin weder ein sonderlich großer Patriot noch das Gegenteil davon - das heißt nicht, dass ich diesbezüglich Nichts, nichts dazwischen bin. "Deutsche Identität" wird hier als regelrechtes Verbrechen beschrieben, und das kanns ja dann auch irgendwie nicht ganz sein.


Ein bisschen diskussionswürdiger - also im Sinne einer ernsthaften Diskussion, die fruchtbar sein könnte - finde ich da diesen Schriftzug. Denn er beinhaltet viel Wahres: "Ausgrenzung stinkt" ist etwas, das absoluter Konsens sein muss. Der Zusatz "- Auch zur EM" ist selbstverständlich auch wahr. Aber er hat einen Beigeschmack, der sich im Satz darüber konkretisiert. Allein einem "wir" ein (hier nicht artikuliertes) "ihr", also jenes "die anderen" gegenüberzustellen, wird hier als aggressive Ausgrenzung, als nationalistisch gewertet. Rein sprachsemantisch gesehen stimmt das Argument 'Ausgrenzung' wohl auch - ein 'wir' grenzt immer automatisch jeden aus, der nicht im 'wir' enthalten ist. Ich sage z. B. 'wir', wenn ich die Mama-Papa-Schwester-Anne-Familie meine und grenze damit meinen Freund, meine Oma und Barack Obama aus. Aber ist das deswegen ein böses, abwertendes 'wir'? Sicherlich nicht. Und dass man auch fußballnationenintern mit diesem Personalpronomen hantiert, das muss auch keine bösen, abwertenden Absichten haben. Sicher gibt es Leute, die so ticken; aber ich finde es ungerechtfertigt, deswegen alle Fußballfans, die ein 'wir'-Gefühl erleben, über den gleichen Nazi-Kamm zu scheren.

Dieser Link führt euch zu einem etwas humorvolleren, da weniger germanistischen Umgang mit diesem Thema. ;)

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