Samstag, Dezember 03, 2011

Laminatschneidestaub

An einem Samstag im Dezember um sechs Uhr morgens aufstehen, um dann insgesamt eine Stunde lang in der Dunkelheit und dem eiskalten Sturm unterwegs zu sein und stundenlang in einer kalten, leeren Wohnung auszuharren, sowas würde ich normalerweise nicht machen. Heute hab ich das aber gemacht. Und es war gar nicht mal so furchtbar wie es sich anhört.

Nur hätte ich vorher mal nachsehen sollen, wann samstags um diese Zeit Straßenbahnen fahren, dann hätte ich nicht eine Viertelstunde im Herbststurm gestanden, um eine Bahn Richtung Innenstadt zu erwischen. Dort war der Anschluss an die nächste Bahnlinie auch wieder so schlecht organisiert, dass ich drei Stationen in die Richtung, in die ich gelangen wollte, gelaufen bin. Mit Yann Tiersen im Ohr ist das aber eher schön als schwer. 

Es ist ungemein spannend zu sehen, was morgens kurz vor sieben so los ist in der Stadt. Ein paar Jugendliche lärmen am Goerdelerring, das einzige Mädchen der Clique schreit und prügelt auf einen der Jungs ein, vielleicht ihr Freund. Bald schon fahre ich mit der Bahn über das Elsterflutbecken. Ich freue mich immer schon lange vor der Brücke darauf, gleich das historische Wehr sehen zu können. Der Himmel wird in dieser Richtung allmählich schon mittelblau, man erahnt, dass in einer Stunde die Sonne aufgehen wird.

Wehr am Elsterbecken an einem Herbsttag vor drei Jahren
Ein paar Minuten darauf steige ich aus und stehe schon auf dem Marktplatz, der bald immer um die Ecke sein wird. Ich freue mich schon drauf, bald einen Wochenmarkt ganz in meiner Nähe zu haben. Ehe ich, an der riesigen Kauflandbaustelle vorbei, zur neuen Wohnung laufe, habe ich noch die Qual der Wahl zwischen zwei Bäckern, von denen ich einen auserwähle, mich mit einem Kaffee und einem belegten Brötchen zu versorgen. 

Die Wohnung empfängt mich mit dem Geruch nach neuer Farbe und einer Kühle, die im Vergleich zum kalten Dezembermorgen fast mild ist. Es ist ganz dunkel überall, nur das Zimmer, das mal eine Art Arbeitszimmer werden soll, bekommt ein wenig Licht durch die morgendliche Dämmerung aus Südost ab. Dort steht auch das Radio, zu dem ich mich setze und frühstücke. Als ich fertig bin, klettere ich die Stufen in das obere Zimmer hinauf, um zu sehen, ob ich aus den Dachfenstern etwas mehr vom Sonnenaufgang sehe. Irgendwie ist das Dach aber im Weg.

Den restlichen Morgen und Vormittag verbringe ich damit, immer mehr von dem Dreck zu beseitigen, den zwei Jahre Unbewohntsein und das kürzliche Laminatschneiden zurückgelassen haben. Staubsauger, Staubtücher und Wischmop geben ihr Bestes, und bald scheint die Sonne endlich durch die Fenster hinein und zeigt mir den Schmutz, den ich vergessen habe. Beim Abwischen der Scheuerleisten kommt Ungeheuerliches zutage - die Wandfarben der Vormieter, die am Rand hier und da ein wenig unter der weißen Übermalung herauslugen. Knallorange war der Flur, Knallgelb das obere Zimmer. Das Schlafzimmer stellt meine Stilsicherheit arg auf die Probe; knalltürkise Farbstellen kreischen mich vom Türrahmen aus an. Die Neunziger Jahre sind vorbei.

Noch ein paar ausbessernde Pinselstriche an den Küchenwänden mit dem letzten Rest der Farbe, und schon klingelt es Sturm. Der schwedische Möbellieferant liefert schwedische Möbel. Zwei keuchende, mitleiderregende Männer werfen mir meine Einrichtungsshoppingwut mit ihren Blicken vor. Die Kisten ins Schlafzimmer, das muss ganz nach oben, das bitte da hinten rechts abstellen, in der Küche ist kein Platz, das zusammen zu bauen. 

Immer vollständiger wird alles hier. Die Wohnung hat ihre Makel - auch welche, die schwerer wiegen als Türkis - aber soviel Charakter wie diese hatte keine der anderen, die zur Auswahl standen. Ich freue mich unglaublich darauf, hier bald einzuziehen.

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