Freitag, Dezember 02, 2011

Christa Wolf ... 18. März 1929 - 01. Dezember 2011


Das ganze kulturelle, politische, ... - na, eigentlich ganz Deutschland trauert seit gestern Nachmittag um Christa Wolf. Ihre Bedeutung für die DDR- und die gesamtdeutsche Literatur sowie die Anzahl der an sie verliehenden Preise ist immens und ich kann das Ausmaß hier gar nicht wiedergeben. 

Wichtig war Wolf auch als "moralische Instanz" während und nach der Wiedervereinigung, auch wenn sie politisch nicht unumstritten war. Hier ist vor allem der so genannte 'deutsch-deutsche Literaturstreit' zu nennen, der aufgrund ihrer Erzählung Was bleibt (1990) entbrannte. Es ging darum, warum Wolf diesen sehr DDR-kritischen Text, den sie 1979 verfasst hatte, erst nach der Wende veröffentlichte; man warf ihr vor, dass sie im Gegensatz zu anderen Schriftstellern und Intellektuellen in der DDR geblieben war und mit dem Staat teilweise kooperiert hatte; sie war auch Inoffizielle Mitarbeiterin (IM Margarete) der Staatssicherheitsbehörde gewesen. Marcel Reich-Ranicki nannte sie gar eine "DDR-Staatsdichterin". Der Streit, der sich deutschlandweit zu einer Grundsatzdiskussion ausgeweitet hatte, an welcher sich viele Schriftsteller, Journalisten und Politiker beteiligten, endete schließlich darin, dass Wolf 1993 ihre Stasi-Akte veröffentlichte. Die Akte der IM Margarete beinhaltet drei Berichte, die Wolf über andere Personen für die Stasi anfertigte - sie alle enthielten ein sehr positives Bild der überwachten Personen, womit die Autorin Sinn und Zweck dieser Berichte untergraben hatte.

Ich habe schon seit dem Abitur vorgehabt etwas von ihr zu lesen. Ihre bekanntesten Texte sind sicherlich Kein Ort. Nirgends (1979), Nachdenken über Christa T. (1968) und Was bleibt, aber auch Kindheitsmuster (1976) und Störfall. Nachrichten eines Tages (1987). Besonders interessant finde ich auch Kassandra (1983) und Medea. Stimmen (1996); dabei handelt es sich um antike Mythenstoffe, die Wolf aufgriff und mit einer aktualisierten Lesart versah. Gelesen habe ich bisher leider nur Medea; Kindheitsmuster liegt seit mehr als zwei Jahren unberührt im Regal. Vielleicht ist über Weihnachten Zeit, das zu ändern.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Danke für diese Zusammenfassung des Literaturstreits. Fang gerade erst an, mich damit zu beschäftigen, wie man verschiedene DDR-Schriftsteller heute betrachten sollte. Ich denke, wer Christa Wolf liest, merkt, dass da überall Kritik drin steckt. Vlt. schien ihr nur der Kapitalismus keine wirkliche Alternative zu sein? Kassandra muss ich auch unbedingt mal lesen! Für den Anfang empfehl ich dir Sommerstück (war mein erstes Buch von ihr), es ist nicht so lang, also auch bei wenig Zeit lesbar ;) und v.a. sprachlich und inhaltlich stark.

Anne hat gesagt…

Danke für den schönen Kommentar!
Ich habe mich im vergangenen Sommer privat recht intensiv in das Thema des Literaturstreits eingelesen. Habe bei Prof. Nagelschmidt ein Seminar zum Thema 'Deutsche Literatur nach 89' besucht - und da war das logischerweise ein Hauptaugenmerk, das mich sehr interessiert hat. Eigentlich wollte ich noch viel mehr konkret zum Literaturstreit schreiben ... aber es sollte ein überschaubarer Nachruf werden, kein Essay ;). Deswegen kommt das vielleicht noch, wenn ich dann über Weihnachten mehr Zeit für Frau Wolf habe. In deinen Beitrag habe ich auch eben hineingelesen - hervorragend. Vor allem, dass du sie auch selbst zu Wort kommen lässt!
Ich denke, dass Kassandra das mächste Projekt wird. Schon wiel mich Medea so beeindruckt hat.

Anonym hat gesagt…

Danke ebenfalls. Schade, dass es ein solches Seminar bei uns nicht gegeben hat, jedenfalls nicht unter dem Fokus. Auf jeden Fall habe ich auch gleich Lust bekommen, die anderen Bücher von ihr zu lesen, vlt. auch Kassandra...
Lg, Laura