Das Mädchen und die Freundlichkeit
Heute ist mir ein Mädchen entgegengekommen, über das ich jetzt noch nachdenke. Eigentlich hat es nicht wirklich etwas mit dem Mädchen zu tun, sie hat mich auf einen gedankengang gebracht. Es war nahe der Hauptbibliothek der Universität Leipzig. Vollkommen neutral gelaunt und nicht gefasst auf irgendetwas, dass mich aus meiner Routine reißen könnte, kommt mir dieses Mädchen entgegen und läuft an mir vorbei. Nichts spektakuläres, aber wie sie guckt! Ich glaube ja, dass sie immer so guckt. Sie ist die Freundlichkeit und Wärme in Person und jeder (ich hab es an den Gesichtern der Menschen hinter und neben mir gesehen) fühlt sich irgendwie von ihrem Blick angesprochen. Sie wirkt, als würde sie jeden Moment auf jeden von uns zugehen und sagen "Hallo, schön dich zu sehen, ich hoffe es geht dir gut und dein Tag wird wunderschön", auch wenn sie einen nicht kennt. Und dann musste ich darüber nachdenken, wieviele Menschen sich von Freundlichkeit gleich belästigt fühlen würden. Ich hätte mich bestimmt belästigt gefühlt, einfach weil ich nicht will, dass jemand ohne Grund so scheiß nett ist zu mir, wenn ich nicht darauf vorbereitet bin. Ist das nicht traurig? Man verkraftet nicht einmal mehr Freundlichkeit, weil man dahinter immer etwas vermutet und die meisten Menschen, die freundlich zu einem sind, das nicht ohne Grund tun. Sie wollen etwas dafür oder ähnliches.
Die Blume
Ich habe wenig Ahnung von Blumen. Ich kenne von vielen die Namen nicht, ich kann nur zwischen "schön", "geht" und "gefällt mir nicht" unterscheiden. Auf meinem Schreibtisch stehen bzw. standen nun zwei Wochen zwei Blumen, die wunderschön waren. Mit dicken hellgrünen Stielen und etwas mehr als handflächengroßen (meine Handflächen *g*) Blüten, mit dünnen langen Blütenblättern in gelb-orange. Die eine ist am Wochenende gestorben, die andere wird heute 2 Wochen alt. Das ist doch mal eine Investition! Da zahlt man insgesamt 3 Euro und hat länger als eine Woche was davon. Die noch lebende macht auch keine Anstalten, so bald dahin zu siechen, sie sieht wirklich noch gut aus. Mir tut es jetzt schon leid, sie irgendwann demnächst durch andere Blumen zu ersetzen. Blumen sind nämlich ungeheuer gut für meinen Schreibtisch. Er fühlt sich gleich viel frischer und attraktiver und das wirkt sich wirklich positiv auf mein Arbeitsklima aus.
Die Straßenbahn
Anne mag Straßenbahnen. Ich könnte mich wirklich daran gewöhnen, mein ganzes Leben lang jede längere Strecke, die nicht als Spaziergang oder Wanderung konzipiert ist, mit der Straßenbahn zurückzulegen. Dagegen sprechen die mangelnde Existenz von Lebenstickets und die unausreichende Vergleisung der Welt. In der Straßenbahn besteht eine ungeheure Ambivalenz zwischen Einsamkeit und Vielsamkeit. Die beiden Sachen prallen förmlich aufeinander. Auf der einen Seite ist man an kaum einem anderen Ort so eng mit so vielen, fremden Menschen zusammen, die bei entsprechender Dichte mit einem auf eine Art und Weise Körperkontakt haben, wie man ihn mit guten Freunden nach zig Jahren noch nicht hatte. Auf der anderen Seite käme man nie auf die Idee, mit diesen Menschen zu sprechen, man kennt keinen und legt eigentlich auch gar keinen Wert darauf. Denn in der Straßenbahn hat man selten gute Laune. Man freut sich auf das Ziel und will endlich dahin oder man will eben überhaupt nicht dahin und befindet sich auf seinem ganz persönlichen Trauermarsch. Oder man fährt heim und ist einfach nur fertig mit sich und der Welt - und erst recht mit anderen Menschen.
Warten auf Anne
Ich habe heute auf Anne gewartet. Nein, ich bin nicht shizophren und nein, ich bin auch niemand, der Anne B.'s Blogaccount gehackt hat. Ich habe auf jemanden gewartet, deren Eltern den guten Geschmack hatten, sie genauso zu nennen wie mich. Wir waren jedenfalls zur Übergabe ihres Literaturwissenschaftshefters (denn wenn ich schon nicht zur Vorlesung gehe, dann brauch ich wenigstens die Mitschriften eines anderen) verabredet, an der großen Uhr auf der breiten Fußgängerzone zwischen Seminargebäude und Lieblingsbuchhandlung. Und sie kam nicht. Da bleibt einem nichts anderes übrig, als die Buchhandlung zu überfallen. Und ich hätte es nicht tun sollen - denn nun ist meine imaginäre Buchwunschliste um drei Werke verlängert worden. Ich liste mal die halbwegs vollständige, heute neu bearbeitete Liste auf:
- Thomas Mann: "Der Zauberberg", "Buddenbrooks"
- Hape Kerkeling: "Ich bin dann mal weg"
- Edgar Hilsenrath: "Der Nazi und der Friseur"
- Marina Lewycka: "Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch" (es ist nicht so wie es klingt...*g*)
- Friedrich Dürrenmatt: "Der Besuch der alten Dame"
- Juli Zeh: "Adler und Engel", "Alles auf dem Rasen"
Das sind erstmal die brennendsten Bücher. Wer mir was zum Geburtstag schenken will und merkt, dass der in 4 Tagen schon ist und nun aus allen Wolken fällt, der kann ja mal in die Buchhandlung seines Vertrauens gehen XD.
Anne kam dann auch bald. Ihr Tutorium hatte überzogen.
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