Wer Arbeit nur männlich definiert, ist im Irrtum. Ohne die Frauen geht
in der modernen Arbeitswelt gar nichts. Sie sind der Schlüssel, den
wachsenden Fachkräftemangel zu verringern, der unsere Wirtschaft vor
große Probleme stellen wird. Deswegen brauchen wir die Frauen nicht nur
als Beiwerk, sondern auch an der Spitze.
(Ursula von der Leyen in der FAZ vom 17. Oktober 2011)
Frau von der Leyen hat damit natürlich Recht, gerade mit dem letzten Satz; wer das bestreitet, der steigt bei der Debatte am Besten jetzt schon aus. Ohne die Frauen ging schon in den Zwanziger Jahren in der Arbeitswelt gar nichts, von der Zeit des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit mal ganz zu schweigen. So neu ist diese These also nicht.
Nun kämpfen Arbeitsministerin von der Leyen und die Familienministerin Kristina Schröder um eine Quote für Frauen in Spitzenpositionen, vor allem für die Aufsichtsräte und Vorstände der 30 größten DAX-Unternehmen. Sie kampfen aber nicht zusammen, sondern gegeneinander: die eine möchte eine fixe Quote, für die bisher die Zahl '30%' durch den Raum geistert (von der Leyen), die andere plädiert für die so genannte 'Flexi-Quote' und scheint mir damit wesentlich realitätsnäher zu sein:
Von einer starren 30-Prozent-Quote halte ich überhaupt nichts. Denn die
Verhältnisse in den einzelnen Branchen sind objektiv ganz
unterschiedlich. In der Stahlbranche arbeiten nun mal viel weniger
Frauen als in der Kommunikationsbranche.
(Kristina Schröder in der WELT am Sonntag vom 25. September 2011)
Ich sehe das ähnlich - gerade bei Unternehmen wie BMW oder Siemens kann ich mir vorstellen, dass das potenzielle Angebot an Frauen für die oberen Positionen wesentlich geringer ausfällt als in anderen Konzernen. Da kann ich mich aber auch irren; ich möchte hier ungern wegen irgendwelchem "Frauen interessieren sich nicht so sehr für Autos"-Denken motivierte BMW-Mitarbeiterinnen unterschätzen.
Aber bevor ich die Flexiquote am Ende noch in den Himmel lobe ... auch die brauchen 'wir' nicht. So löblich die Anstrengung zur Gleichberechtigung in der deutschen Wirtschaft auch sein mag, so diskriminierend ist sie am Ende auch. Ganz subjektiv kann ich von mir behaupten, dass es mir unangenehm wäre, eine höhere Position durch eine Quote zu erlangen. Das Gefühl, diese Stellung verdient zu haben, fehlte mir dann völlig, und ich kann mir bei den meisten jungen Frauen aus meinem Bekanntenkreis, die so wie ich gerade am Beginn des beruflichen Lebens stehen, vorstellen, dass es ihnen da genauso ginge. Das Karrieredenken ist bei mir zwar in allergeringstem Maße ausgeprägt, aber ich möchte durch Leistung vorankommen. Dass da die Crux liegt, ist bekannt - kommen Frauen denn bei gleicher Leistung irgendwie am männlichen Bewerber, der die Vorzüge des fehlenden Uterus' mitbringt, vorbei? Es muss doch irgendwie machbar sein, dass bei der Bewerbung um einen Posten nicht in Mann und Frau unterschieden wird, sondern man nach der besten Person für die Stelle sucht. Danach sollte die Person, der Mitarbeiter, wieder zum Menschen werden, zu dem nun einmal gehört, dass er Mann oder Frau (oder das, als was er sich definiert) ist und Vater- oder Mutterpflichten erfüllen muss und will.
Als positives Beispiel wird von beiden Ministerinnen der Mittelstand angeführt. 30% der dortigen Führungskräfte sind weiblich (jetzt wissen wir auch, woher Frau von der Leyen ihre Zahl hat) und zumindest dorthin sollen auch die anderen Unternehmen im Schnitt gelangen. Das Problem hierbei für mich: diese 30% sind aller Wahrscheinlichkeit nach im Großteil der Fälle auf ganz natürliche Weise entstanden, zum Einen, weil viele mittelständische Betriebe nach wie vor Familienunternehmen sind (und in Familien ist schon seit Jahrhunderten bekannt, dass Frauen gute Manager sind); und zum anderen, weil die so genannte Mittelschicht bei Weitem nicht so patriarchalisch strukturiert ist wie die 'Oberschicht' (oder wozu man jetzt die DAX-Konzerne und deren Spitzen auch immer rechnen mag). Dass die Muttis mehr verdienen als die Vatis, ist da nicht selten der Fall.
Für mich ist der Mittelstand daher auch ein gutes Beispiel - und zwar dafür, dass es auch 'darüber' auf natürlichem Wege zu einem höheren Frauenanteil in der Führungsetage kommen kann; das dauert nur eben noch etwas, weil sich dieser Prozess quasi verzögert zur Entwicklung des Mittelstandes vollzieht. So ein Denken setzt sich in den prestigelasterigeren, machterfüllteren Sphären eben langsamer durch, das ist meiner Ansicht nach gar nicht mal unrealistisch.
Klar wäre es schöner, wenn das schneller vonstatten gehen würde. Aber keine Frau, die ein bisschen Selbstachtung hat, freut sich über einen Quotenfrauenposten zwischen einem Haufen Männer, die genau wissen, dass sie eine Quotenfrau ist. Frauen möchten auch beruflich die Dinge selber in die Hand nehmen, ihren Aufstieg selbst bewirkt haben. Diese zwanghafte Beschleunigung dieses Prozesses, diese Krampfemanzipation der Wirtschaft wird Frauen nicht früher zur Normalität in jenen Posten machen. Dass so viel darüber geredet wird*, macht jene Frauen, die über diese Quote ihre Position (die leistungsmäßig ja sicherlich in den meisten Fällen absolut gerechtfertigt ist!) erlangen, erst recht noch eine Weile zum Gesprächsstofflieferanten und zum Kuriosum. Und deswegen ist diese Debatte im Grunde eher Diskriminierung als Befreiungsschlag.
* bloß nicht falsch verstehen: damit will ich NICHT sagen, dass die Debatte unter den Tisch gekehrt gehört.